WAS BLEIBT VON "MADE IN GERMANY"?

Investoren wollen "Made in Germany"

Reputationsschaden durch VW am M&A-Markt nicht spürbar - Deutsche Konzerne noch in der Defensive

Investoren wollen "Made in Germany"

Von Walther Becker, FrankfurtWenn das neue Jahr so verheißungsvoll beginnt wie das alte anfing, dann könnten im ersten Quartal 2016 große Übernahmen und Fusionen angekündigt werden. Falls sich dann der eine oder andere Deal zerschlägt und der Verlauf sich so entwickelt, wie es 2015 der Fall war, dann wird es – entgegen der globalen Entwicklung – erneut ein ernüchterndes, ereignisarmes M & A-Jahr. “Made in Germany” ist nach wie vor gefragt, wie das Interesse an deutschen Zielen zeigt. Aber auch der M & A-Markt selbst ist “made in Germany”. Denn innerdeutsche Transaktionen dominieren den Markt 2015. “Abgesehen von Real Estate – als Reflexion eines günstigen Zinstrends – ist in Deutschland 2015 vergleichsweise wenig passiert. Es gibt eigentlich keinen Grund, dass es von diesem bescheidenen Level noch weiter nach unten gehen sollte. Im Gegenteil”, sagt Kai Tschöke, Mitglied der Geschäftsführung von Rothschild.Verunsichert der Abgasskandal von Volkswagen die Investoren? “Es gibt kein Gespräch mit Fonds, bei denen der Fall nicht thematisiert wird”, sagt ein Banker, der seinen Namen in diesem Zusammenhang nicht in der Zeitung lesen will. Börsengänge wie Schaeffler oder Edag, aber auch den gar nicht erst gestarteten IPO des Lkw-Zulieferers Jost, hat das Debakel belastet. Aber in Bezug auf den M & A-Markt wird dies verneint von Investmentbankern, die in engem Kontakt mit institutionellem Geld aus London oder New York stehen. Auf Unverständnis stoße dort teilweise, wie hierzulande mit Dieselgate umgegangen werde. Die Absichten der amerikanischen Industriepolitik, einen wesentlichen Rivalen von General Motors in die Knie zu zwingen, werde nicht problematisiert. Stattdessen werde VW von der herrschenden Meinung und der Politik an den Pranger gestellt – statt die verantwortlichen Topmanager zu bestrafen. Bei Volkswagen selbst wird, abgesehen von einigen MAN-Geschäften, nicht mit M & A gerechnet. Finanzierung passtDas Umfeld, die Finanzierungsbedingungen, ist nach wie vor positiv wie selten – auf der Eigenkapitalseite und in der Fremdfinanzierung; die Bewertungen haben angezogen, so dass es sich auszahlt, die eigene Aktie einzusetzen. Und nach wie vor unterstützen Investoren Transaktionen. Dennoch fällt Deutschland aus dem Rahmen: Hier ist das M & A-Geschäft 2015 um fast ein Drittel eingebrochen. Nachdem deutsche Konzerne 2014 mit Merck (Sigma-Aldrich für 16,5 Mrd. Dollar), Bayer (Merck & Co. Consumer Care für 14,2 Mrd. Dollar), ZF Friedrichshafen (TRW für 12,9 Mrd. Dollar) und Siemens (Dresser-Rand für 7,7 Mrd. Dollar) Amerika entdeckt hatten, fehlten solche Megadeals 2015. Es ist das Jahr der Immobilientransaktionen gewesen. Nur sind Übernahmen hier eine Wette auf die Zinslandschaft und nicht geprägt von transformatorischen Impulsen.Völlig untergegangen sind Transaktionen der deutschen Industrie aus Branchen wie Chemie oder Auto. Hier besteht – zumindest nach Einschätzung von Investmentbankern – Nachholbedarf. So erwartet Dirk Albersmeier von J.P. Morgan, dass die deutsche Industrie nach dem Einbruch 2016 verstärkt im Ausland akquiriert. “In Chemie und Pharma müsste mehr passieren, weil drum herum viel läuft. Hinzu kommt einiges auf der Tech-Seite oder bei Autozulieferern. Es sind etliche Themen im Markt, bei denen eine deutsche Teilhabe aktiv oder passiv möglich ist”, sagt Tschöke. Die Tauschgeschäfte, die Sanofi mit Boehringer Ingelheim einfädelte und die auf 22,4 Mrd. Euro kommen, wären demnach ein Vorgeschmack auf Dinge, die im Gefolge der Megadeals bei Healthcare/Pharma, Chemie – mit Dow und DuPont – oder Halbleitern mit Broadcom/Avago und NXP/Freescale – kommen könnten. Im Sommer gab es lediglich Gerüchte, dass sich BASF für die von Monsanto umworbene Syngenta interessiere. Infineon wurde schon mit Fairchild in Verbindung gebracht, für die Chinesen bieten. Zu zögerlichEs gäbe genug Geld für Deals, aber es fehlt an Entschlussfreude; die Nachzieheffekte müssten eigentlich kommen. Doch was für US-Konzerne längst Routine ist, sei für deutsche Manager ein einmaliges Abenteuer. “Die Branchen mit den Megadeals sind bei uns eher unterrepräsentiert”, sagt Christian Kames von der Citi. Und: deutsche Unternehmen stehen weitaus weniger unter Druck aktivistischer Aktionäre.Global liegen 2015 laut Thomson Reuters Gesundheit (14,5 % Anteil), Energie und Versorger (13,1 %), und Hightech (12,9 %) unter den von der Fusionswelle erfassten Branchen vorn. In Deutschland führt Real Estate mit 36 % gefolgt von Industrie und Retail. Maßgeblich trägt das 15,6 Mrd. Dollar schwere Angebot von Vonovia für die Deutsche Wohnen dazu bei. Das Volumen der angekündigten Übernahmen mit deutscher Beteiligung beläuft sich – Sanofi/Boehringer Ingelheim noch nicht eingerechnet – auf 131 Mrd. Dollar. Rein inländische M & A-Ankündigungen haben 42 % Anteil. Das Volumen heimischer Transaktionen steigt 2015 um 93 % auf 34,9 Mrd. Dollar; hereinkommende Deals geben um 13 % auf 47,9 Mrd. Dollar nach, wobei Potash bei K+S mit ihrer Offerte über 10 Mrd. Euro abgeblitzt war.