Knapp 1 Mrd. Dollar für Gorillas
hek Frankfurt
Der Einstieg von Delivery Hero beim Lebensmittel-Bringdienst Gorillas ist unter Dach und Fach. Der im Dax vertretene Konzern beteiligt sich mit 8% an dem im Mai 2020 von CEO Kagan Sümer gegründeten Berliner Start-up. Die Finanzierungsrunde bewerte Gorillas mit 2,1 Mrd. Dollar vor Mittelzuführung, teilt Delivery Hero mit. Insgesamt fließen dem hochdefizitären Schnelldienst, der Lebensmittellieferungen binnen zehn Minuten verspricht, fast 1 Mrd. Dollar zu.
Über die Finanzierungsrunde bei Gorillas wurde seit Monaten verhandelt. Delivery Hero investiert nach eigenen Angaben 235 Mill. Dollar oder umgerechnet 200 Mill. Euro. Der Betrag entspricht dem bisher verfügbaren Kenntnisstand. Bereits Ende August war bekannt geworden, dass der Dax-Konzern vor einem Einstieg bei Gorillas steht und zunächst rund 200 Mill. Euro investieren wolle. Außerdem beteiligen sich Altinvestoren wie Coatue Management, DST Global, Atlantic Food Labs, Greenoaks und der chinesische Internetkonzern Tencent sowie weitere neue Geldgeber, darunter Macquarie Capital, an der von Delivery Hero angeführten Finanzierungsrunde.
Gorillas braucht frisches Geld, da in rasantem Tempo neue Lagerhäuser aufgebaut werden und das operative Geschäft tiefrote Zahlen einfährt. Analyst Clément Genelot von der Investmentbank Bryan Garnier hat die Verluste vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen unlängst auf 40 bis 50% des Umsatzes veranschlagt.
Laut Gorillas handelt es sich um die größte Finanzierungsrunde eines nichtbörsennotierten Unternehmens der europäischen Lieferdienstbranche. Die letzte Geldbeschaffung im März, die vom Altinvestor Coatue angeführt wurde, belief sich auf 290 Mill. Dollar. Damals rühmte sich Gorillas, unter Europas Start-ups am schnellsten Einhorn-Status – also eine Bewertung von mehr als 1 Mrd. Dollar – erreicht zu haben. Nach dem jüngsten Mittelzufluss liegt die Bewertung bei 2,9 Mrd. Dollar, was einer Verdreifachung im Vergleich zur März-Finanzierungsrunde gleichkommt.
Hohe Kundenbindung
Delivery-Hero-Chef Niklas Östberg begründet den Einstieg mit der „herausragenden Kundenorientierung“, Gorillas habe die höchsten Kundenbindungsraten, „die wir in der Branche gesehen haben“. Das monatliche Umsatzwachstum sei kontinuierlich zweistellig, der Jahresumsatz liege inzwischen bei mehr als 300 Mill. Dollar (Run Rate). In den vergangenen sechs Monaten habe das Start-up 4,5 Millionen Bestellungen ausgeliefert. Vor dem Einstieg hatte sich Östberg allerdings mehrfach skeptisch zu Gorillas geäußert und öffentlich versichert, dass ein Engagement bei dem Konkurrenten keinen Mehrwert bringe.
Die in Berlin ansässige Gorillas operiert in 55 Städten in neun Ländern – darunter Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Großbritannien und die USA –, verfügt über ein Netz von 180 Lagerhäusern und beschäftigt nach eigenen Angaben 11000 Mitarbeiter. Die Rider sind unter anderem in Berlin, London, Paris, New York, Mailand und München unterwegs.
„Diese Investition untermauert unsere globalen Ambitionen“, sagt CEO Sümer. Die Höhe der Finanzierungsrunde unterstreiche das enorme Marktpotenzial. Mit Delivery Hero habe man einen starken strategischen Unterstützer gefunden. Die Einnahmen will Gorillas in Technologie, Marketing und den Ausbau der Präsenz in bestehenden Märkten und der Infrastruktur stecken. Zuletzt machte die Firma Schlagzeilen, als nach einem wilden Streik in Berlin zahlreiche Fahrer entlassen wurden.
Rückkehr nach Deutschland
Neben dem angestammten Geschäft mit Restaurantessen baut Delivery Hero ein eigenes Geschäft mit der Auslieferung von Artikeln des täglichen Bedarfs wie Lebensmitteln auf. Unter der Marke Foodpanda kehrt der Konzern gerade auf den deutschen Markt zurück.
Ungeachtet der nach wie vor hohen operativen Verluste steckt der Dax-Konzern viel Geld in Übernahmen und Beteiligungen an anderen Branchenplayern. Zuletzt wurde das Geschäft in Mittelamerika und der Karibik mit der Akquisition des Kerngeschäfts von Hugo ausgebaut.
Markt umkämpft
Zudem verfügen die Berliner über einen Strauß an Minderheitsbeteiligungen, der nun um Gorillas erweitert wird. Im Sommer war Delivery Hero zum Beispiel beim britischen Konkurrenten Deliveroo eingestiegen. Den Wert der Minderheitsbeteiligungen hat Delivery Hero im August auf 2,3 Mrd. Euro beziffert (ohne Gorillas). Mit den Investments verbindet der Konzern laut Östberg nicht allein finanzielle Motive, sondern stets auch strategische Elemente. Die Beteiligungen ermöglichen es, den Einflussbereich auszuweiten, was laut Genelot in einem von starkem Wettbewerb und Akquisitionswellen geprägten Umfeld von entscheidender Bedeutung sei.
Der Markt für schnelle Lebensmittellieferungen boomt, ist aber hart umkämpft, da Risikokapitalgeber Milliarden in diverse Jungfirmen stecken, die dann um Kunden buhlen. Ohnehin ist das Geschäft im Wesentlichen auf Großstädte beschränkt. Beim Gorillas-Konkurrenten Flink steigt Insidern zufolge der US-Essenslieferant Doordash ein, der zuvor ein Engagement bei Gorillas erwogen hatte. Die Verhandlungen hatten sich aber zerschlagen.