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Italiens Energiesektor im Umbruch

Von Thesy Kness-Bastaroli, Mailand Börsen-Zeitung, 17.2.2016 Italiens Energiesektor befindet sich im Wandel. Konsolidierung und Konzentration auf das Kerngeschäft bestimmen die Entwicklung. Der gesunkene Erdölpreis hat dazu geführt, dass der...

Italiens Energiesektor im Umbruch

Von Thesy Kness-Bastaroli, MailandItaliens Energiesektor befindet sich im Wandel. Konsolidierung und Konzentration auf das Kerngeschäft bestimmen die Entwicklung. Der gesunkene Erdölpreis hat dazu geführt, dass der einstige Verlustträger “numero uno” der italienischen Außenhandelsbilanz, die chronisch tiefrote Energiebilanz, ihren Negativsaldo wesentlich verringert hat. Der Anteil der Importe am Energieverbrauch hat sich halbiert. Erneuerbare Energien decken bereits 17 % des gesamten Verbrauchs. Konsolidierung im GangeBei den rund 8 000 lokalen Verbraucherfirmen ist ein Konsolidierungsprozess im Gange. Denn die öffentliche Verwaltungsreform sieht eine drastische Reduzierung der Anzahl von lokalen Versorgern vor. Große Versorgergruppen wie A2A (Mailand-Brescia), Hera (Bologna-Triest), Acea (Rom) oder Iren (Turin-Genua) haben in ihren Geschäftsplänen weitere Akquisitionen vorgesehen. Sie warten auf Anreize, die Rom wiederholt angekündigt, bislang aber noch nicht erlassen hat. Insofern steht die Regierung von Matteo Renzi nicht nur wegen der drastisch gekürzten Subventionen für erneuerbare Energien sondern auch wegen der bislang nicht eingehaltenen Incentive-Versprechungen im Kreuzfeuer der Kritik.Die Mailänder A2A, Italiens wichtigster Multi-Utility-Konzern mit zwei Millionen Kunden, hat zu Jahresbeginn fünf kleine lombardische Versorgerbetriebe übernommen. Präsident Giovanni Valotti bestätigte, bis 2019 rund 2 Mrd. Euro zu investieren. Der Fokus soll sich auf Effizienzsteigerung, Umwelt-Dienstleistungen, die Green Economy und die Internationalisierung konzentrieren. “Wir starten unsere Internationalisierungspläne mit Beratungsdiensten in jenen Ländern, die mangelnde Infrastrukturen aufweisen. Im Visier stehen zehn Länder, darunter Montenegro und Slowenien”, erklärte Valotti. Das Modell A2A, die Entwicklung vom lokalen zum internationalen Multi-Utility-Unternehmen, macht hier Schule.An der Mailänder Börse hat der Energie-Index in diesem Jahr noch am besten von allen Branchenindizes abgeschlossen. Im Monat Januar verlor er 5 %, der allgemeine FTSE Index ging um 19 % zurück. Branchenunternehmen wie etwa der größte Stromversorger des Landes, Enel, haben Rückkaufprogramme für Anleihen, der Mailänder Versorger A2A hat ein Rückkaufprogramm für Aktien angekündigt.Italien verfügt kaum über eigene Energieträger. Nachdem sich das Land 1987 mittels einer Volksabstimmung gegen den Einsatz von nuklearer Energie entschieden hatte und auch die folgenden Versuche gescheitert waren, Atomenergie wieder salonfähig zu machen, ist Italien auf erneuerbare Energien umgestiegen. Durch den raschen Ausbau der staatlich geförderten erneuerbaren Energien in den vergangenen Jahren hat Rom den Start für eine nachhaltige Energiepolitik gesetzt. Erneuerbare Energien decken inzwischen knapp 50 % der eigenen Produktion.Im Jahr 2014 hatten sie einen Anteil von 17,1 % des Inlandbedarfs. Damit hat Rom das von der EU empfohlene Ziel, bis 2020 den gesamten Energiebedarf bis zu 17 % mit erneuerbaren Energien zu decken, bereits erreicht. Im nationalen Klima-Energie-Plan ist ein Anteil von 20 % bis 2020 vorgesehen. Experten zweifeln, dass dieses Ziel erreicht werden kann. Denn erstmals seit Jahren soll 2015 die Produktion von erneuerbaren Energien zurückgegangen sein. Dies ist vorrangig auf die Klimaänderung und auf den dadurch bedingten Rückgang von Energie aus Wasserkraftwerken zurückzuführen. Enel wird ÜbernahmezielItaliens große Energiekonzerne konzentrieren ihre Tätigkeiten mehr und mehr auf ihr Kerngeschäft. Durch die bevorstehende Fusion von Enel mit Enel Green Power (EGP) wird der Staat seine Beteiligung bei Italiens größtem Versorger auf 23,5 % senken. Damit wird Enel zum Übernahmeobjekt, da die staatliche Beteiligung die für öffentliche Übernahmen festgesetzte Grenze von 25 % unterschreitet. Da aber ein öffentliches Übernahmeangebot für Enel mehr als 40 Mrd. Euro schwer wäre, sieht Enel-Chef Francesco Starace kaum Gefahr für eine Übernahme. In Europa gebe es kaum Energiekonzerne, die eine entsprechende Summe stemmen könnten. Das Vorgehen außereuropäischer Rivalen könnte notfalls mittels der “Golden Power”-Regeln verhindert werden, da es sich bei Enel um einen strategisch bedeutenden Konzern handle. Experten sehen die Tatsache, dass der Staat seine Beteiligung auf unter 25 % senkt, als eine neue, “marktoffene” Strategie in Rom.Die seit vier Jahren an der Mailänder Börse notierende EGP wird nach der erfolgreichen Integration in die Muttergesellschaft Enel vom Börsenblatt gestrichen. Durch die Tauschoperation und die erwarteten Synergien soll der Gewinn bis 2019 um 150 Mill. bis 200 Mill. Euro zunehmen. Rund die Hälfte der Investitionen konzentrieren sich künftig auf erneuerbare Energien, den wichtigsten Wachstumssektor des Konzerns.Italiens Erdölmulti Eni konzentriert sich derzeit auf Bohrungen und die Produktion von Erdöl und Erdgas. Nicht strategische Tätigkeiten werden abgegeben. Nachdem Eni bereits die Beteiligung bei ihrer einstige Anlagenbau-Tochter auf 30 % reduzierte, will sie nun auch den Chemiesektor (Versalis) abgeben und erwägt die Trennung von ihrer Sparte Gas & Power. Goldman Sachs sondiert etwaige Interessenten, darunter US-Finanzinvestoren, die britische Centrica und Edison.Der von der französischen EDF zu 100 % kontrollierte Mailänder Energiekonzern Edison befindet sich neuerdings auf Expansionskurs. Nachdem die Mailänder kürzlich 23 Wasserkraftwerke zum Preis von 190 Mill. Euro im Nordosten Italiens übernommen haben, schielt Edison nun auf die Eni-Tochter Gas & Power mit ihren sieben Kraftwerken. Ein Börsengang wird nach dem angepeilten Erwerb nicht ausgeschlossen. In den vergangenen Jahren haben sich vor allem chinesische Investoren im italienischen Energiesektor engagiert und sowohl Anteile von Enel und Eni als auch von Ansaldo Energia erworben.