65. IAA NUTZFAHRZEUGE - 25. SEPTEMBER - 2. OKTOBER 2014 - HANNOVER - SERIE: NUTZFAHRZEUGE AUF GLOBALEM KURS (3)

Italienischer Lkw-Markt verlässt die Talsohle

Absatzerholung bei Nutzfahrzeugen übertrifft die bei Personenwagen - Für 2015 wieder eingetrübte Aussichten

Italienischer Lkw-Markt verlässt die Talsohle

Vom Einbruch der Fahrzeugmärkte nach der Lehman-Pleite war der zu Fiat gehörende Lkw-Hersteller Iveco besonders stark betroffen. Auch Fiat mit ihren leichten Nutzfahrzeugen muss sich aus dem Tief wieder herausarbeiten. Der italienische Nfz-Markt wird gleichwohl noch immer fast zur Hälfte von heimischen Produzenten bestimmt. Jetzt gibt es eine leichte Erholung, aber schon 2015 soll sich die Lage eintrüben.Von Thesy Kness-Bastaroli,MailandDie seit drei Jahren anhaltende Talfahrt am italienischen Markt für leichte, mittlere und schwere Nutz- und Industriefahrzeuge ist beendet. Im ersten Halbjahr 2014 haben sich die Neuzulassungen von leichten Nutzfahrzeugen mit einem Gewicht bis zu 3,5 t um 15 % auf 59 000 Fahrzeuge erhöht. Hoher ErsatzbedarfDer Präsident des Kfz-Importeurverbandes Unrae, Massimo Nordio, deutet den Zuwachs als vorsichtiges Signal einer Erholung. “Nachdem die Zulassungen 2013 ein Zehnjahrestief erreichten, hat sich ab Ende 2013 eine Nachfragebelebung gezeigt.” Gezielte Maßnahmen von einigen Stadtverwaltungen, wie etwa jener der Stadt Rom, den Kauf von umweltfreundlichen Transportern zu fördern, verleihen dem Markt neue Impulse. Der Ersatzbedarf bleibt weiterhin hoch.Auch der Transportverband Confetra bestätigt eine Zunahme des Warenverkehrs 2014. Laut einer Verbandsumfrage erwarten 44 % der Befragten eine Zunahme, 41 % rechnen mit einer Stagnation des Gütertransportes und nur 15 % rechnen mit einem Rückgang. Im Jahr 2013 wurden 101 344 leichte Nutzfahrzeuge zugelassen. Damit haben sich die Neuzulassungen innerhalb der letzten sechs Jahre mehr als halbiert. 2008 beliefen sich die am italienischen Markt erfolgten Neuzulassungen für leichte Nfz noch auf 234 483 Fahrzeuge.Von dem Rückgang wurden die Marken unterschiedlich betroffen. Die Franzosen, von Citroën über Peugeot bis Renault, konnten ihre Marktanteile bei den Transportern erhöhen, während die deutschen Hersteller wie Mercedes und Opel leichte Rückgänge, Volkswagen jedoch ein Plus verzeichneten. Am schwersten waren jedoch japanische Unternehmen, wie Toyota und Mitsubishi, von der Nachfragekrise betroffen.Die italienischen Nutzfahrzeugbauer – Fiat, Iveco, Piaggio – kontrollierten Ende 2013 rund 47 % der Neuzulassungen, im Jahr 2008 lag der Anteil der heimischen Hersteller mit 51,3 % noch über der Hälfte. Unter den zehn wichtigsten Marken bei den leichten Nutzfahrzeugen rangierten 2013 nur drei Ausländer: Ford Transit, Citroën Berlingo und Mercedes Sprinter. Fiat Professional konnte seinen Marktanteil von 9,4 % in Europa (2013) in den ersten Monaten 2014 dank einer hervorragenden Performance in Spanien und Großbritannien leicht verbessern.Bei mittelschweren Industriefahrzeugen (bis zu 16 t) belief sich das Zulassungsplus im ersten Halbjahr 2014 auf 74,5 % (6 614 Fahrzeuge) und bei den schweren Brummern auf 15,4 % (5 467 Neuzulassungen). Am Markt für Industriefahrzeuge hat sich die Belebung bereits in den Herbstmonaten 2013 angekündigt. Ohne Anreize kein WachstumFachexperten wie etwa Gian Primo Quagliano, Präsident des Marktforschungsinstituts Centro Studi Promotor in Bologna, erwarten für 2015 keine Fortsetzung der Nachfragebelebung am Inlandsmarkt für leichte und schwere Nutzfahrzeuge. “Italien befindet sich in einer Stagnationsphase, ohne Investitionsanreize scheint mir eine weitere Zunahme der Neuzulassungen unwahrscheinlich. Immerhin hat sich der Nfz-Markt früher und besser erholt als der Pkw-Markt.”Bei leichten Nutzfahrzeugen, eine Spezialität der italienischen und französischen Hersteller, bilden sich derzeit neue Allianzen. Fiat und Renault haben eine neue Partnerschaft zur Herstellung eines gemeinsamen leichten Nutzfahrzeuges geschlossen. Bei dem neuen Transporter “Fiat by Renault” handelt es sich um den Nachfolger des gemeinsam von Fiat und PSA Peugeot Citroën im Werk Sevel Nord in Valenciennes gefertigten Kleinlieferwagens Scudo. Bereits im Frühjahr 2013 hatten sich Fiat und PSA geeinigt, das Joint Venture Sevel Nord aufzulösen: Die Produktion soll ab der zweiten Jahreshälfte 2016 eingestellt werden. PSA hat bereits eine Vereinbarung mit Opel zur Herstellung eines City Cargo getroffen. Aber auch die Fiat-Allianz mit PSA für die Fertigung des Fiat Fiorino, Citroën Nemo und Peugeot Bipper geht ihrem Ende entgegen. Exportschlager DucatoWährend das Joint Venture Fiat-PSA in Frankreich geschlossen wird, soll Sevel Sud vorerst weiterbestehen bleiben. Im Werk von Atessa in der Region Abruzzen laufen die Fiat-Ducato-Modelle vom Band. Der Ducato hat sich zum Exportstar von Fiat entwickelt und wird in nahezu 100 Länder exportiert. Der neue Lieferwagen “Fiat by Renault” soll ab dem zweiten Quartal 2016 in Frankreich vom Band laufen. Vorgesehen ist, dass das Fahrzeug auf einer Plattform hergestellt wird, die bislang für den Renault Trafic benutzt wurde. Der neue Lieferwagen auf Renault-Trafic-Basis soll in Turin projektiert und das Design dort entworfen werden.Bei der künftigen Zusammenarbeit Fiat-Renault handelt es sich keineswegs um die erste Allianz zwischen den beiden Autobauern. Fiat-Chef Sergio Marchionne hat bereits im vergangenen Jahr mit Renault und der russischen Mosavto Zil (zu 100 % von Zil kontrolliert) eine Vereinbarung für das Assembling der Ducato- und Master-Modelle in Russland geschlossen. Iveco runderneuertItaliens führender Hersteller von schweren Nutzfahrzeugen, Iveco, gelang es in den letzten sechs Jahren, den Anteil am Heimatmarkt von 38 auf 43 % zu erhöhen. Laut einem Konzernsprecher war dieser Erfolg auch auf die massive Modellerneuerung zurückzuführen. Der inzwischen zu Case New Holland Industrial (CNH Industrial) zählende Iveco-Konzern hat im ersten Halbjahr 2014 den Umsatz mit 5 Mrd. Dollar auf dem Niveau im Vorjahresvergleich stabilisiert.Allerdings hat sich der operative Verlust im Jahresvergleich von 39 auf 91 Mill. Euro erhöht. Vor allem im zweiten Quartal des Jahres wurden die wachsenden Absatzzahlen von schweren Industriefahrzeugen in Europa durch ein Minus auf dem südamerikanischen Markt und einen Einbruch im Autobusgeschäft (wegen der Einführung der Euro-VI-Normen) mehr als wettgemacht.Insgesamt lieferte Iveco von April bis Juni 33 057 Fahrzeuge, 3,5 % weniger als im Vorjahresvergleich. Während bei leichten Nfz ein Plus von 3,4 % gemeldet wurde, fielen die Lieferungen im mittelschweren Bereich um 25 % und bei den schweren Brummern um 3,3 % zurück. Drei Viertel des Iveco-Absatzes entfielen auf den EMEA-Raum (Europa, Naher Osten, Afrika), wo das Absatzplus bei 10 % lag. 16 % wurden in Südamerika im sogenannten LATAM-Raum abgesetzt. Dort wurde ein Rückgang von 44 % verzeichnet. Auf den Asien-und-Pazifik-Raum (APAC) entfielen 9 % des um 2 % gestiegenen Absatzes. In Südamerika musste Iveco nicht nur den Absatzeinbruch in Argentinien (zweites Quartal: – 57 %) und Brasilien (-34 %) verkraften. Auch wurde das Iveco-Werk in Venezuela im Frühsommer geschlossen.Iveco fokussiert sich in den nächsten fünf Jahren vor allem darauf, den Absatz in Europa zu festigen “und wieder auf das Niveau der Vorkrisenzeit zu bringen”. Nach Unternehmensaussagen haben die Turiner derzeit einen Marktanteil von 9,3 % in Europa. Problem sei, dass sich ein Großteil des Absatzes auf die beiden Krisenländer Spanien und Italien konzentriert. Durch den zur Jahresmitte präsentierten Lkw New Daily – der auch auf der IAA in Hannover gezeigt wird – hofft der Konzern auf eine Belebung. Bislang machen die Bestellungen für den neuen Lkw bereits 14 000 Fahrzeuge aus.Bis 2018 wird in Europa mit einer jährlichen Absatzzunahme von 4,2 % gerechnet. Problematisch habe sich der Absatz in Südamerika entwickelt. Dort hat Iveco vor allem wegen des Einbruchs in Brasilien und in Venezuela im ersten Halbjahr empfindliche Einbußen erlitten und will sich in Zukunft mehr auf neue Wachstumsmärkte wie Kolumbien, Chile und Peru konzentrieren. Der Marktanteil in Südamerika wird mit 14 % angegeben. In Asien ist Iveco primär in China präsent. “Dort haben wir als Traditionsmarke die neue Konkurrenz aus den asiatischen Ländern kaum zu fürchten”, heißt es beim Unternehmen. Ein Einstieg auf dem US-Markt sei derzeit nicht geplant.—-Bisher erschienen:- Isuzu und Hino, 10.9.- Daimler, 9.9.