IPOs gelingen jetzt auch im Januar
Normalerweise herrscht im Januar IPO-Flaute, weil Investoren erst auf die Jahresbilanz der Unternehmen warten wollen. Mit dieser Konvention ist jetzt Schluss. Der Rückstau des Vorjahres wird aufgelöst – mit vielen E-Commerce-Börsengängen. Der Januar 2021 könnte ein IPO-Rekordmonat in Europa werden.cru Frankfurt – Der Januar 2021 wird trotz der Lockdowns der erste Monat eines Jahres mit den meisten Börsengängen in Europa seit 2015 werden – und vielleicht sogar der geschäftigste IPO-Januar aller Zeiten. Schon jetzt sind Börsengänge mit einem Emissionsvolumen von rund 7 Mrd. Euro bereits abgewickelt worden oder zumindest fest angekündigt. In Deutschland zählen dazu das IPO des Online-Gebrauchtwagenhändlers Auto1 Group aus Berlin, der allein 1 Mrd. Euro einsammeln will, und der ebenfalls in Berlin ansässige Online-Brillenhändler Mister Spex.In der Vergangenheit argumentierten Banker, dass Investoren sich im Januar nicht mit IPOs beschäftigen wollen, da sie lieber warten, bis die Bilanzzahlen für das Gesamtjahr vorliegen. Die Vorbereitung eines Börsengangs nahm zudem in der Vergangenheit mehrere Monate in Anspruch, so dass die beratenden Investmentbanken unsicher waren, in welchem Umfeld das IPO dann tatsächlich starten würde – besonders zu Beginn des Jahres. Das hat sich seit April 2020 geändert – IPOs gelingen in der Pandemie mit virtuellen Roadshows binnen zweier Wochen. Schon drängt die Londoner Börse die britische Regierung, den IPO-Prozess durch kürzere Fristen noch weiter zu erleichtern.”In Europa sehen wir eine Rekord-Pipeline auf der IPO-Seite”, sagt J.P.-Morgan-Banker Stefan Weiner. Treiber seien die für Verkäufer attraktiven hohen Bewertungen an den Börsen, die für Unternehmen derzeit besser bezahlen als Finanzinvestoren, sowie die hohen Liquiditätsbestände vieler Investoren.In den ersten beiden Januarwochen sind in Europa schon sechs IPOs gestartet, und ein Listing wurde binnen nur eines Tages an der Euronext Growth Oslo durchgezogen – nach einer vorhergehenden Privatplatzierung des Solarkraftwerksentwicklers MPC Energy Solutions. Die Amsterdamer Tochter des Hamburger Sachwerte-Assetmanagers MPC Capital sammelte 100 Mill. Dollar ein.Investmentbanker kündigen an, dass sie rund ein Dutzend weitere Börsengänge im ersten Quartal in Europa planen. Damit ist das Jahr 2021 auf dem besten Weg, den zweitbesten Jahresstart der letzten zehn Jahre hinzulegen – nach 2015, als 20 Börsengänge bis Ende Februar fast 14 Mrd. Dollar einbrachten. Viele Briten, viel onlineZu den bereits gestarteten Börsengängen gehören der britische Schuhhersteller Dr. Martens und der Online-Grußkartenanbieter Moonpig in London sowie der polnische Online-Lieferdienst Inpost, der polnische Spieleentwickler Huuuge und der deutsche Online-Händler Auto1 Group, die alle in der vergangenen Woche grünes Licht gaben. Ebenfalls an den Start gegangen sind das auf Europa fokussierte, aber in den USA notierte Übernahmevehikel European Sustainable Energy Acquisition und der auf Umwelt, Soziales und Governance (ESG) fokussierte Londoner Investor Foresight Group.Besondere Umstände verleihen den Januar-Börsengängen etwas mehr Rückenwind. Die Unternehmen befinden sich seit einem halben Jahr in einer offensichtlichen Erholungsphase, die keiner Bestätigung durch die Jahresbilanz mehr bedarf. “Europäische Börsengänge erleben 2021 ein Comeback – vor allem durch Unternehmen aus Private-Equity-Besitz”, sagt Fabian De Smet von der Berenberg Bank voraus.Erfolge wie das IPO des britischen Ecommerce-Konzerns The Hut Group und der polnischen Allegro Ende 2020 haben bewiesen, dass die Investoren an Wachstumsunternehmen stark interessiert sind. Das veranlasst andere Unternehmen, über eine baldige Emission nachzudenken, von denen einige schon seit einiger Zeit in den Startlöchern standen. Zudem gibt es nach der Flaute in der ersten Hälfte des Jahres 2020 einen Rückstau, der aufgelöst wird. Deshalb wird für das erste Quartal 2021 ein Ausnahmevolumen erwartet.Die Pipeline für 2021 wird von Unternehmen dominiert, die vom Trend zum Homeoffice im Lockdown und der Beschleunigung der Digitalisierung profitieren. In Deutschland zählen zu den “Corona-Gewinnern” und IPO-Kandidaten auch der Online-Händler My Theresa, der Softwareentwickler Suse und der Labordienstleister Synlab. Als Nächstes könnte auch noch die traditionelle Osterpause bei IPOs wegfallen.