"Irgendwann würden wir dastehen und gucken"
Die Aktie des Internet-Reifenhändlers Delticom ist in den vergangenen Jahren ganz schön unter die Räder gekommen. Im Jahr 2012 erreichte das Papier über 80 Euro, inzwischen notiert es bei unter 20 Euro. Das an der Börse noch mit rund 200 Mill. Euro bewertete Unternehmen aus Hannover sorgt bei Anlegern für Skepsis. CEO Andreas Prüfer spricht im Interview der Börsen-Zeitung über die Strategie.- Herr Prüfer, wie viele Delticom-Aktien halten Sie selbst?Ende 2015 lag mein Anteil bei 25 %, jetzt sind es 34 %. Der Anstieg kommt unter anderem dadurch zustande, dass ich im Februar 2016 Aktien meines Kollegen Rainer Binder gekauft habe. Rainer Binder und ich hielten zuvor zusammen immer mehr als 50 %.- Sind Sie mit der Kursperformance zufrieden?Die Performance entspricht der Lage der Delticom. 2011 gab es noch kaum Online-Wettbewerb. Die Nachfrage war damals aufgrund gesetzlicher Änderungen höher als das Angebot. Damals haben wir zum Beispiel einen Satz Reifen für den Smart zum Preis von 1 000 Euro verkaufen können.- Welche nennenswerten Wettbewerber außer Reifen.com haben Sie mit der Website Reifendirect.de?Reifendirect.de hat pro Land ein bis zwei Wettbewerber.- Nach den ersten neun Monaten steht ein um 11 % auf 393 Mill. Euro gestiegener Umsatz zu Buche. Das operative Ergebnis Ebitda liege “aufgrund vorgezogener Marketingaufwendungen sowie Preiseffekten” unter dem Vorjahresniveau, hieß es Mitte November. Geht es ein bisschen konkreter?Wir haben uns auf die Wintersaison mit Marketingaufwendungen vorbereitet. Das Reifengeschäft hat einen Peak, wenn es das erste Mal auf dem Flachland schneit. Wenn man dann erst anfängt nachzudenken, dann ist es ein bisschen spät. Und wir haben in Vorbereitung auf die Wintersaison die Preise gesenkt.- Wie hat sich der Nettogewinn in den ersten neun Monaten entwickelt?Für die Wintersaison berichten wir das Nettoergebnis erst im März mit den Gesamtjahreszahlen.- Der Kauf der Online-Lebensmittelhändler Gourmondo und ES Food kam bei Aktionären und Analysten schlecht an, Synergien mit dem Reifengeschäft werden angezweifelt. Wie sehen Sie das?Wir haben uns da schon einiges gedacht. Wir sehen Synergieeffekte und Möglichkeiten, Delticom über ihren alten Stand als Reifen-Onlinehändler hinaus zu entwickelt.- Welche Synergien sehen Sie zwischen Lebensmitteln und Reifen?Kundengewinnung, Marketing, und IT. Wir haben bei Reifen 10 Millionen Kunden. Im Lebensmittel-Onlinehandel kommt es darauf an, verschiedene Produkte in ein Paket zusammen zu kommissionieren. Diese Fähigkeit hat Delticom erworben.- Die Konkurrenz bei E-Food dürfte in den nächsten Jahren deutlich zunehmen, zudem gibt es bereits einige große Player in diesem Markt. Wie soll Delticom da mithalten?Gar nicht. Gourmondo bietet Produkte, die man im normalen Lebensmitteleinzelhandel nicht findet. Und wir kennen uns in dem Markt gut aus.- Erst Reifen (1999), dann Autoteile (2004), Bürobedarf (2008), Online-Lebensmittel (2016), und künftig? Wie geht es weiter mit der Diversifizierung des Geschäftsmodells?Jetzt müssen wir erstmal unsere Hausaufgaben machen, deshalb denken wir nicht über weiter Diversifizierung nach.- Wieso haben Sie gerade den Gebrauchtwagenspezialisten Autopink übernommen?Das war eine Gelegenheit, diesen Service auch unseren Montagepartnern anzubieten.- Wäre es nicht sinnvoller gewesen, statt dem Einstieg ins Lebensmittelgeschäft und den anderen Diversifizierungen das Kerngeschäft Online-Reifenhandel zu stärken?Wenn mir jemand garantieren würde, dass der Online-Reifenhandel in fünf Jahren noch so wachstumsreich ist wie heute, dann würden wir weiter ausschließlich auf Reifen setzen. Der Reifenmarkt sinkt aber mit 3 bis 5 % pro Jahr, online wächst er noch, aber irgendwann würden wir dastehen und gucken. Da bereiten wir uns lieber auf mögliche Änderungen vor.- Für 2015 wurde die Dividende auf 50 Cent verdoppelt. Wie sieht es bei der Ausschüttung für 2016 aus?Wir wollen in der Regel den ganzen Gewinn ausschütten. Was für 2016 ausgeschüttet wird, wird im Frühjahr 2017 entschieden.—-Die Fragen stellte Daniel Schauber.