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Japans Kamerahersteller rutschen in die Nische

Von Martin Fritz, Tokio Börsen-Zeitung, 4.8.2020 Das Coronavirus kennt auch bei Digitalkameras keine Gnade: Im ersten Halbjahr ist ihre weltweite Verkaufszahl um 52 % zum Vorjahr auf den Tiefpunkt von 3,5 Millionen Einheiten geschrumpft. Denn wer...

Japans Kamerahersteller rutschen in die Nische

Von Martin Fritz, TokioDas Coronavirus kennt auch bei Digitalkameras keine Gnade: Im ersten Halbjahr ist ihre weltweite Verkaufszahl um 52 % zum Vorjahr auf den Tiefpunkt von 3,5 Millionen Einheiten geschrumpft. Denn wer nicht reist, kauft keine Kamera. Das erste Opfer dieser Entwicklung war Olympus. Im Juni gab der Optikspezialist seine Traditionssparte an einen japanischen Sanierungsfonds ab. Zuvor hatte man das Geschäft als “extrem schwierig” beschrieben.In der Tat muss die ganze Branche schwer kämpfen: Marktführer Canon erwartet für das Geschäftsjahr 2020 (ab 1.4.) einen Absatzrückgang um 40 % auf 2,5 Millionen Einheiten. Im abgelaufenen Quartal hielt sich die Sparte nur dank der medizinischen Kamerasysteme knapp in den schwarzen Zahlen. Beim Branchenzweiten Sony sackte der Kameraabsatz schon zwischen Januar und März um ein Drittel auf 400 000 Stück ab. Nikon kündigte Ende Mai eine Kostenkürzung um 50 Mrd. Yen (400 Mill. Euro) an, weil sich die Marktschrumpfung beschleunigt habe. Schon 2019 hatte das Geschäft operativ 17,1 Mrd. Yen verloren. Nun werden die Fabrikation, die Produktpalette und das Personal verschlankt. Die kleineren Player Fujifilm, Panasonic, Ricoh (Pentax) und Leica mit prozentual einstelligen Marktanteilen werden um ähnliche Schritte nicht herumkommen.Die Branche kann seit langem zwei Herausforderungen nicht bewältigen: Zum einen hat das Smartphone binnen eines Jahrzehnts die kompakte Digitalkamera abgelöst, auch, weil die Kameras der Smartphones immer besser wurden. Der Markt ist regelrecht kollabiert, seit die Kompaktknipsen kein Alleinstellungsmerkmal mehr haben. Im Vorjahr verkauften Japans neun größte Hersteller 15,2 Millionen Fotoapparate, 2010 lag ihr Absatz mit 121,5 Millionen Stück noch acht Mal höher. Zum anderen kämpfen zu viele Hersteller über den Preis und mit ständig neuen Modellen um Marktanteile und verdienen daher mit ihren Produkten kaum Geld. Dieser exzessive Wettbewerbsstil hatte Japans Herstellern einst zum Sieg über die deutsche Konkurrenz verholfen. Aber statt ihr nationales Quasimonopol zu nutzen, zerfleischen sie sich gegenseitig. Daran ging schon Japans Laptop-Industrie zugrunde. Die Digitalkameras von Olympus zum Beispiel mit einem Marktanteil von zuletzt 3 % waren schon zu den Anfangszeiten des Smartphones Verlustbringer und schrieben seitdem weiter rote Zahlen. Ansonsten zog sich nur der einstige Pionier Casio zurück.Alle Gegenstrategien konnten keine Wende einleiten: Fujifilm hält sich mit Instax-Sofortbildkameras als Polaroid-Nachfolger über Wasser. Panasonic und Sony setzten früh auf “spiegellose” Kameras, bei denen das Licht direkt auf den Sensor fällt. Dieses Segment ist schnell gewachsen. Aber wer Wechselobjekte braucht, gehört bereits zu den anspruchsvollen Amateuren. Diese Zielgruppe bleibt zahlenmäßig begrenzt. Eine weitere Antwort war die Integration von Filmfunktionen in die Fotokamera. Sony vermarktet ihre Kompaktkamera ZUV-1 als “Vlogcam” an Youtuber und Videoblogger. “Damit kann man den Marktrückgang vielleicht etwas bremsen, aber keine drastische Erholung herbeiführen”, meinte Ichiro Michikoshi, Chefanalyst des Marktforschers BCN.Selbst die Platzhirsche verlieren an Boden: Lange Zeit wähnten sich Canon und Nikon mit ihren hochwertigen Spiegelreflexkameras mit Wechselobjekten für Profis und Foto-Amateure immun gegen den Niedergang. Aber auch bei diesen Geräten sinken die Verkaufszahlen seit dem Hoch von 2012 kontinuierlich. Das könnte daran liegen, dass die technischen Möglichkeiten der Kameras weitgehend ausgereizt sind. Daher liegt ein Schwerpunkt des Wettbewerbs inzwischen bei den Wechselobjektiven. Zugleich mussten beide Hersteller ein Segment für die preisgünstigeren, spiegellosen Kameras aufbauen, um Neueinsteiger an ihre Marke heranzuführen.Anders als in der Autoindustrie können die Produzenten nicht in Kooperationen oder Fusionen flüchten. Die Systeme sind von den Sensoren bis zu Objektivverschlüssen nicht miteinander kompatibel und die einzelnen Marken in Geschichte und Werten zu ausgeprägt, während das Massensegment der Kompaktkameras weggebrochen ist. Im Nachhinein zeigt sich, dass Sony mit der Übernahme von Konica Minolta vor 15 Jahren den wichtigsten Schritt getan hat. Inzwischen rückt für Sony das Ziel, Canon bis 2021 als Weltmarktführer abzulösen, in Reichweite. Sony hat ihre traditionelle Markenstärke bei Videokameras durch den Ausbau von spiegellosen Kameras und integrierte Videofunktionen auf das Fotoapparat-Segment übertragen. Allerdings würde die Wachablösung an der Spitze vor allem darauf beruhen, dass das Kamerageschäft von Canon schneller schrumpft als das von Sony.Als Alternative zum jetzigen Niedergang favorisieren einige Analysten ein Foundry-System: Dafür müssten die Hersteller die Produktion zentraler Bausteine auslagern. Wahrscheinlicher ist der komplette Ausstieg einiger Anbieter aus diesem Geschäft. Als Folge der Corona-Rezession dürfte sich diese Entwicklung beschleunigen, falls die Menschen weiter weniger reisen und sich weniger treffen. Nach dem Aus von Casio 2018 und nun Olympus gilt Ricoh mit der Marke Pentax als nächster Kandidat. Wie bei Olympus drängen auch bei Ricoh aktivistische Investoren auf höhere Renditen. Auch Panasonic steht unter Druck. Außer Olympus ist man der einzige Hersteller mit dem Micro-Four-Thirds-Standard.