IM BLICKFELD

Kartellrechtlich startet Bayer nicht aus der Poleposition

Von Annette Becker, Düsseldorf Börsen-Zeitung, 29.9.2016 Nach gut vier Monaten hat Bayer die Zustimmung der Monsanto-Führung zur Übernahme des US-Saatgutherstellers errungen. Damit allerdings ist erst der erste und womöglich kleinste Schritt im...

Kartellrechtlich startet Bayer nicht aus der Poleposition

Von Annette Becker, DüsseldorfNach gut vier Monaten hat Bayer die Zustimmung der Monsanto-Führung zur Übernahme des US-Saatgutherstellers errungen. Damit allerdings ist erst der erste und womöglich kleinste Schritt im ambitionierten Übernahmeprojekt getan. Die wahre Herausforderung stellt die kartellrechtliche Freigabe des Zusammenschlusses zum weltgrößten Agrochemiekonzern dar.Das ist alles andere als ein Selbstläufer, wie auch der Blick auf den Aktienkurs von Monsanto verrät. Aktuell notiert die Aktie des Glyphosatherstellers bei gut 102 Dollar. Angesichts eines Übernahmeangebots von 128 Dollar ist also noch reichlich Luft nach oben. Immerhin steht das Monsanto-Management in der Pflicht, die Mehrheit in der Hauptversammlung zu beschaffen. Sollte die Übernahme nämlich an mangelnder Zustimmung der Aktionäre scheitern, winkt Bayer eine kleine Kompensationszahlung von bis zu 150 Mill. Dollar.Das ist allerdings nur ein Randaspekt. Viel entscheidender ist, dass Kartellbehörden aus etwa 30 Jurisdiktionen grünes Licht geben müssen. Deshalb wird der Vollzug der Transaktion auch erst für Ende kommenden Jahres erwartet. Erschwert wird die kartellrechtliche Freigabe dadurch, dass sich Bayer und Monsanto zum mit Abstand größten Anbieter von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln zusammenschließen. Sie bringen es auf einen kombinierten Umsatz von 23 Mrd. Euro (2015), auf Platz 2 folgt Syngenta/Chemchina mit knapp 15 Mrd. Euro. Als zusätzliche Hürde ist die laufende Konsolidierung in der weltweiten Agroindustrie anzusehen, die das bestehende Oligopol aus sechs Anbietern auf nur noch vier verengt, die einen Marktanteil von drei Vierteln auf sich vereinen.Von daher hängt die Freigabe nicht zuletzt auch davon ab, welche Marktkonstellation in den Untersuchungen zugrunde gelegt wird. Dow Chemical und DuPont, aus deren Zusammenschluss und anschließender Aufteilung unter anderem das weltweit drittgrößte Agrochemieunternehmen mit einem Jahresumsatz von 14,6 Mrd. Euro entstehen soll, haben ihren Zusammenschluss als Erste angemeldet und starten somit aus der Poleposition, wie Juliane Scholl, Geschäftsführerin der Monopolkommission, sagt. Dow/DuPont waren schnellerDas gilt zumindest für das Kartellverfahren in der Europäischen Union (EU), in der die Wettbewerbsbehörde Verfahren strikt nach dem Anmeldedatum abarbeitet. Konkret wird also im Fall Dow/DuPont ein Markt mit vier weiteren Großanbietern untersucht, während im Fall Bayer/Monsanto nur noch drei große Mitbewerber am Start sind. In den USA wird dagegen eine simultane Prüfung paralleler Fusionsvorhaben praktiziert. “Während die Prüfung streng nach zeitlichem Eingang der Fusionsanmeldung den Aspekt der Rechtssicherheit betont, gilt eine Prüfung auf Basis der neuen Machtverhältnisse als sachnähere Herangehensweise”, verdeutlicht Markus Wirtz, Partner der auf Kartellrecht spezialisierten Kanzlei Glade Michel Wirtz, den Unterschied. MarktabschottungZwar werden Bayer und Monsanto nicht müde zu betonen, dass sich ihre Produktpaletten kaum überschneiden. Doch gibt es eben auch Nutzpflanzen, bei denen es die beiden Unternehmen in manchen Ländern künftig auf eine marktdominierende Position bringen. Insbesondere bei Baumwolle und Raps lässt der geplante Zusammenschluss ärgste Befürchtungen aufkommen. So taxieren die Analysten von J.P. Morgan den kombinierten Marktanteil bei Baumwollesaatgut in Nordamerika auf 65 %, in Kanada liegt der kombinierte Marktanteil für Rapssaatgut sogar bei 94 %.Neben dem Aspekt der horizontalen Konzentration dürfte der Blick in den anhängigen Kartellverfahren aber auch auf die vertikale Konzentration und damit das integrierte Produktangebot – vom Saatgut über Traits (Pflanzeneigenschaften) bis hin zu Pflanzenschutzmitteln – gelenkt werden. Also genau auf den Punkt, mit dem Bayer bei den eigenen Anteilseignern für die Übernahme warb.Letztlich könnte sich dieses Argument als Bumerang erweisen, herrscht unter den Wettbewerbshütern doch Einigkeit, dass der Markt durch integrierte Angebote aus einer Hand noch weiter abgeschottet wird. “Schon zur Jahrtausendwende, als BASF das Pflanzenschutzgeschäft von American Home Products kaufte und Bayer Aventis Cropscience, stellten die Kartellbehörden hohe Markteintrittsbarrieren fest, dennoch akzeptierten sie den Zusammenschluss”, gibt Wirtz zu bedenken. Da die Hürden für neue Wettbewerber mit der fortschreitenden Konsolidierung noch einmal höher werden, kommt dem Wettbewerb unter den verbliebenen Anbietern also eine noch größere Bedeutung zu.Erst kürzlich brachte US-Senator Chuck Grassley in einer Senatsanhörung zur Konsolidierung in der Agroindustrie seine Bedenken auf den Punkt. Während die Konsolidierung in der Branche seit 1990 bahnbrechende Innovationen hervorgebracht und zu signifikant steigenden Ernteerträgen beigetragen habe, sei jetzt womöglich der Scheitelpunkt erreicht, ab dem eine weitere Konsolidierung zu weniger Innovation, weniger Produktvielfalt und letztlich zu steigenden Preisen für Landwirte und Verbraucher führen könnte, gab Grassley zu Protokoll.Widerstand formiert sich aber auch diesseits des Atlantiks. Dabei machten zuletzt nicht nur EU-Parlamentarier ihrem Unmut Luft, sondern auch Bürgerinitiativen und Bauernverbände gingen auf die Straße. “Der öffentliche Aufschrei wird die EU-Wettbewerbsbehörde nicht in ihrer Entscheidung beeinflussen, wohl aber hinsichtlich der Sorgfalt, die bei der Prüfung an den Tag gelegt wird”, ist Wirtz überzeugt. Vertiefte PrüfungWenngleich Bayer das Fusionsvorhaben noch gar nicht bei der EU-Wettbewerbsbehörde angemeldet hat, so scheint eine vertiefte Prüfung unausweichlich. Schon im August kündigte die EU-Kommission im Fall Dow/DuPont die vertiefte Prüfung an und dieses Verfahren gilt als Blaupause für Bayer/Monsanto. “Zu einer Untersagung des Zusammenschlusses wird es nach meiner Einschätzung nur kommen, wenn die Unternehmen keine Zugeständnisse machen, die die Bedenken ausräumen”, sagt Wirtz und verweist dabei auf die Pönale von 2 Mrd. Dollar, die Bayer droht, sollte der Deal an Kartellfragen scheitern.Ganz ohne Auflagen, das ist aber auch Bayer-Chef Werner Baumann klar, wird die Übernahme nicht durchgewunken. Er kalkuliert mit Desinvestitionen, die einen Umsatz von maximal 1,6 Mrd. Dollar betreffen. Sollte es mehr werden, darf Bayer gemäß der mit Monsanto getroffenen Vereinbarung von der Übernahme zurücktreten. Das letzte Wort dürfte das jedoch nicht sein.