EU-WETTBEWERBSPOLITIK

Irlands Dilemma mit den Apple-Milliarden

Regierung fürchtet Imageschaden - Attraktivität für Direktinvestitionen könnte leiden

Irlands Dilemma mit den Apple-Milliarden

gho London – Irlands Regierung hadert mit dem potenziellen Geldsegen. Am Mittwoch konnte sich das Kabinett nicht dazu durchringen, die Entscheidung der EU-Kommission im Fall um den US-Technologiekonzern Apple vor europäischen Gerichten anzufechten. Die Brüsseler Behörde wirft Dublin vor, Apple unrechtmäßige Steuervergünstigungen von bis zu 13 Mrd. Euro gewährt zu haben und verdonnerte Irland dazu, von dem Konzern die Rückzahlung der nichtbezahlten Steuern zu verlangen. In der Mitte-rechts-Koalitionsregierung stellten sich unabhängige Mitglieder vorläufig gegen einen Widerspruch quer. Am Freitag trifft sich das Kabinett abermals.Der irische Finanzminister Michael Noonan hatte das Vorgehen der EU-Kommission scharf kritisiert und auf ein juristisches Vorgehen gedrängt. Dublin muss aber auch bei einer Berufung die Nachzahlung fordern und plant, das Geld in ein Treuhandkonto zu legen. Noonan wiederholte das jahrzehntelange Mantra der Regierung, die Grüne Insel sei kein Steuerparadies. Der Entscheid der EU-Kommission ist ein Tiefschlag für den Ruf Irlands und könnte die Attraktivität des Landes für ausländische Direktinvestitionen aushöhlen.Die Unternehmensbesteuerung ist einer der wichtigsten Bestandteile der Wirtschaftspolitik des Landes. Der Körperschaftssteuersatz von 12,5 % ist der niedrigste unter den Industrieländern. Irland hatte bereits in den 1950er Jahren mit Niedrigsteuern von sich reden gemacht. Mit dem Steuerregime konnte eine Vielzahl vor allem ausländischer Technologie- und Pharmakonzerne angezogen werden. Daneben besticht Irland mit der Englischsprachigkeit, einem mit den USA vergleichbaren Rechtssystem und einer gut ausgebildeten Bevölkerung. Laut der amerikanischen Handelskammer in Irland sind über 700 US-Unternehmen auf der Insel vertreten, die 140 000 Personen beschäftigen.Die Bedeutung der multinationalen Unternehmen für den Inselstaat zeigt auch die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts von fabelhaften 26,3 % im vergangenen Jahr auf. Im Jahr 2015 fielen einige sogenannte Steuerinversionen an. Vor allem US-Unternehmen verlegen dabei ihr Steuerdomizil und Vermögenswerte nach Irland, um vom niedrigen Körperschaftssteuersatz zu profitieren. Aus demselben Grund werden auch Einnahmen aus Patenten über Irland verrechnet. Die Grüne Insel ist zudem ein wichtiger Standort für das Leasing von Flugzeugen.Der niedrige Steuersatz ist zwar ein Dorn im Auge vieler anderer EU-Staaten. Dieser stand aber nicht im Fokus der Untersuchungen der EU-Kommission. Irland hat sich auch den Ruf erworben, ein flexibles und entgegenkommendes Steuerregime zu haben. In diesem Rahmen kam es zur berühmt-berüchtigten Steuerpraxis des “doppelten Iren”, die prinzipiell dem Fall Apple zugrunde liegt. Dabei konnten Unternehmen legal Gewinne von Irland aus in andere Länder mit niedrigen Steuersätzen transferieren. Die EU-Kommission wirft Irland zudem vor, mit Steuervorbescheiden Apple bei diesem Steuermodell Vorteile gegenüber anderen Unternehmen gewährt zu haben. Irland hat bereits auf Kritik reagiert und die Möglichkeit zum “doppelten Iren” ab 2015 geschlossen. Bis 2020 soll diese Steuerpraxis auslaufen. Mit der scharfen Reaktion auf den Kommissionsentscheid will Finanzminister Noonan auch andere Unternehmen beruhigen, die Rückforderungen aufgrund historischer Abmachungen fürchten.Irland ist bemüht, seine Steuerpolitik vor allem auf den niedrigen Steuersatz auszurichten sowie den OECD-Standards zur Besteuerung grenzüberschreitend tätiger Unternehmen (Beps-Empfehlungen) zu entsprechen. Dublin führt eine neue, Beps-gerechte Patentbox ein, die Steuervergünstigungen für Forschungsaktivitäten gewährt. Dublin hat zudem weitere Steuersparmöglichkeiten im Köcher. Die umstrittene Zahlung von 13 Mrd. Dollar könnte aber die derzeit weitgehend nicht infrage gestellte Steuerpolitik gefährden. Die schiere Höhe der Summe, die rund einem Viertel der jährlichen Staatseinnahmen Irlands entspricht, weckt Begehrlichkeiten.