IM INTERVIEW: ANTON AFFENTRANGER

"Ja, was denken Sie, wir sind eine Baufirma"

Der Chef von Implenia über die meistgestellte Frage der Kollegen von Bilfinger, Schweizer Verhältnisse und weitere Expansionspläne

"Ja, was denken Sie, wir sind eine Baufirma"

– Herr Affentranger, als Schweizer Bauunternehmen hat sich Implenia internationales Wachstum auf die Fahne geschrieben. Deshalb haben Sie den Infrastrukturbereich des Bilfinger-Konzerns übernommen. Warum muss Implenia im Ausland wachsen?Implenia ist in der Tat ein Unternehmen, das bis vor kurzem knapp 90 % des Umsatzes in der Schweiz erzielt hat. Wir sind vor neun Jahren aus dem Zusammenschluss der beiden damals größten Schweizer Baufirmen Zschokke und Batigroup entstanden, wobei vor allem Letztere ebenfalls ein Produkt mehrerer Fusionen war. Wir haben den Gotthard-Basistunnel, den längsten Tunnel der Welt, gebaut und dafür enorme Kapazitäten eingesetzt. Unsere Arbeit an dem Tunnel ist inzwischen fertig, er wird im nächsten Jahr eingeweiht. Das wussten wir schon, als wir uns zusammenschlossen. Wir wussten auch, dass das Bauvolumen im Infrastrukturgeschäft in der Schweiz deutlich zurückgehen würde. Wir sagten uns aber, dass wir das am Gotthard erarbeitete Know-how und die Kapazitäten nicht verlieren und deshalb auch andere Märkte ins Auge fassen wollten. Vor vier Jahren kauften wir deshalb eine entsprechende Firma in Norwegen, und diese Investition hat sich sehr gut bewährt. Mit Bilfinger Construction erhalten wir nun auch Zugang zum schwedischen, zum deutschen und zum österreichischen Markt. Es zeigt sich jetzt schon, dass diese Expansion einen Ausgleich bringt.- Haben Sie sich auch überlegt, das Gotthard-Know-how gar nicht zu behalten? Über 90 % des Schweizer Bauvolumens von derzeit rund 55 Mrd. sfr im Jahr wird von kleinen Firmen abgewickelt. Muss man sich da nicht fragen, ob die Schweiz einen großen Baukonzern überhaupt braucht?Am Ende geht es darum, allen Anspruchsgruppen, den Mitarbeitern, den Aktionären und auch den Kunden Perspektiven aufzuzeigen. Die Arbeitskräfte etwa kommen zu einem Unternehmen, weil es ihnen Perspektiven bietet, weil sie sich von neuen Opportunitäten und Projekten motivieren lassen. Gesunden Firmen gelingt es, ein solches Klima zu schaffen. Implenia will sich stetig weiterentwickeln. Würden wir stehen bleiben, gelänge es uns nicht mehr, gute Leute anzuziehen.- Sie sprechen die Aktionäre an, aber diese sind ja bekanntlich sehr opportunistisch. Vor ein paar Jahren wurde Implenia vom britischen Hedgefonds Laxey belagert, und diese Investoren hatten nur ein Ziel vor Augen: Implenia zerteilen und die Einzelteile zu Höchstpreisen versilbern.Das war der Plan von Laxey, aber wir haben in der Zwischenzeit bewiesen, dass wir mit unserem eigenen Plan eine viel höhere Rendite erwirtschaften können, als dies Laxey seinerzeit wahrscheinlich gekonnt hätte. Der Börsenwert unseres Unternehmens hat sich in den vergangenen Jahren verdreifacht. Ich glaube nicht, dass es sehr viele vergleichbare Erfolgsgeschichten gibt.- Zurück zur Wachstumsfrage: Implenia hat als größtes Bauunternehmen der Schweiz einen Marktanteil von weniger als 10 %. Bietet dieser Markt nicht genügend Raum für Expansion?Natürlich haben wir auch in der Schweiz Märkte wie die Modernisierung, in denen wir weiter wachsen. Aber Sie haben recht, die Schweiz ist ein atomisierter Markt mit sehr vielen kleinen, familiengeführten Bauunternehmen. Dies entspricht auch der Natur unseres Landes. Entscheidungen werden dezentral getroffen, auch im Bereich der öffentlichen Hand. Wir haben im ganzen Land viele kleine Subunternehmer als Partner. Das Zusammenspiel mit diesen Firmen ist sehr wichtig für das Gleichgewicht. Deshalb wäre es nicht vernünftig, in der Schweiz noch viel größer und dominanter zu werden.- Erklären Sie das doch bitte etwas genauer. Warum soll eine dominantere Implenia schädlich sein?Die öffentlichen Aufträge machen die Hälfte unseres Umsatzes aus. Diese Aufträge kommen von allen Ebenen der Verwaltung vom Bund bis hinunter zu den Gemeinden und Städten. Die öffentliche Hand will keine dominanten Bauunternehmen, sie bevorzugt eine gesunde Mischung aus kleinen und größeren Firmen. Das ist wahrscheinlich auch volkswirtschaftlich richtig so. Darum ist die Struktur gut so, wie sie ist.- Im März sind etwa 1 800 Leute der ehemaligen Bilfinger Construction zu Implenia gestoßen. Sie sagen, die Leute seien sehr glücklich, dass Sie als Käufer gekommen sind. Normalerweise ist bei Übernahmen ja eher das Gegenteil der Fall. Warum ist das hier anders?Die Strategie der Bilfinger-Gruppe hat in den vergangenen Jahren in dem Bereich, den wir gekauft haben, zu großer Verunsicherung geführt. Bilfinger hat schon vor relativ langer Zeit angekündigt, dass sie den Infrastrukturbau nicht mehr haben will. Bereits vorher fragten sich die Mitarbeiter, ob Bilfinger überhaupt noch ein Baukonzern sein will. Als wir dann kamen und sagten, dass Bauen unser Kerngeschäft sei, war das schon eine sehr erfrischende Perspektive für unsere neuen Kolleginnen und Kollegen. Ich habe die Verunsicherung auch selber gespürt, als ich im Frühjahr in verschiedenen Town-Hall-Meetings die Bilfinger-Leute in Deutschland getroffen habe. Ein Frage kam immer: Wollen Sie bauen? Ich sagte dann, ja, was denken Sie, wir sind eine Baufirma, das ist unser Business, und es steht sogar in unserer Unternehmensvision: Wir bauen fürs Leben gern.- Hatten Sie überhaupt Konkurrenz in Ihrem Werben um Bilfinger?Im Nachhinein haben wir erfahren, dass auch einige mittelständische deutsche Firmen sowie Interessenten aus Skandinavien und Frankreich interessiert waren.- Haben Sie einfach am meisten geboten?Ich glaube nicht, dass der Preis den Ausschlag gab. Wichtig war für Bilfinger, rasch und zuverlässig abzuschließen. Diese Sicherheit konnten wir bieten. Wir haben deshalb kurz vor Weihnachten 2014 noch unterschrieben und bis zum Closing Anfang März 2015 gezahlt.- Sie hatten vor einigen Jahren schon in Russland einen Expansionsversuch unternommen. Was lief da schief?Schief lief eigentlich nichts. Wir hatten während des Konfliktes mit Laxey im Jahr 2007 ein Beratungsgeschäft mit einem russischen Partner aufgebaut. Es gab eine gewisse Beratungstätigkeit im Rahmen der Winter-Olympiade, aber wir hatten uns selber klar die Restriktion auferlegt, nicht selber zu bauen. Dann kam die Finanzkrise, viele Projekte wurden zurückgestellt, so dass wir uns schließlich zurückzogen. Es war eine lehrreiche Erfahrung, bei der wir weder Geld verdient noch verloren haben.- Sie können froh sein, in Russland nie gebaut zu haben. Jetzt aber wollen Sie groß in Deutschland, Österreich und Skandinavien antreten. Aber auch dort sind die Sitten ganz anders als in der Schweiz. Was gibt Ihnen das Vertrauen, erfolgreich sein zu können?Erfolgsentscheidend ist eine starke lokale Präsenz. Mit der Akquisition von Bilfinger Construction und dem Kauf eines Infrastrukturspezialisten vor vier Jahren in Norwegen haben wir diese Präsenz erreicht. Ich würde mich in keinem Land trauen, ein Projekt anzurühren, wenn ich nicht mit einer lokalen Organisation vor Ort präsent bin.- Wollen Sie mit weiteren Akquisition zu den ganz großen im europäischen Baugeschäft aufschließen?Größe per se ist für uns überhaupt nicht entscheidend. Wir konnten mit Bilfinger Construction unser Risikoprofil verbessern. Wir haben einen Ausgleich zwischen Geschäftsbereichen und Geografien. Jetzt gilt es zunächst, unsere Strukturen zu stärken. Eine weitere Akquisition ist im Moment kein Thema.—-Das Interview führte Daniel Zulauf.