RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: RUDOLF-MATTHIAS HÜBNER

IT-Dienstleister in der Digitalisierung mit ins Boot holen

"Joint Venture ist ideales Konstrukt für komplexe Projekte"

IT-Dienstleister in der Digitalisierung mit ins Boot holen

– Herr Hübner, die Digitalisierung treibt alle Unternehmen um – auch in Produktion und Logistik. Die Zusammenarbeit zwischen Herstellern und IT-Dienstleistern in der Industrie 4.0 ist bislang häufig durch Werk- oder Dienstverträge geregelt. Warum halten Sie das nicht für den besten Weg?Produzenten fehlt oft das entscheidende Wissen über die neuesten technologischen Entwicklungen. So werden oft schon am Anfang die Aufträge fehlerhaft vergeben. Mit jedem Auftrag verstärkt sich dann die Abhängigkeit von den externen Dienstleistern. Der Produzent gerät in Gefahr, die Projektsteuerung mit eigenem Personal nicht mehr beherrschen zu können.- Welche Empfehlung geben Sie für solche Fälle der Zusammenarbeit?Es gibt eine rechtliche Konstruktion, welche sich in besonderem Maße für derart komplexe Projekte eignet: das Joint Venture. Damit können Unternehmen eigene Aktivitäten mit den Aktivitäten anderer in einer Gesellschaft verbinden, um in einem bestimmten Markt Erfolg haben zu können. Eine Joint-Venture-Gesellschaft kann in jeder Rechtsform und in jedem zivilisierten Land gegründet werden. Sie kann als Projektgesellschaft auf Zeit, aber auch auf dauerhafte Zusammenarbeit ausgelegt sein.- Wer sind dann die Gesellschafter im Joint Venture?Dort können Produzenten, IT-Entwickler, IT-Service-Provider, Logistikunternehmen und sonstige Dienstleister zusammenarbeiten und ihren Kunden ein individuell zugeschnittenes “Endprodukt” anbieten. Der Kunde kann, wenn gewünscht, in allen Phasen eines Projektes mit Hilfe der Freischaltung von Datenräumen live dabei sein und zusehen, wie sein “Produkt” entsteht.- So oft sind Joint Ventures zur Realisierung von Projekten der Industrie 4.0 aber in der Praxis noch nicht zu finden?Unternehmen fürchten häufig einen unverhältnismäßigen Aufwand. Dabei lassen sich Joint Ventures einfacher organisieren als gedacht. Eine Joint-Venture-Gesellschaft kann eine reine Verwaltungsholding sein, die Leistungsangebote ihrer Mitgliedsfirmen bündelt, akquiriert und Projekte steuert. Sie wird selbst keine Aufträge ausführen, aber ihren Mitgliedsfirmen die entsprechenden Aufträge verschaffen. Die Mitgliedsfirmen erzielen eine auskömmliche Gewinnmarge aus den Aufträgen der Holding. Der Holding verbleibt idealerweise nur ein vergleichsweise bescheidener Restgewinn, den sie für Akquisitions-, Koordinations- und Strukturierungsleistungen erhält. Die Kosten der Holding werden unter den Joint-Venture-Gesellschaftern aufgeteilt.- Gibt es gar keinen Haken?Problematisch können Gesellschafterstreitigkeiten sein. Streit gibt es am ehesten über die Vergütung von Aufträgen. Die Eckdaten sollten daher so frühzeitig wie möglich geklärt werden, am besten noch vor Eingehung des Joint Venture. Jedes Mitglied sollte angemessen vergütet werden und in der Gesellschaft ausreichend repräsentiert sein. Haftungsrisiken sollten durch entsprechende Versicherungen des Joint Venture gedeckt sein. Solange die Gesellschafter durch ihre Mitgliedschaft im Joint Venture einen höheren Gewinn erzielen als ohne eine solche Mitgliedschaft, wird das Streitpotenzial aber gering bleiben.- Es geht um temporäre Allianzen. Wie trennt man sich wieder?Auch Joint Ventures sind endliche Gebilde. Gesellschafter sollten daher immer die Möglichkeit zum Austritt oder zur Kündigung einkalkulieren. Das Kündigungsrecht kann nach deutschem Gesellschaftsrecht nicht auf Dauer ausgeschlossen werden, aber modifiziert. Durch eine Kündigung sollte das Joint Venture weder gesprengt noch in die Insolvenz geführt werden. Man könnte zum Beispiel Optionen zur Übernahme von Geschäftsanteilen durch andere Gesellschafter vorsehen. Möglich sind auch Verfahren zur gegenseitigen Andienung von Geschäftsanteilen. Am Ende sollte derjenige Mitgesellschafter die Anteile des ausscheidenden Gesellschafters übernehmen, der den besten Preis dafür zahlt. Eine Liquidation der Gesellschaft oder die Abfindung aus Gesellschaftsmitteln sollte weitgehend ausgeschlossen werden.—-Rudolf-Matthias Hübner ist Partner im Kölner Büro von Osborne Clarke. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.