Keine Mehrheit für Glyphosatverlängerung
Keine Einigung zu Glyphosatzulassung
EU-Ausschuss verfehlt qualifizierte Mehrheit – Berufungsausschuss als Nächstes an der Reihe
ab Düsseldorf
Die Länder der Europäischen Union sind am Freitag zu keiner Einigung für die erneute Zulassung des umstrittenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat gekommen. Im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (SCoPAFF), in dem die 27 EU-Mitgliedstaaten vertreten sind, kam keine qualifizierte Mehrheit für die von der EU-Kommission vorgeschlagene Zulassungsverlängerung um zehn Jahre zustande. Der Vorschlag der Kommission fußte auf der wissenschaftlichen Bewertung des Herbizids durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA).
Zwar stimmten 18 Mitgliedstaaten für den Vorschlag und mit Österreich, Kroatien und Luxemburg nur drei Länder dagegen. Doch da die Befürworter der Zulassungserneuerung nur 55% der EU-Bevölkerung repräsentieren, wurde die erforderliche qualifizierte Mehrheit verfehlt. Für diese ist ein Votum von mindestens 15 Ländern erforderlich. Zugleich müssen in diesen Staaten mindestens 65% der EU-Bevölkerung leben.
Deutschland und Frankreich enthalten sich
Mit Deutschland und Frankreich enthielten sich gleich zwei bevölkerungsreiche Flächenländer, die praktisch das Zünglein an der Waage spielen könnten. Daneben stehen Belgien, Bulgarien, Malta und die Niederlande auf der Seite der Unentschlossenen. Die Gegner einer Zulassungsverlängerung repräsentieren dagegen nur 3% der EU-Bevölkerung.
Mit dem SCoPAFF-Votum ist die erneute Zulassung aber keineswegs vom Tisch. Als Nächstes befasst sich ein Berufungsausschuss mit dem Thema. Nach Kommissionsangaben soll der Ausschuss in der ersten Novemberhälfte über den EU-Vorschlag abstimmen. Sollte auch dann die erforderliche Mehrheit verfehlt werden, kann die EU-Kommission eigenmächtig entscheiden und wird dann wahrscheinlich ihrem eigenen Vorschlag folgen.
Sorge um Biodiversität
Scheitern kann die Zulassungsverlängerung nur dann, wenn sich der Berufungsausschuss mit qualifizierter Mehrheit gegen den Vorschlag ausspricht. Das gilt jedoch angesichts des Abstimmungsergebnisses von Freitag als äußerst unwahrscheinlich. Eine finale Entscheidung muss bis 14. Dezember getroffen werden, läuft die aktuelle Zulassung für das Breitbandherbizid, das seit fast 50 Jahren vermarktet wird, doch am 15. Dezember aus.
Das Pflanzenschutzmittel ist umstritten, da seine Folgen für die Biodiversität wissenschaftlich nicht geklärt sind. Ein Punkt, auf den sich der deutsche Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) zur Begründung seiner ablehnenden Haltung beruft: „Solange nicht ausgeschlossen werden kann, dass Glyphosat der Biodiversität schadet, sollte sie (die EU-Kommission) keine Wiedergenehmigung von Glyphosat zulasten der Artenvielfalt durchsetzen.“
Ampel gespalten
Im Ausschuss allerdings stimmte Deutschland mit Enthaltung, da sich die Ampel-Regierung im Koalitionsvertrag darauf verständigt hat, sich bei Abstimmungen in der EU der Stimme zu enthalten, wenn sich die drei Koalitionäre nicht auf eine gemeinsame Haltung verständigen können. Umgekehrt ist im Koalitionsvertrag allerdings auch festgeschrieben, dass Glyphosat von 2024 an in Deutschland verboten werden soll. Damit ist rechtlicher Stress programmiert, denn die EU-Mitgliedstaaten sind in diesem Punkt an die EU-Vorgabe gebunden.
„Das Abstimmungsergebnis zeigt, dass es möglich ist, in Europa Mehrheiten auf der Grundlage einer wissenschaftlichen Bewertung durch die nationalen und europäischen Behörden zu erreichen“, interpretiert der Glyphosathersteller Bayer das Ergebnis auf ganz eigene Weise. Man bleibe zuversichtlich, dass im nächsten Schritt des Genehmigungsprozesses eine qualifizierte Mehrheit zustande komme.
Für eine erneute Zulassung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat in der EU ist am Freitag keine qualifizierte Mehrheit zustande gekommen. Das letzte Wort ist damit jedoch noch nicht gesprochen. In der ersten Novemberhälfte ist nun ein Berufungsausschuss am Zug, der über den EU-Vorschlag abstimmt.