"Kapital allein ist nicht mehr entscheidend"
Private Equity ändert den Zielfokus. Schon 2015 wurde im Fundraising erstmals das Gros der Mittel für Wagnis- und Wachstumsfinanzierungen eingeworben, der Mittelbedarf für Leveraged Buy-outs ging zurück. KKR tritt mit einem eigenen Next Generation Growth Fund an, der binnen kurzer Zeit schon vier Investments vorweisen kann.Von Heidi Rohde, FrankfurtIn Zeiten der Geldschwemme “macht Kapital allein nicht mehr den Unterschied” – das ist nach Überzeugung von Philipp Freise, Partner bei KKR und Leiter des europäischen Technologie-, Medien- und Telekom-Teams, die Folge des veränderten Umfelds am Kapitalmarkt für die Private-Equity-Branche. Mit das auffälligste Signal, dass die Branche sich und ihr Geschäftsmodell grundlegend veränderten Rahmenbedingungen anpassen muss, ist der Investitionsfokus auf eine neue Zielgruppe, die noch vor Jahren gar nicht auf dem Radar von großen Buy-out-Fonds war: reife Start-ups, die bereits erprobte Technologien oder Produkte und ein Geschäftsmodell sowie dynamisches Wachstum vorweisen können, aber noch dabei sind, zu skalieren und sich strategisch für die Zukunft aufzustellen.Later Stage Investments oder auch Growth Capital – die Grenze zwischen diesen beiden Kategorien ist mitunter fließend – ziehen in jüngster Zeit eine wachsende Schar von Geldgebern an, darunter neben Wagniskapitalgebern auch klassische Buy-out-Fonds ebenso wie Venture-Fonds von großen Unternehmen. Im Jahr 2015 flossen nach Daten des BVK hierzulande erstmals nur 12 % der von Private Equity neu eingeworbenen Mittel in klassische Buy-out-Fonds, während Growth-Fonds 21 % davon einsammelten.KKR hat als einer von wenigen Private-Equity-Veteranen für die Zielgruppe reifer Start-ups einen eigenen Fonds, den Next Generation Technologie Growth Fund, aufgelegt, der vor kurzem bei 711 Mill. Dollar geschlossen wurde. Das Fundraising hat einige Zeit gedauert. “Wir haben den Fonds sehr sorgfältig in Gesprächen mit unseren Investoren vorbereitet”, betont Freise im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Investiert sind alle Gruppen der großen institutionellen Anleger, die ihr Geld auch in klassische Buy-out-Fonds von KKR stecken: Versicherungen, Pensionsfonds und Staatsfonds, die sich ihrerseits in der seit Jahren anhaltenden Niedrigzinsphase neuen Anlagezielen öffnen.Die Mittel sollen “selektiv” im TMT-Sektor investiert werden, und zwar zur Hälfte in Europa und Israel sowie in den USA. Die Tickets liegen im Bereich von 50 bis 100 Mill. Euro, wobei in kurzer Zeit bereits ein regional sehr ausbalanciertes Portfolio entstanden ist. Dazu gehören die israelische Data-Analytics-Gesellschaft Optimal+, die Touristik-Plattform Get your Guide, die in Berlin eine App zur Buchung von Sehenswürdigkeiten auf der ganzen Welt entwickelt hat, das US-Softwareunternehmen Jitterbit und die in London ansässige Cyberabwehrfirma Darktrace. KKR ist in dem neuerdings bei vielen so begehrten Segment schon länger unterwegs und hat aus der eigenen Bilanz zuvor bereits rund 650 Mill. Dollar in Wachstumsunternehmen gesteckt, darunter 50 Mill. in die Frankfurter Softwareschmiede Arago. Die Pipeline für den neuen Fonds sei ebenfalls recht gut gefüllt.Der Einstieg bei Wachstumsunternehmen, die im Umsatz noch bei einem zweistelligen Millionen-Euro-Betrag rangieren, erfordert eine Änderung des klassischen Geschäftsmodells von Private Equity, denn die Investitionsobjekte vertragen noch keinen Leverage, so dass meist nur mit Eigenkapital operiert wird. Auch Mehrheits- oder Komplettübernahmen sind in diesem Bereich nicht mehr angezeigt, Minderheitsengagements begrenzen das Risiko. Darüber hinaus ist ein anhaltend substanzielles Engagement der Gründer in dieser Unternehmensphase erwünscht. Die fehlende Fremdfinanzierung begrenzt prinzipiell auch den Hebel, dennoch ist Freise in Bezug auf die Renditeerwartungen gelassen. “Zum einen investieren wir mit einem langen Anlagehorizont von durchschnittlich sieben Jahren.” Zum anderen – noch wichtiger – eröffne bei diesen Investments die “operative Entwicklung mit Unterstützung von KKR” den eigentlichen Bewertungsschub, so Freise. Er betrachtet die globale Vernetzung von KKR als klaren Wettbewerbsvorteil. So könne das Team den jungen Firmen helfen, global zu skalieren, als Türöffner fungieren und so die operative Entwicklung voranbringen, was sich dann im Unternehmenswert spiegeln sollte. Wachstum ist also der Schlüssel zur Rendite. Übliche Hit RateDer Hype in dem Segment gleicht dem Tanz ums Goldene Kalb, mit dem entsprechenden Auftrieb für die Unternehmensbewertungen. Natürlich gelte die “in der Industrie übliche Hit Rate”, das heißt von 100 Unternehmen, die das Team von KKR im Zielfokus des Fonds anschaut, erfolgt am Ende die Investition in zwei. Darüber hinaus ist laut Freise ein hoher Einstiegspreis nicht per se besorgniserregend. “Wenn die Wachstumserwartungen stimmen, ist der Preis zweitrangig. Dafür ist etwa Arago ein gutes Beispiel.”Obwohl sich der Exitkanal Börse in Europa und speziell in Deutschland – auch bedingt durch die Erfahrungen mit dem Neuen Markt um die Jahrtausendwende – für Kapitalgeber junger Unternehmen bisher als eher schwer zugänglich erwiesen hat, ist Freise auch hier optimistisch. “Für gute Portfolio-Unternehmen wird nicht nur New York offenstehen”, betont der Manager mit Blick auf die ungleich lebhaftere IPO-Szene jenseits des Atlantiks, wo sich mit Snap just wieder ein milliardenschweres Start-up auf den Weg an die Börse macht. Freise vertraut auf “echte Erfolgsgeschichten wie Zalando”, die hierzulande auch anderen jungen Firmen den Weg zu öffentlichem Kapital ebnen dürften. Generell sei Kapital im Growth-Segment noch immer knapp, es werde viel mehr benötigt.