Italienische Velos radeln auf Erfolgskurs
Italienische Velos radeln auf Erfolgskurs
Fahrräder sind nicht nur bei Käufern gefragt – Auch Finanzinvestoren interessieren sich zunehmend für die Branche
Italiens Fahrradbranche ist weltweit auf Erfolgskurs. Umsatz und Ertrag der oft legendären Marken wachsen. Die Impulse kommen vor allem von den Elektro-Bikes. Starke Marken und die guten Perspektiven der Branche haben auch Finanzinvestoren angelockt. In den letzten Jahren hat es eine ganze Reihe von Transaktionen gegeben.
Von Gerhard Bläske, Mailand
Für passionierte Rennradfahrer sind Velos aus Italien das Nonplusultra. Namen wie Bianchi, Pinarello oder Colnago lassen das Herz jedes Rennradfahrers höher schlagen: Inklusive Komponenten kann so ein Zweirad bis zu 20.000 Euro kosten. Auch Komponentenhersteller wie Campagnolo oder Selle Royal, der weltweit führende Hersteller von Sätteln und Fahrradzubehör, genießen weltweit einen hervorragenden Ruf.
Der globale Fahrradboom kommt den italienischen Fahrrad- und Komponentenherstellern besonders zugute. Nach einer Studie der Banca Ifis hat die Branche ihren Umsatz im vergangenen Jahr um rund 10% auf knapp 2 Mrd. Euro gesteigert. Damit ist Italien der führende Produzent in Europa. Die Bruttobetriebsmarge der italienischen Radbranche ist auf 11% gestiegen, die Rendite auf das eingesetzte Kapital auf 13%. Die Exportquote der überwiegend in den norditalienischen Regionen Lombardei, Venetien und Trentino/Südtirol beheimateten Branche liegt bei 21%. Viele Unternehmen sind größere Handwerksbetriebe.
Gesundheitstrend und Radtourismus
Für 2023 rechnet Banca Ifis mit 6% Umsatzwachstum. Sie geht in ihrer Studie davon aus, dass sich die Rückholung von früher ins Ausland transferierten Produktionen fortsetzt. Das hat auch damit zu tun, dass die Branche in der Corona-Pandemie und aufgrund diverser Konflikte wie des Ukraine-Kriegs Probleme hatte, Komponenten etwa aus Asien zu bekommen, und die Transportkosten gestiegen sind. So hat Bianchi 40 Mill. Euro eine neue Produktionsstätte investiert.
Die Impulse für die Branche kommen abgesehen vom zunehmenden Gesundheitstrend auch vom Radtourismus. Im Heimatmarkt Italien selbst profitierte der Sektor 2021 und 2022 von staatlichen Boni für den Kauf von Fahrrädern. International aber sind es vor allem die Elektro-Bikes, die den Unternehmen enorme Zuwächse bescheren. Deren Verkäufe sind im Zeitraum 2019 bis 2022 um durchschnittlich 21% pro Jahr gewachsen, während der Absatz traditioneller Räder geschrumpft ist. E-Bikes repräsentieren 14% der Gesamtproduktion der italienischen Branche. Auch Traditionsunternehmen wie Bianchi und De Rosa bieten längst Pedelecs an. Ein neuerer Trend, den es so nicht in allen Ländern gibt, sind die Cargo-Bikes, die vor allem in Deutschland sehr gefragt sind.
Der Erfolg der italienischen Radindustrie hat längst auch das Interesse internationaler Investoren geweckt. Die börsennotierte niederländische Accell Group, zu der der deutsche Fahrradhersteller Winora-Staiger gehört, hat aus Italien Atara und den Rennrad-, Mountainbike- und Elektroradhersteller Carraro aus Padua im Portfolio. Die Private-Equity-Gesellschaft L Catterton hat Ende Juni ihre knapp 80-prozentige Beteiligung an dem renommierten Produzenten Pinarello an ein nicht genanntes Family Office verkauft. Gerüchten zufolge soll der Verkaufspreis bei knapp unter 300 Mill. Euro gelegen haben. Chairman Fausto Pinarello, eine Symbolfigur der Branche, behält seinen Posten und eine Beteiligung an dem Unternehmen, das im vergangenen Jahr 84 Mill. Euro umgesetzt hat und Räder zu Preisen zwischen 2.000 und 20.000 Euro anbietet. Chimera Investments aus Abu Dhabi hat bereits 2020 den ebenfalls sehr prestigeträchtigen Produzenten Colnago erworben. Mit dieser Marke gewann Tadej Pogacar 2020 und 2021 die Tour de France. Ende 2022 übernahm der Finanzinvestor Telemos Capital die Mehrheit an Vittoria, einem führenden Hersteller von Reifen. Auch der vorherige Mehrheitsaktionär Wise Equity und das Management halten Anteile an dem Unternehmen, das auf einen Umsatz von 107 Mill. Euro kommt. Gründe für die Bewegung in der Branche sind die notwendigen Investitionen in Innovationen, in die Diversifizierung des Angebots und in ein weltweites Verkaufsnetz. Dazu braucht es finanzkräftige Anteilseigner.
Börsengang abgeblasen
Sattel- und Zubehörproduzent Selle Royal aus Pozzoleone bei Vicenza hat den Anfang 2022 angekündigten Börsengang wegen der damals unsicheren geopolitischen Situation erstmal abgeblasen. Das zu den weltweiten Marktführern gehörende Unternehmen zählt auch die Sattelmarken Fizik und Brooks (Ledersättel) zum Portfolio und verkauft seine Produkte in mehr als 90 Ländern. Selle Royal kam im Geschäftsjahr 2021/22 (30.6.) auf 224 Mill. Euro Umsatz, 14,9% Betriebsmarge und 24,5 Mill. Euro Nettogewinn. 2021 erwarb Wise Equity einen Anteil von 33%. Die restlichen Anteile liegen bei Dec. 28 1928 Holding Spa.