RECHT UND KAPITALMARKT

Kapitalmarkttransparenz deutlich erweitert

Geänderte Vorgaben für Stimmrechtsmitteilungen bei börsennotierten Gesellschaften und verschärfte Sanktionen bei Verstößen

Kapitalmarkttransparenz deutlich erweitert

Von Hans-Christoph Ihrig und Katharina Stüber *)Das geltende Regime für die Veröffentlichung relevanter Beteiligungen an börsennotierten Gesellschaften hat zu einer Überflutung des Marktes mit nicht selten unverständlichen Stimmrechtsmeldungen und einer beklagenswerten Rechtsunsicherheit für Emittenten und Aktionäre geführt. Die Fehleranfälligkeit bei der Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben ist hoch. Dass der weltgrößte Vermögensverwalter BlackRock jüngst eine Serie von Korrekturmeldungen absetzen und ein empfindliches Bußgeld der BaFin hinnehmen musste, spricht insoweit Bände.Besserung ist leider nicht in Sicht, im Gegenteil: In Umsetzung der geänderten europäischen Transparenzrichtlinie hat der Bundestag am 1. Oktober 2015 eine weitere Verschärfung des Rechtsrahmens beschlossen. Die Änderungen werden unmittelbar nach Gesetzesverkündung – voraussichtlich noch im November 2015 – in Kraft treten. Weil eine Übergangsfrist fehlt, müssen sich die Marktteilnehmer sehr rasch auf die neuen Anforderungen und auf deutlich verschärfte Sanktionen bei Verstößen einstellen.Wie bisher knüpft die Meldepflicht an das Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten (zukünftig “Berühren”) relevanter Beteiligungsschwellen (3, 5, 10, 15, 20, 25, 30, 50 und 75 % des stimmberechtigten Grundkapitals) an. Die Meldepflicht entsteht zukünftig aber nicht erst mit dem Übergang des Aktieneigentums, sondern bereits mit Entstehen des unbedingten und unmittelbar zu erfüllenden Anspruchs auf Verschaffung der Aktien. Zugleich wird zulasten des Meldepflichtigen unwiderleglich Kenntnis von der Schwellenberührung spätestens zwei Handelstage nach ihrem objektiven Eintritt vermutet.Diese gesetzliche Fiktion wiegt schwer, denn der bei Verstößen drohende Verlust des Dividendenrechts knüpft an die vorsätzliche Unterlassung der geschuldeten Stimmrechtsmeldung an, wird zukünftig also sehr viel eher in Betracht kommen als bisher. Dass die Kenntnisfiktion ausnahmsweise dann nicht gilt, wenn die Schwellenberührung auf einer ohne Zutun des Meldepflichtigen eingetretenen Änderung der Gesamtzahl der Stimmrechte beruht, ist begrüßenswert, hilft aber nicht viel weiter. Hiervon sind nämlich nur sogenannte “passive Schwellenberührungen” erfasst, wie sie etwa infolge von Kapitalmaßnahmen des Emittenten eintreten, nicht aber Sachverhalte, in denen sich die Anzahl der dem Meldepflichtigen zuzurechnenden Stimmrechte aufgrund von Handelsaktivitäten eines von ihm nicht kontrollierten Dritten ändert, wie dies etwa bei einem “acting in concert” denkbar ist. SystemänderungDas Gesetz unterscheidet zukünftig nur noch zwischen Meldepflichten bei Stimmrechten aus Aktien und solchen aus sogenannten “Instrumenten”; die bisherige Unterscheidung zwischen Finanzinstrumenten und sonstigen Instrumenten entfällt. Auch künftig werden danach unter anderem, aber nicht ausschließlich, Optionen, Terminkontrakte, Swaps und Differenzgeschäfte ebenso wie lediglich in Geld zu erfüllende Derivate meldepflichtig sein. Die genaue Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Regelungen soll der Praxis überlassen bleiben. Auf europäischer Ebene hat die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) am 22. Oktober eine Liste mit meldepflichtigen Instrumenten veröffentlicht; diese Liste soll regelmäßig aktualisiert werden. Außerdem hat die BaFin am 28. Oktober zum Gesetz Fragen und Antworten veröffentlicht und darin Angaben zu meldepflichtigen Instrumenten gemacht; in den dort nicht genannten Fällen soll nach Auskunft der BaFin künftig jeweils eine Einzelfallabstimmung erfolgen.Es bleibt insofern also bis auf Weiteres bei der schon bisher zu konstatierenden Rechtsunsicherheit. Das wiegt umso schwerer, als es zukünftig bei einem Verstoß gegen Meldepflichten wegen des Haltens von Instrumenten zu einem umfassenden Rechtsverlust kommt, der sich auf alle Aktien an demselben Emittenten erstreckt, die der Meldepflichtige neben den Instrumenten hält, selbst wenn er für diese seine Meldepflichten ordnungsgemäß erfüllt hat (sogenannte Infizierung).Obwohl europarechtlich nicht geboten, wird der Kreis der Zurechnungstatbestände, die einen Rechtsverlust aus betroffenen Aktien zur Folge haben können, deutlich ausgeweitet. War der Rechtsverlust betreffend Aktien, aus denen Stimmrechte zugerechnet werden, bislang auf Aktien beschränkt, die einem Tochterunternehmen des Meldepflichtigen gehören oder für seine Rechnung von einem Dritten gehalten werden, werden zukünftig alle Zurechnungstatbestände umfasst, unabhängig davon, ob der Meldepflichtige die Veränderung der ihm zuzurechnenden Aktienzahl kontrollieren kann oder nicht. Das bedeutet etwa bei einer Zurechnung kraft “acting in concert”, dass relevante Zuerwerbe von Aktien oder Finanzinstrumenten durch einen der abgestimmt Handelnden auch alle Aktien der weiteren Beteiligten infiziert, ganz unabhängig davon, ob diese hiervon auch nur Kenntnis haben oder hätten haben können, geschweige denn davon, ob sie die Veränderung hätten verhindern können.Zumal vor dem Hintergrund der offenen gesetzlichen Formulierung zu Instrumenten verdient dies Kritik. Noch häufiger als schon bisher wird sich zukünftig nämlich die Frage stellen, wie mit möglichen Rechtsverlusten bei der Durchführung von Hauptversammlungen umzugehen ist. Denn ob und wie lange etwa das Stimmrecht aus Aktien ruht, hängt zukünftig mehr denn je von der Erfüllung von Sachverhalten ab, die dem Emittenten und insbesondere auch dem Hauptversammlungsleiter regelmäßig nicht bekannt und während einer Hauptversammlung auch kaum verlässlich verifizierbar sind. HV-RisikenDie misslichen Konsequenzen für die Bestandskraft von Hauptversammlungsbeschlüssen liegen auf der Hand. Mehr noch als schon bisher läuft der Versammlungsleiter das Risiko, ausgeübte, tatsächlich aber ruhende Stimmrechte bei der Beschlussfassung zu Unrecht zu berücksichtigen, oder aber umgekehrt bestehende Stimmrechte fälschlich von der Beteiligung bei der Abstimmung auszuschließen.Verstöße gegen Meldepflichten sind künftig deutlich schärfer sanktioniert. Der Bußgeldrahmen wird für juristische Personen auf bis zu 10 Mill. Euro oder 5 % des Gesamtumsatzes des vorausgegangenen Geschäftsjahrs erweitert, wobei im Konzern auf den konzernweiten Umsatz abzustellen ist. Eine weitere Erhöhung bis zum Zweifachen des aus dem Verstoß resultierenden wirtschaftlichen Vorteils, der die erzielten Gewinne und vermiedenen Verluste umfassen soll, ist möglich. Ihre Entscheidungen bei Verstößen hat die BaFin künftig unverzüglich auf ihrer Homepage zu veröffentlichen. Dieses sogenannte Naming und Shaming wird also, wenn der Betroffene gerichtliche Hilfe in Anspruch nimmt, gegebenenfalls schon vor Eintritt der Rechtskraft erfolgen; eine beachtliche, rechtsstaatlich bedenkliche Erosion der Unschuldsvermutung.Kommt es aufgrund einer Kapitalerhöhung oder -herabsetzung zu einer Veränderung der Gesamtzahl der Stimmrechte, ist dies nicht mehr wie bisher am Ende des jeweiligen Kalendermonats durch den Emittenten zu veröffentlichen, sondern unverzüglich, spätestens innerhalb von zwei Handelstagen nach Wirksamwerden der Maßnahme durch Eintragung im Handelsregister. Ein Abwarten des Emittenten bis zur Bekanntmachung der Eintragung durch das Handelsregister oder den Empfang einer entsprechenden Benachrichtigung ist nicht mehr zulässig.Die Anforderungen an die Kapitalmarktteilnehmer, namentlich an die Inhaber relevanter Beteiligungen, steigen beachtlich. Ob sich damit ein Zugewinn an Transparenz verbinden wird, darf bezweifelt werden. Insofern begrüßenswert ist immerhin, dass das Gesetz fortan Konzernmeldungen anerkennt, die es Mutterunternehmen ermöglichen, mit ihrer Stimmrechtsmeldung die Mitteilungspflichten zugleich auch für ihre Konzernunternehmen zu erfüllen.—-*) Dr. Hans-Christoph Ihrig ist Partner und Dr. Katharina Stüber ist Senior Associate bei Allen & Overy.