IT-Sektor vor Comeback statt Flaute

Gartner: Wachstum legt 2019 nur Pause ein - Steigende Ausgaben bei Enterprise Software und der Cloud

IT-Sektor vor Comeback statt Flaute

Das Marktforschungsinstitut Gartner fürchtet 2019 zwar eine Stagnation der Ausgaben in der IT-Branche. Schon 2020 sollen aber wieder knapp 4 % Wachstum folgen. Statt einer Flaute wie dem Automarkt wird der Informationstechnologie ein Comeback prognostiziert. An der Börse hat die Stimmung schon gedreht.Von Sebastian Schmid, FrankfurtWährend sich andere Branchen – allen voran die Autoindustrie – längst für ein raueres Konjunkturklima wappnen, blicken viele Unternehmen aus dem Technologiesektor unverändert optimistisch in die nahe bis mittelfristige Zukunft. Europas größter Softwarekonzern SAP hat beispielsweise den Ausblick für die nächsten Jahre auch nach dem Führungswechsel auf dem Kapitalmarkttag vergangene Woche bestätigt und sich hohe Wachstumsraten für den Umsatz und noch höhere für den Gewinn vorgenommen. Rivale Salesforce hat gestern nachgelegt und sein Erlösziel für 2019 nach oben geschraubt und zugleich einen optimistischeren Ausblick für 2020 vorgelegt (siehe nebenstehenden Bericht). Enterprise Software boomtDas Marktforschungsunternehmen Gartner rechnet damit, dass die beiden Wettbewerber sich auch in den kommenden Jahren um einen wachsenden Kuchen streiten werden. Im Geschäft mit Enterprise Software sollen die Ausgaben weltweit 2020 um 10,9 % auf 507 Mrd. Dollar anziehen (siehe Grafik). Im Jahr darauf wird ein weiterer Anstieg um knapp 11 % auf 560 Mrd. Dollar antizipiert. Damit ist es das Geschäft, das in den nächsten Jahren im globalen IT-Markt am stärksten wachsen soll.Auch der Software-König Microsoft hat unter CEO Satya Nadella den Schlafwagen verlassen und ist im Cloud-Geschäft neben Amazon Web Services mittlerweile zum zweiten großen Player auf globaler Ebene aufgestiegen – wenn auch noch mit deutlichem Rückstand. Die Alphabet-Tochter Google dominiert vor Facebook nicht nur das Online-Werbegeschäft, sondern gilt mit der Tochter Waymo auch als fortschrittlichster Konzern, wenn es um die Entwicklung autonom fahrender Kraftfahrzeuge geht. Zudem wächst auch Google im Geschäft mit Cloud-Infrastruktur rasant und lag hier mit 4 (i. V. 3,3) % Marktanteil 2018 hinter Amazon (48 %), Microsoft (16 %) und Alibaba (8 %) auf Rang 4. IBM kommt als Nummer 5 nicht einmal auf 2 % und verlor zuletzt weiter an Boden. Fast so schwer wie der DaxApple hat derweil mit der Apple Watch nach Smartphones und Tablet-Rechnern scheinbar den dritten Markt binnen etwas mehr als einer Dekade aus dem Boden gestampft. Jedenfalls steigen die bereits milliardenschweren Erlöse der Sparte, zu der die angeblich Herzrhythmusstörungen erkennende Uhr gehört, von Quartal zu Quartal immer rasanter. Die erfolgreiche Entwicklung spiegelt sich auch im Aktienkurs wider. Apple kommt aktuell auf eine rekordhohe Marktkapitalisierung von 1,2 Bill. Dollar oder umgerechnet knapp 1,1 Bill. Euro. Damit ist Apple allein nur noch unwesentlich weniger schwer als alle Unternehmen im deutschen Leitindex Dax zusammengenommen. Diese kommen aktuell auf 1,21 Bill. Euro. Rechnet man den deutschen Technologie-König SAP heraus, ist der iPhone-Entwickler sogar schwerer als die versammelte Crème de la Crème der hiesigen Konzernwelt.Es sind aber längst nicht mehr nur Software-, Cloud- und sonstige IT-Dienstleister, die im Tech-Sektor reüssieren. Mittlerweile zählen auch viele Halbleiterhersteller und ihre Zulieferer wieder zu den Gewinnern. Der Kurs von Applied Materials, die Maschinen zur Chipproduktion herstellt, hat sich seit dem Jahresbeginn in etwa verdoppelt. Die Bewertung von Wettbewerber ASML ist um mehr als drei Viertel angezogen. Intelligente Fertigung, Internet der Dinge, autonomes Fahren – das alles braucht zwar Software, aber eben auch die entsprechende Hardware. Den Halbleiterherstellern stehen bei entsprechender Ausrichtung lukrative Jahre ins Haus. Infineon, die in der ersten Jahreshälfte wegen der nachlassenden Autokonjunktur noch kräftig Federn lassen musste, notiert mittlerweile wieder klar über dem Kurs zum Jahreswechsel, ebenso wie Rivale Nvidia.Ursächlich für den wiederentdeckten Optimismus in der Branche trotz des rauen Konjunkturklimas ist die Einschätzung vieler Analysten, dass die digitale Transformation den Umsatz der Technologieunternehmen selbst in konjunkturell schwierigem Umfeld mit Handelsstreits und mauem Wachstum wieder kräftiger steigen lassen wird. Der winzige Ausgabenanstieg von nur 0,4 % im laufenden Jahr soll eine Ausnahme bleiben, erwartet Gartner (siehe Grafik). “Die meisten Firmen drehen entweder an der Kostenschraube oder investieren in Wachstum. Aber die erfolgreichsten Unternehmen machen derzeit beides”, erklärte Gartner-Analyst John-David Lovelock Ende Oktober zum halbjährlichen IT-Ausblick. Das dies nicht immer aufgeht, zeigt IBM inzwischen in Serie. Trotz der 34 Mrd. Dollar teuren Übernahme von Red Hat ist der Umsatz von Big Blue unlängst das fünfte Quartal in Serie geschrumpft. Der Aufschwung im Tech-Sektor – an manchem Traditionskonzern geht er immer noch vorbei.