Jagd auf Klimaschädlinge

Von Andreas Hippin, London Börsen-Zeitung, 11.10.2019 Der britische "Guardian" wird nicht die einzige Zeitung gewesen sein, die eine Verlautbarung der amerikanischen Denkfabrik Climate Accountability Institute (CAI) zum Anlass nahm, vermeintliche...

Jagd auf Klimaschädlinge

Von Andreas Hippin, LondonDer britische “Guardian” wird nicht die einzige Zeitung gewesen sein, die eine Verlautbarung der amerikanischen Denkfabrik Climate Accountability Institute (CAI) zum Anlass nahm, vermeintliche Klimaschädlinge an den Pranger zu stellen. “Die 20 Firmen hinter einem Drittel aller CO2-Emissionen weltweit”, titelte die Prawda des linksliberalen Londoner Bürgertums. Das Timing war gut gewählt: Die Weltuntergangssekte XR legt gerade die britische Metropole lahm. Die Liste der “weltweit anerkannten Forscher” wird der Schlagzeile jedoch nicht gerecht.Selbst das CAI behauptet lediglich zu wissen, welchen Beitrag die größten Öl-, Gas- und Kohlefirmen zwischen 1965 und 2017 zu den CO2-Emissionen weltweit geleistet haben – in erster Linie übrigens durch die Verbrennung ihrer Produkte, auf die sie überhaupt keinen Einfluss haben. Es wäre eine große Überraschung gewesen, wenn sich andere Unternehmen auf der Liste befunden hätten als die Branchengrößen der Energiebranche. Der nachrichtliche Wert der Titelstory ist denkbar gering.Zudem handelt es sich bei vielen der angeblich schlimmsten Verschmutzer auch nicht um “große Firmen, die sich im Besitz von Investoren befinden und Milliarden für Lobbying ausgeben und dafür, sich als verantwortungsbewusst gegenüber der Umwelt darzustellen”, wie es im “Guardian” heißt. Zwölf der 20 Unternehmen befinden sich im Staatsbesitz, aber das passt wohl ebenso wenig ins Weltbild der meisten Klimaaktivisten wie der Umstand, dass ebenso viele aus Schwellenländern stammen. Unter den Top 5 finden sich nicht etwa BP und Shell, sondern Saudi Aramco, Gasprom und die National Iranian Oil Co.Es ist keineswegs Zufall, dass das CAI andere Emittenten von Treibhausgasen wie etwa die Landwirtschaft unberücksichtigt lässt. Auch der Umstand, dass sich der Umgang mit Umweltschäden von Unternehmen zu Unternehmen deutlich unterscheidet, wird ausgeblendet. Denn der Denkfabrik geht es darum, die Produzenten fossiler Brennstoffe für Klimaschäden verantwortlich und in letzter Konsequenz haftbar zu machen. Die Schätzung der über die Jahre akkumulierten Werte hat nur dann einen Sinn, wenn man auf ihrer Grundlage Entschädigungsforderungen stellen will. Die angloamerikanische Opfer- und Kompensationskultur bietet für solche Klagen eine gute Grundlage. Im Board der Denkfabrik befinden sich neben den aus Funk und Fernsehen bekannten Klimawissenschaftlern Michael Mann und Michael McCracken auch erfahrene Anwälte. Die Öl- und Gasbranche muss sich auf Klagen fehlgeleiteter Klimaschützer einstellen. Finanziert wird das alles unter anderem vom Wallace Global Fund – einer Stiftung, die von der Familie des ehemaligen demokratischen Vizepräsidenten Henry Wallace kontrolliert wird – und dem Rockefeller Brothers Fund.Wollte man das Thema ernsthaft angehen, müsste man zeigen, wo heute die meisten Emissionen anfallen, und Druck auf die Verantwortlichen machen. Aber in der Volksrepublik China ist es mit der Rechtsstaatlichkeit nicht weit her, die Erfolgsaussichten von Klagen wären gering. Auch in Indien oder Russland hat man andere Themen im Blick. Greta Thunbergs britische Jünger müssten zugeben, wie geringfügig der Beitrag ist, den ein weitgehend deindustrialisiertes Land wie Großbritannien heute noch zur Erderwärmung leistet. Ihr Glaube an die eigene Wichtigkeit könnte erheblichen Schaden nehmen. Da suhlt man sich doch lieber mit dem Tierfilmer Richard Attenborough in der vermeintlich historischen Schuld, für die industrielle Revolution verantwortlich zu sein.——Öl-, Gas- und Kohlekonzernen drohen Schadenersatzklagen von Klimaschützern.——