DAIMLER ZIEHT BILANZ

Källenius erwartet "Sack voll Arbeit"

Für Daimler-CEO werden 2020 und 2021 die herausforderndsten Jahre - 2 Mrd. Euro für Personalabbau - Hohe Investitionen in eigenes Betriebssystem

Källenius erwartet "Sack voll Arbeit"

Daimler-CEO Ola Källenius erwartet einen “Sack voll Arbeit” in den nächsten Jahren. Und damit sind nicht nur die im November kommunizierten Sparanstrengungen gemeint, sondern auch die Umsetzung der Transformationspläne. Daimler arbeitet auf ein eigenes fahrzeugunabhängiges Betriebssystem hin, muss die Elektroautoproduktion für die CO2-Flottenziele hochfahren und damit auch die Batteriefertigung. Rückenwind vom Marktumfeld ist dabei nicht zu erwarten.scd Stuttgart – Daimler macht sich zum Start ins neue Jahr wenig Hoffnung auf günstige Rahmenbedingungen. Im Gegenteil: Der Stuttgarter Autobauer rechnet mit Gegenwind in allen Produktbereichen. Der Umsatz für Cars, Trucks, Vans und Buses wird jeweils leicht unter Vorjahr erwartet. Lediglich für die Kernmarke Mercedes-Benz Cars rechnet der neue Finanzvorstand Harald Wilhelm weltweit zumindest mit einem leichten Plus im Absatz.Dass das keine Garantie für eine höhere Marge ist, zeigte die Entwicklung des Van-Geschäfts im abgelaufenen Jahr. Trotz Rekordwerten bei Absatz und Umsatz lieferte die Sparte vor Zinsen und Steuern einen Milliardenverlust. Selbst ohne den Aufwand wegen des Dieselskandals und anderen Sonderposten blieb nur eine magere bereinigte Ebit-Marge von 1,9 %. Klar zu wenig für das Segment, wie auch CEO Ola Källenius befand. Auch bei Mercedes-Benz Cars und Daimler Trucks zeigte die Marge zuletzt nach unten. In der Kernsparte soll die Umsatzrendite bereits im nächsten Jahr wieder steigen und bei Trucks & Buses zumindest gegenüber dem schwachen Schlussquartal nicht weiter abschmelzen (siehe Grafik). Fokus auf die MargeDer Fokus im laufenden Jahr soll daher vor allem auf umfassenden Maßnahmen zur Kostensenkung und der Steigerung des Gewinns und des freien Cash-flow liegen. “Wenn du den höchsten Preis und den größten Absatz hast, solltest du auch die höchsten Margen haben. Und deshalb müssen und werden wir die Kostenseite adressieren”, verspricht er.Källenius bestätigte das Ziel, die Personalkosten bis 2022 um mindestens 1,4 Mrd. Euro jährlich zu reduzieren, wollte sich aber nicht auf eine Zahl von Mitarbeitern festlegen, die den Einsparungen geopfert werden müssten. Spekulationen darüber seien unseriös, da es eine ganze Reihe von Maßnahmen gebe, über die das Ziel erreicht werden könne. Neben klassischen Beispielen wie Frühverrentung, Abfindungsverträgen und der Nichtverlängerung von Zeitverträgen bestehe etwa die Möglichkeit für einige Mitarbeiter, von einer 40- auf eine 35-Stunden-Woche zu gehen.Finanzchef Wilhelm bezifferte die Kosten für die Personaleinsparungen auf insgesamt 2 Mrd. Euro. Davon dürften 1,2 Mrd. Euro bereits in diesem Jahr anfallen. Das Gros der Einsparungen werde man aber erst in den kommenden Jahren spüren, wie Källenius auf Nachfrage einräumte.Noch höhere Einsparungen verspricht sich der Daimler-Chef auf der Materialkostenseite, die in den nächsten drei Jahren drei Prozentpunkte zur Umsatzrendite beitragen sollen. Basierend auf dem Umsatz der Mercedes-Benz-Sparten Cars & Vans ergibt sich daraus eine Kostenersparnis von mehr als 3 Mrd. Euro. Im laufenden Jahr sei man bei den Einsparungen “on Track”. Weniger Komplexität ab 2025Noch größeres Potenzial macht Källenius allerdings in den Jahren danach aus. “Wir müssen uns nicht nur kurzfristig fokussieren, sondern auch mittelfristig die Komplexität unserer Produkte deutlich reduzieren für die Fahrzeuge der nächsten Generation, die ab 2025 auf den Markt kommen werden”, erklärt er. “Wir können uns nicht nur auf die kurzfristigen Verbesserungen fokussieren.” Momentan laufe die Branche auf den bislang höchsten Komplexitätsgrad zu, mit zahlreichen Antrieben und einer noch immer sehr breit gefächerten Modellpalette.2020 will Daimler die Investitionen trotz des Hochfahrens der E-Auto- und Batterieproduktion nur auf Vorjahresniveau belassen. Die Stuttgarter planen, den Anteil der Autos, die rein elektrisch fahren können (Batterieelektrisch und Plug-in-Hybride, xEVs), im laufenden Jahr auf etwa 9 % zu steigern. Das entspräche einer Erhöhung von zuletzt knapp 50 000 Stück auf mehr als 200 000 Stück in diesem Jahr. Zugleich soll die Zahl der Mild-Hybrid-Fahrzeuge, die zur Unterstützung des Verbrennermotors mit einer 48-Volt-Batterie ausgestattet sind, auf 400 000 Stück in etwa verdoppelt werden. Gerüchte über eine möglicherweise geringe Nachfrage für den Elektro-SUV EQC wies Källenus zurück. Die Nachfrage sei “sehr gesund”. Im Sommer wird dann der vollelektrische Van EQV an den Start gebracht, und später im Jahr soll der kleinere EQA Premiere feiern. “Zuerst elektrisch”Im nächsten Jahr soll der Elektroanteil mit einer breiteren Angebotspalette noch weiter steigen, um das Flottenemissionsziel von durchschnittlich knapp über 100 g CO2/km aus eigener Kraft zu erreichen und Strafzahlungen in der EU zu vermeiden. “Wir haben den Schalter umgelegt. Wir denken nun zuerst elektrisch”, verspricht Källenius.Er halte es für möglich, dass Daimler schon 2020 oder 2021 die CO2-Flottenwerte erreicht. “Wir können das Marktgeschehen nicht 100-prozentig kontrollieren. Dennoch sollten wir in Schlagdistanz kommen”, so der Daimler-Chef. Entscheidend werde auch sein, die Batteriefertigung weltweit hochzufahren. Dabei sei man auf einem guten Weg. Die größten Hürden gilt es für den Daimler-Chef in diesem und dem kommenden Jahr zu nehmen. “Ich sehe auch, dass 2020 und 2021 unsere herausforderndsten Jahre werden. Ich fühle mich deutlich besser mit 2022 und darüber hinaus”, erklärt der Schwede. Auf dem Weg dahin erwarte er für sich und seinen Konzern allerdings eine anstrengende Zeit. “Ich bin Realist. Die Maßnahmen, die wir auf den Weg geschickt haben, in den nächsten drei Jahren umzusetzen, wird sicher ein Sack voll Arbeit.”Ein wesentlicher Teil davon dürfte das Projekt “eigenes Betriebssystem” sein, das Daimler auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas vorgestellt hat und in das erhebliche Investitionen in den kommenden Jahren fließen sollen. Ziel ist es, ein vom Fahrzeugmodell losgelöstes Software-Betriebssystem für Mercedes zu schaffen. Die soll in etwa vier Jahren kommen und wird von Daimler noch komplett in Eigenregie entwickelt. “Ich will nicht ausschließen, dass es Sinn ergeben kann, beim Betriebssystem mit einem Partner zu kooperieren. Momentan arbeiten wir hier aber noch allein”, erklärt Källenius.”Wir müssen zwar Kosten sparen, aber nicht in der Digitalisierung. Da investieren wir kräftig”, ergänzt er. Daimler nutze die Digitalisierung nicht nur zur Weiterentwicklung der Produkte – etwa mit der ausgeweiteten Konnektivität der bereits in Vorserie produzierten S-Klasse, die von Herbst an produziert und noch vor Jahresende auf den Markt kommen soll -, sondern auch für die Effizienzsteigerung im Unternehmen.