GASTBEITRAG

Japans Governance muss professioneller werden

Börsen-Zeitung, 11.1.2018 Bei Toshiba, Kobe Steel und Nissan gab es jüngst Fälle von schwerwiegendem Versagen bei den erforderlichen Qualitätskontrollen in wichtigen Funktionsbereichen. Dies hat zur öffentlichen Wahrnehmung geführt, dass es bei der...

Japans Governance muss professioneller werden

Bei Toshiba, Kobe Steel und Nissan gab es jüngst Fälle von schwerwiegendem Versagen bei den erforderlichen Qualitätskontrollen in wichtigen Funktionsbereichen. Dies hat zur öffentlichen Wahrnehmung geführt, dass es bei der Einhaltung japanischer Standards der Unternehmensführung generelle Probleme gibt. Man mag sich fragen, was mit den japanischen Firmen los ist, da uns Regierung, Unternehmensvorstände und Investmentmanager gleichermaßen glauben lassen wollen, dass Fortschritte bei der Verbesserung der Unternehmensführung erzielt wurden. Was also geht da vor sich? Zunächst sei gesagt: Auf Vorstandsebene macht Japan zweifelsohne Fortschritte, auf die es stolz sein kann. Diese lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Neuer WindDurch japanische Vorstandsetagen weht seit Einführung des Corporate Governance Code 2015 ein neuer Wind. Inzwischen verfügen über 88 % der öffentlich gelisteten Unternehmen über zwei oder mehr unabhängige Direktoren. Unter den Top 50 der nach Marktkapitalisierung aufgelisteten Firmen setzte sich der Durchschnittsvorstand konstant aus etwa elf Mitgliedern zusammen – mit leicht sinkender Tendenz (von 11,9 im Jahr 2014 zu 11,6 2017), während die Anzahl der Direktoren von 2,6 auf 3,9 gestiegen ist.Zuvor gab es nur wenige nicht geschäftsführende Direktoren, im Verhältnis haben sie in den Vorständen nun also mehr Gewicht. Doch nur zehn dieser 50 Topfirmen haben Ernennungs- und Entschädigungsausschüsse und nur 15 verfügen über Prüfungsausschüsse im westlichen Stil. Diese Zahlen müssen als Nächstes steigen. Aktivere InvestorenMit Einführung eines Stewardship Code 2014 ist die Investorenbeteiligung an Unternehmen gestiegen und Investmentmanager veröffentlichen die Abstimmungsergebnisse ihrer Hauptversammlungen. Viele stimmen gegen die vom Management der Unternehmen vorgeschlagenen Vorstandsdirektoren – was es so vorher nie gab. Und Unternehmensvorstände werden strenger überprüft.Das klingt alles sehr gut. Was also ist schiefgegangen? Und wie können ähnliche Probleme verhindert werden?Toshiba hat zwei Fehler erkannt: Zum einen ihre Finanz- und Buchführungstätigkeiten nicht vor dem Einfluss der Vorstandsmitglieder geschützt, zum anderen die Übersicht bei der Übernahmedokumentation verloren zu haben, was zu einer Eventualverbindlichkeit mit existenzieller Bedrohung geführt hat.Zunächst zur Unabhängigkeit von Finanz- und Buchführungstätigkeiten: Im Westen stellen Finanzen und Buchhaltung eine spezielle Fachqualifikation dar. Die branchenübergreifende Mobilität von Finanzvorständen garantiert zusätzliche Sicherheit. Bei Toshiba wurden die Positionen in Finanzen und Buchführung hingegen mit Personen besetzt, die außerhalb des Unternehmens keinerlei Erfahrung mitbrachten und sich selbst nur als bloße Angestellte von Toshiba sahen, nicht aber als Finanz- und Buchhaltungsexperten. Sie lebten in einer isolierten Welt und akzeptierten die hauseigenen Praktiken als unhinterfragte Standards.In dieser Hinsicht besteht kein Unterschied zu vielen anderen Firmen in Japan. Was also war bei Toshiba anders? Offenbar war der Umgang mit der Gewinn-und-Verlust-Rechnung zu einer vom Management befürworteten Kunstform avanciert. Dies zeigt den deutlichen Bedarf einer Professionalisierung der Finanz- und Buchführungsfunktionen.Zum Übersichtsverlust bei Fusionen und Übernahmen: Dieser Bereich war für Toshiba, ihre Aktionäre und Kunden im Zuge der Westinghouse-Transaktion 2006 eine beschämende Erfahrung. Ob beabsichtigt oder nicht, der Abschluss einer kleinen M & A-Aktivität mit einem schwarzen Loch offenbarte einen Mangel an Kontrolle. Die Lehre daraus? Gegenseitige Kontrollen müssen im gesamten Unternehmen erfolgen, vor allem im M & A-Bereich.Bei Kobe Steel war der Bereich Qualitätssicherung nicht unabhängig von der Produktion, was zum Unterlassen von Qualitätsprüfungen führte. Eine Kluft zwischen der geschäftsorientierten Firmenleitung und unter Effizienzdruck stehenden Fabrikleitern tat sich auf. Die Frage bleibt, wie genau es zu den Pfuschereien kam.Eine ehemalige Führungskraft aus der Branche äußerte den Verdacht, dass zwischen Vertrieb und Produktion eine Spannungslinie bestand. Er erinnerte sich an umfangreiche Verhandlungen mit einem Kunden, der Preisnachlässe forderte, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Zusammen arbeiteten sie daran, Spezifikationen zu verringern. Dies ermöglichte der Fertigung, Chargenzahlen zu reduzieren und Kosten zu sparen – der Gewinn wurde geteilt. Sein Verdacht war, dass Vertriebsmanager von Kobe nicht verhandelt hatten, um die Spezifikationen zu optimieren, sondern dass bei der Produktion aus Kostengründen an allen Ecken und Enden gespart wurde.Im Fall von Nissan pfuschten Fabrikleiter bei den Prüfungen, indem sie nicht zertifizierte Arbeitskräfte einsetzten, um Kosten gering zu halten, ohne dass die Führungsebene davon etwas mitbekam. Gegenseitige KontrolleWas muss nach diesen Lektionen getan werden? Wir sollten versuchen, auf allen Ebenen eine sorgfältige Unternehmensführung basierend auf dem Prinzip der ,checks and balances` sicherzustellen. Während eine bessere Vorstandsführung bereits vorteilhaft sein kann, müssen Vorstände auch die Vorgänge in Finanz- und Buchführungsabteilungen, Fabriken und im M & A-Bereich genau verfolgen. Das Management muss sicherstellen, dass Unregelmäßigkeiten nicht geduldet werden, die Vorstände wiederum müssen dafür sorgen, dass Unternehmen über integrierte Sicherheitsmechanismen verfügen. Dies bedeutet, einen Prozess aus gegenseitigen Kontrollen, starker Kultur und Qualitätssicherung zu etablieren.Toshiba zeigt, dass ohne eine unabhängige Buchführung und Finanztätigkeit Direktoren nicht unabhängig sein können und Sicherheitsmechanismen im gesamten Unternehmen nutzlos sind. Über Formalitäten hinausUnternehmensführung darf nicht auf Formalitäten reduziert werden – auf Funktionalität kommt es an. Sie muss kontinuierlich und ,top to bottom` verfolgt werden. Es ist Zeit, diesen Ansatz in Japan zu stärken. Während sich die Vorstandsführung allgemein verbessert, zeigen jene bedauerlichen Beispiele deutlich, dass Best Practices nicht auf allen Ebenen der Unternehmenshierarchie umgesetzt wurden. Wir müssen zurück zu den Grundlagen des Unternehmensmanagements und die Bedeutung intern voneinander unabhängiger Funktionen und Kontrollen wieder hervorheben, die ein integraler Bestandteil von Führung sind.Der Teufel steckt im Detail – und letzten Endes arbeiten in Unternehmen auch nur Menschen.—-Takumi Shibata, Representative Director, President und CEO von Nikko Asset Management