Konsumindustrie weist zu hohes organisches Wachstum aus

Deutsche Bank: Danone, Anheuser-Busch Inbev oder Nestlé berücksichtigen nicht Hyperinflation und Abwertung in Südamerika

Konsumindustrie weist zu hohes organisches Wachstum aus

md Frankfurt – Viele große europäische Konsumgüterhersteller – etwa Danone, Anheuser-Busch Inbev und Nestlé – haben für das erste Halbjahr ein zu hohes organisches Wachstum ausgewiesen. Zu diesem Schluss kommt die Deutsche Bank in einer Studie, die die überraschend starke Wirkung von Hyperinflation und Abwertung der Landeswährungen in Argentinien und Venezuela auf die Konzernergebnisse aufzeigt.Die auf Basis vergleichbarer Bedingungen zustande gekommene Wachstumsrate ist einer der wichtigsten Ansatzpunkte für die Bewertung nichtzyklischer Konsumgüterkonzerne – also zum Beispiel Nahrungsmittelproduzenten, Getränkehersteller und Anbieter von Haushaltsartikeln oder Kosmetik. In einer Studie geht die Deutsche Bank der Frage nach, inwieweit die Berücksichtigung von Hyperinflation und/oder einer starken Abwertung – als konkrete Fälle wurden Argentinien und Venezuela gewählt – die ausgewiesenen konzernweiten Wachstumsraten großer europäischer Unternehmen verändert. Die Analysten kommen bei einigen Firmen zu dramatischen Ergebnissen. Kleine Märkte, große WirkungSo wies Danone für das erste Halbjahr ein organisches Umsatzwachstum von 2,2 % aus (siehe Tabelle). Bezieht man die Folgen von Inflation und Abwertung mit ein, ergibt sich laut der Studie nur noch ein dünnes Plus von 0,2 % für den französischen Anbieter von Joghurt, Babynahrung und Mineralwasser (Actimel, Activia, Fruchtzwerge, Obstgarten, Milupa, Evian, Volvic); das ist ein Unterschied von 200 Basispunkten (BP)! Die Analysten werfen die Frage auf, wie unter diesen Umständen noch das für 2014 angepeilte organische Wachstum von 4,5 % bis 5,5 % erreicht werden soll. Kaum besser sieht es bei Anheuser-Busch Inbev aus: Beim weltgrößten Brauereikonzern (Budweiser, Beck’s, Franziskaner, Hasseröder) reduziert sich das interne Wachstum um 190 BP auf 4,9 %. Beiersdorf vorbildlichDie “Schreckgespenster” Hyperinflation bzw. Entwertung der Landeswährung dürften nicht unterschätzt werden, betont die Deutsche Bank, nur weil Argentinien und Venezuela relativ kleine Märkte seien. Die Abwertungen von Peso und Bolivar seien signifikant gewesen und die Wirkung auf den vergleichbaren Umsatz der Konzerne beachtlich. Für Danone, Pernod Ricard, Diageo und Nestlé habe die Untersuchung die bedeutsamsten Konsequenzen. Ein gutes Zeugnis wird dagegen Beiersdorf ausgestellt. Die Behandlung der Inflation und Abwertung in den beiden südamerikanischen Ländern durch den Hersteller von Reinigungs- und Pflegeprodukten (Nivea), Klebebändern (Tesa), Kosmetikartikeln (Labello) und Hautpflaster (Hansaplast) in der Konzernbilanz wird den anderen Firmen sogar zur Nachahmung empfohlen. Beiersdorf habe das “Wachstum” in diesen beiden Ländern nicht in den Bilanzausweis aufgenommen. Andernfalls hätte das organische Wachstum der Hamburger im ersten Semester dieses Jahres nicht 5,0 %, sondern 5,7 % betragen. Nur eine IllusionVor dem Hintergrund der hohen Inflation in Argentinien und Venezuela erwecke die übliche Form der Bilanzierung den Eindruck starken organischen Wachstums in diesen Ländern. Doch das sei kein organisches Wachstum, heißt es in der Studie, vielmehr zögen die Preise an, um die Inflation auszugleichen. Und durch die Abwertung von Peso und Bolivar sei die Illusion von Wachstum noch verstärkt worden.Die Deutsche-Bank-Analysten betonen, sie seien sich bewusst, dass die konventionelle Berechnung des organischen Wachstums in Perioden hoher Inflation versagt. Damit soll wohl zu verstehen gegeben werden, dass den Konzernen kein böser Wille – sprich: kein bewusst zu hoch angesetztes Wachstum – unterstellt wird. Unterschiedliche FolgenIst die Problematik zu unbedeutend, sind die Beträge, um die es geht, zu gering, als dass man sich damit befassen müsste? Diese rhetorisch gemeinte Frage beantwortet das Research wenig überraschend mit einem Nein. Denn die Bereinigung der Ergebnisse um das “Wachstum” in Argentinien und Venezuela führt dazu, dass die Zuwächse bei einigen Unternehmen regelrecht wegbrechen (Danone). Bei anderen sinkt das organische Plus substanziell (AB Inbev, Unilever), und schließlich gibt es Firmen, deren Erlöse sogar noch stärker schrumpfen als vor der Bereinigung (Pernod Ricard). Spirituosennachfrage sinktDie Analysten heben fünf Unternehmen heraus, die ein relativ hohes Exposure in Argentinien und Venezuela haben und/oder deren ausgewiesene Wachstumsraten verhältnismäßig niedrig sind, so dass eine Anpassung einen überdurchschnittlichen Effekt auf die Zuwachsraten hätte. Neben Danone und Anheuser-Busch Inbev ist dies Pernod Ricard. Beim französischen Spirituosenhersteller (Absolut Vodka, Chivas Regal, Martell) wäre der Umsatz nach der Anpassung im Geschäftsjahr 2013/14 (30. Juni) organisch nicht um 0,4 %, sondern um 1,2 % gesunken. Nur Erzrivale Rémy Cointreau (Rémy Martin, Metaxa) stände mit – 10,9 % noch schlechter da. Und beim britischen Weltmarktführer Diageo (Johnnie Walker, Smirnoff, Baileys) sänke das organische Wachstum in derselben Berichtszeit um 40 BP auf null. Ziele klar verfehltGrundlegende Fragen tun sich bei Nestlé, dem weltgrößten Lebensmittelkonzern, auf. Zu den langfristigen Vorgaben der Schweizer (Maggi, Kitkat, Smarties, Alete, Mövenpick, Nescafé, Vittel) gehört ein organisches Wachstum zwischen 5 % und 6 %. Schon im vergangenen Jahr wurde dieses Ziel mit 4,6 % verfehlt. 2014 scheint das obere Ende der Spanne in so weiter Ferne zu liegen, dass die Sprachregelung seit längerem “rund 5 %” lautet. Ausgewiesen hat Nestlé für das erste Halbjahr ein organisches Plus von 4,7 %. Bereinigt um die Zahlen aus den beiden südamerikanischen Ländern würde die Wachstumsrate auf 4,3 % fallen. Im Gesamtjahr wären dann die “rund 5 %” kaum noch zu erreichen, und auch 2015 dürfte der Zuwachs unter der langfristigen Zielspanne liegen.Im Gegensatz zur gängigen Meinung, wonach die Markenhersteller unter den Konsumgüterproduzenten Preisgestaltungsmacht besitzen, vertreten die Analysten der Deutschen Bank die Ansicht, dass dies – mit Ausnahme der Tabakindustrie – nicht der Fall sei. Daher sei es falsch zu glauben, mittels Preisanhebungen könnten die Unternehmen dem Inflationsdruck in Schwellenländern beikommen. Vielmehr erkenne man die langfristigen Gewinner an steigendem Mengenabsatz und einem gesunden Produktportfolio.