J.P. Morgan erwartet 2024 mehr Take Privates
J.P. Morgan erwartet 2024 mehr Take Privates
Investmentbanking-Chef Iozzolino: Kurse und Bewertungen vieler gelisteter Firmen sind "deutlich herunter gekommen"
Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt
Es wäre übertrieben zu sagen, das Investmentbanker den Gürtel enger schnallen müssen. Aber ihre Gebühreneinnahmen sind in Deutschland zumindest wieder auf das vor der Pandemie normale Maß zurück geschrumpft. Das geht aus Daten hervor, die J.P. Morgan und die Kanzlei Freshfields zusammengetragen haben. Demnach ist die „Investment Banking Wallet Size“ in Deutschland – also die Gebühreneinnahmen der hiesigen Investmentbanker – im laufenden Jahr bis dato um rund 10% auf 2,15 Mrd. Dollar geschrumpft. Das ist mehr als ein Drittel weniger als in den Boomjahren 2020 und 2021, als billionenschwere staatliche Konjunkturprogramme und lockere Geldpolitik die Kassen füllten.
„Das Jahr 2023 war nicht einfach, und der Risikoappetit von Vorständen ist, wenn es um M&A geht, kleiner, als wir es uns wünschen würden. Aber Zukäufe bleiben ein Thema auf Vorstandsebene, um Wachstum zu schaffen“, sagt Michele Iozzolino, Head of Investment Banking bei J.P. Morgan in Deutschland.
Aktivitäten gebe es bei Finanzinvestoren, die mit viel „Dry Powder“ auf der Suche nachgeeigneten börsennotierten Unternehmen sind, um diese zu übernehmen und von der Börse zu nehmen. „Take Privates sind ein Riesenthema. Wir arbeiten an mehreren solcher Deals. Die Finanzierbarkeit mit Fremdkapital ist anders als noch vor einigen Monaten kein Problem mehr. Außerdem sind die Kurse und die Bewertungen bei einigen mittelgroßen Unternehmen deutlich herunter gekommen. Das gilt besonders im Tech-Sektor.“
Unter den bisherigen Take Privates lassen sich zwei Gruppen unterscheiden: Mal geht es um Finanzinvestoren, die nach einem zeitlich missglückten Börsengang ihres Portfoliounternehmens mit ihrer Beteiligung bei fallendem oder dahin dümpelndem Kurs feststecken und dann die Kehrtwende mit einem Re-Take-Private vollziehen. Beispiele dafür waren Cinven und EQT bei Suse und Synlab. Mal geht es um Übernahmen von gelisteten Unternehmen, die der Finanzinvestor als unterbewertet erkannt zu haben meint. Beispiele dafür sind die Übernahme der EQS Ag durch Thoma Bravo oder der Kauf der Software AG durch Silver Lake und von Software One durch Bain Capital.
Einfacher sind die Transaktionen nicht geworden. Im Gegenteil: „Deals dauern sehr viel länger als bisher. Es wird viel Zeit auf die Due Diligence verwendet, und auch die Preisverhandlungen ziehen sich oft in die Länge. Viele Deals scheitern am Ende auch ganz“, sagt Sabrina Kulenkamp Partnerin für M&A der Kanzlei Freshfields.
„Anlass für Transaktionen gibt oft das Thema ESG. Es geht dann um Portfoliobereinigung, um für Investoren attraktiver zu werden, die Wert auf ESG legen, oder darum, mit Beteiligungen an erneuerbaren Energien an der Energiewende teilzunehmen“, beobachtet die Anwältin.
Ihr Kollege Uwe Salaschek beobachtet eine zunehmende Komplexität der regulatorischen Prüfungen. „Bei der Fusionskontrolle können auch Deals geprüft werden, die nicht meldepflichtig sind. Außerdem dürfen Unternehmen von außerhalb der EU im Beihilferecht nicht besser behandelt werden als EU-Unternehmen. All das zu prüfen, ist aufwendig“, sagt Salaschek . Oben drauf kommt noch das Screening ausländischer Direktinvestitionen. Prüfpunkt ist hier die „öffentliche Sicherheit und Ordnung“ - ein dehnbarer Begriff. Jedes EU-Land hat seine eigenen Regeln. Schweden, Luxemburg und die Schweiz bekommen neue Regimes für ausländischer Investitionen.
IPOs aus den Portfolios der Finanzinvestoren könnten 2024 schwierig werden, weil die Firmen oft hoch verschuldet sind: „Die Investoren schauen vermehrt und sehr kritisch auf Verschuldungsgrade. Was früher mit dem Dreieinhalbfachen des operativen Gewinns in Ordnung war, wird jetzt gern unter dem Zweifachen gesehen“, sagt Investmentbanker Iozzolino.