Investoren verzweifelt gesucht
swa Frankfurt – Anhaltende Dürrezeit in der deutschen Biotech. Es gibt keine Venture-Capital-Investoren mehr, für IPOs fehlen Analysten und Life-Science-Fonds, beschreiben Firmenvertreter das Bild. Zwar ist das Finanzierungsniveau im vergangenen Jahr nach Zahlen des Biotech-Reports der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young 2013 leicht gestiegen, doch die Summe ist weit von den Zahlen vor der Finanzkrise entfernt und wird von wenigen Unternehmen dominiert.Die Mittel aus Kapitalerhöhungen über die Börse im Umfang von 161 Mill. Euro haben primär Morphosys (84 Mill.) und Evotec (30 Mill.) eingesammelt, erläutert Siegfried Bialojan, Leiter des deutschen Life-Science-Centers von EY. Die Zufuhr von Risikokapital wiederum verteilt sich auf die wenigen bekannten Family Offices, verbunden mit den Namen Hopp oder Strüngmann. Nahrungskette unterbrochenDie “Kapital-Nahrungskette” ist an verschiedenen Stellen unterbrochen, fasst es Bialojan zusammen. Die staatliche Forschungsförderung sei intakt, “Innovation wird dann aber im Forschungsministerium geparkt”, moniert der EY-Vertreter. Nach relativ guter Anschubfinanzierung mangele es an Geld für die Anschlussprojekte. Venture Capital sei in dem Segment stark ausgedünnt, was der Branchenbeobachter auf die mangelnden Exitmöglichkeiten zurückführt. Hierzulande hat der Markt seit 2006 keinen Börsengang mehr in der Biotech gesehen – in den USA waren es allein im vergangenen Jahr 41. “Die Schere zu den USA geht weiter auf”, so Bialojan, der die Qualität der Neuemittenten deutlich höher einschätzt als die Substanz der Firmen, die vor dem Platzen der Tech-Blase an den Markt gestrebt waren. In der Regel arbeiteten die Firmen mit Wirkstoffkandidaten in Phase II oder III .In Deutschland geht die Erosion dagegen weiter. Die Zahl der Unternehmen ist rückläufig genauso wie die möglichen Arzneimittelkandidaten in später Entwicklungsphase. Bezogen auf die Anzahl der Wirkstoffe in Studien insgesamt ist Deutschland im Kreis der europäischen Wettbewerber 2013 um eine Stufe auf Rang 3 abgerutscht und liegt nun hinter der Schweiz und der unangefochtenen Nummer 1 Großbritannien. Bei der marktnäheren Pipeline, also Entwicklungskandidaten in Phase II und III, besetzen die deutschen Biotech-Firmen nur noch Rang 6. Um zu überleben, gehen die hiesigen Unternehmen stärker in Technologieplattformen hinein, was die Therapeutikaentwicklung verzögert. Steueranreiz für InvestorenDas “Einnisten” im Überlebensmodell statt Wachstumsstrategie und Maximierung der Wertschöpfung führt der EY-Experte auf Marktversagen zurück. Die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft unterstützt deshalb eine Initiative der Branche, die Investoren in die Biotech locken soll. Würde 1 % des privaten Vermögens in die Branche gelenkt, könnten 5 Mrd. Euro mobilisiert werden, rechnet Bialojan. Der Anreiz für solche Investments soll durch eine befristete Befreiung von der Kapitalertragsteuer gesetzt werden, wodurch der Staat dem Modell zufolge auf 30 bis 50 Mill. Euro jährlich an Einnahmen verzichten müsste. Dies würde kompensiert von höheren Einkommens- und Lohnsteuern sowie Gewerbesteuer, so die Erwartung. Als Anlagevehikel wird an Eigenkapitalfonds gedacht, die sich frei am Markt etablieren. Die Limitierung der Anlage auf 1 % des Vermögens der Investoren soll das Risiko eingrenzen. WeckrufClaus Kremoser, CEO und Gründer der Phenex Pharmaceuticals in Ludwigshafen, und sein Mitstreiter Holger Zinke von Brain in Zwingenberg wollen als Initiatoren des “Weckrufs” das Modell nicht als Notgroschen für die Biotech verstanden wissen. Es müsse politisch ein Bewusstsein geschaffen werden, um Investitionen in “zukünftige Industrieschwerpunkte” zu lenken.Es werde politisch viel mehr in Automotive zugeteilt als in Bioökonomie, moniert Kremoser. Es müsse hierzulande eine Struktur aufgebaut werden, die eine Bewertung und Handelbarkeit von Biotech-Investments ermögliche, fordert der Wissenschaftler, der einst bei Lion Bioscience den Börsengang mit begleitete. Die Branche sei gezwungen, Investoren in den USA zu suchen, die wiederum einen Umzug der Firmen in ihr Land verlangten.