RECHT UND KAPITALMARKT

Konzern-Doppelmandate bergen Fallstricke

Effektive Willensdurchsetzung von der Spitze bis in die Tochtergesellschaften, aber der Rechtsrahmen ist nicht abschließend geklärt

Konzern-Doppelmandate bergen Fallstricke

Von Martin Borning und Jan Wünschmann *)In jedem Konzern steht das konzernleitende Unternehmen vor der Herausforderung, seinen Willen auch in seinen Tochtergesellschaften effektiv durchzusetzen, um eine einheitliche Konzernpolitik zu gewährleisten. Die Frage ist essenziell. Denn die Möglichkeit, diesen Willen anderen rechtlich selbständigen Einheiten aufzuprägen, macht den Konzern im rechtlichen Sinn aus. Einige Rechtsformen, wie diejenige der GmbH, eignen sich besser zur Einflussnahme durch ihre Gesellschafter. Bei der Aktiengesellschaft müssen andere Wege gefunden werden. In Betracht kommt etwa der Abschluss eines Beherrschungsvertrages. Häufig findet sich in Konzernen aber auch ein weicheres Mittel zur Zusammenführung des Konzerninteresses mit den Interessen der Konzernunternehmen: der Einsatz von Doppelmandaten. Gängige PraxisBei Doppelmandaten werden dieselben Personen in den Organen mehrerer Gesellschaften eines Konzerns platziert, regelmäßig innerhalb einer Beteiligungskette. Dies ermöglicht eine effektive Willensdurchsetzung von der Konzernspitze bis in die Tochtergesellschaften. Zudem schont es Personalressourcen und bündelt das Konzernwissen in wenigen Personen. Oft sind die Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer einer Konzernholding in den operativen Gesellschaften unterhalb dieser Holding gleichermaßen Geschäftsführer oder Aufsichtsratsmitglieder. Aber auch die gleichzeitige Wahrnehmung von Aufsichtsratsmandaten in verschiedenen Konzerngesellschaften ist nicht unüblich. In all diesen Konstellationen sind Doppelmandate ein seit Jahrzehnten in der Unternehmenspraxis genutztes Mittel der Konzernsteuerung. Dennoch ist der Rechtsrahmen für das Handeln des Doppelmandatars in einiger Hinsicht bis heute nicht abschließend geklärt. Die hiermit einhergehenden rechtlichen Risiken sind für die Beteiligten unbefriedigend und öffnen Raum für Haftungsfallen. ZustimmungserfordernisseGeschäftsleiter von Unternehmen unterliegen einem strengen Wettbewerbsverbot. Dieses folgt aus der gegenüber ihrer Gesellschaft bestehenden Treuepflicht und ist für Aktiengesellschaften sogar gesetzlich normiert. Das Wettbewerbsverbot soll den vollen Einsatz des Geschäftsleiters für die Geschäftsinteressen der Gesellschaft sichern. Abweichungen hiervon sind nur zulässig, wenn die Bestellungsorgane in beiden betroffenen Gesellschaften die Tätigkeit des Doppelmandatars in der jeweils anderen Gesellschaft ausdrücklich gutheißen. Und zwar noch vor dessen Bestellung in das zweite Mandat.Ein weiterer zu beachtender Punkt ist die Abschlusszuständigkeit des Bestellungsorgans für den Anstellungsvertrag des Vorstandsmitglieds oder des Geschäftsführers. In der Regel werden bei Doppelmandaten innerhalb eines Konzerns nicht mehrere Anstellungsverträge parallel abgeschlossen. Vielmehr gibt es nur einen Anstellungsvertrag auf der Ebene der oberen Konzerngesellschaft. Dieser umfasst dann auch die Tätigkeit in Organen anderer Konzerngesellschaften.Im Hinblick auf diese verbreitete Praxis bestehen jedoch noch eine Reihe ungeklärter Fragen, die sorgfältiger Prüfung und Beratung im Einzelfall bedürfen, um eine praktisch belastbare Gestaltung zu gewährleisten. Jedenfalls soll die Abschlusskompetenz für den Anstellungsvertrag nicht umgangen werden können. Daher wird gefordert, dass das zuständige Bestellungsorgan in der zweiten Gesellschaft einem Anstellungsvertrag, den es nicht selbst abgeschlossen hat, zumindest zustimmen muss.Wie weitreichend die Information über den Anstellungsvertrag zur Einholung dieser Zustimmung sein muss, ist unklar. Hier muss das in der Praxis bestehende Interesse, Anstellungsverträge von Konzernvorstandsmitgliedern nicht in Organen von Tochtergesellschaften offenzulegen, mit den Informationsrechten der Bestellungsorgane in Einklang gebracht werden. Die Bestellungsorgane müssen sicherstellen können, dass durch die fremdvereinbarten Regelungen über die Vergütung oder etwaige Weisungsrechte nicht Anstoßmöglichkeiten zu Maßnahmen geschaffen werden, die nicht im Gesellschaftsinteresse liegen.Bei der Ausübung seiner Doppelmandatsrolle kann der Doppelmandatar in schwierige Situationen geraten und sich mit kollidierenden Interessen konfrontiert sehen. Eine in einer der Konzerngesellschaften sinnvolle Maßnahme, wie die Einrichtung eines konzernweiten Cash-Pools oder die Konzentration des Geschäfts auf bestimmte Märkte, kann den Interessen der anderen Konzerngesellschaft zuwiderlaufen.Der Bundesgerichtshof (BGH) hat bereits 1980 ausgeführt, dass der Doppelmandatar in solchen Fällen grundsätzlich verpflichtet ist, den Interessen derjenigen Gesellschaft den Vorrang einzuräumen, für die er gerade tätig ist. Die Verletzung von Organpflichten in der einen Konzerngesellschaft könne nicht mit der Erfüllung der Organpflichten in der anderen Konzerngesellschaft gerechtfertigt werden. Da die kollidierenden Interessen der Konzerngesellschaften häufig nicht diametral entgegengesetzt sind, stößt die Befolgung dieses Grundsatzes in ihrer Absolutheit an Grenzen.Daher wird in der Praxis von den Doppelmandataren gefordert, die Pflichten und Interessen ihrer jeweiligen Mandate weitestgehend in Einklang zu bringen. Erst wo dies nicht gelingt, sind im Einzelfall Konsequenzen wie Stimmverbote, Stimmenthaltungen bei Abstimmungen oder das Unterlassen von Geschäftsführungsmaßnahmen denkbar. Bei dauerhaften nicht auflösbaren Interessenkonflikten kann im Extremfall sogar die Amtsniederlegung angezeigt sein. Frage der HaftungNicht abschließend geklärt ist, inwieweit bei einer schädigenden Maßnahme durch einen Doppelmandatar auf der Ebene einer unteren Konzerngesellschaft auch die obere Konzerngesellschaft, in welcher der Doppelmandatar Mitglied des Vorstands oder der Geschäftsführung ist, für den Schaden haftet. Der Bundesgerichtshof hat es zwar grundsätzlich abgelehnt, das schädigende Verhalten eines Doppelmandatars der oberen Konzerngesellschaft zuzurechnen. Nichtsdestotrotz kann sich im Einzelfall insbesondere im faktischen Konzern – also zwischen Unternehmen, die nicht durch einen Beherrschungsvertrag verbunden sind – eine Haftung der oberen Konzerngesellschaft ergeben. Die dafür erforderliche Veranlassung zu einer schädigenden Maßnahme ohne Nachteilsausgleich durch die obere Konzerngesellschaft wird grundsätzlich bejaht, wenn der Doppelmandatar den Schaden aufgrund einer Pflichtenkollision mit den Organpflichten aus der oberen Konzerngesellschaft herbeigeführt hat.Stark diskutiert wird schließlich auch, inwieweit Wissen, das der Doppelmandatar in einer Gesellschaft erlangt, auch der anderen Gesellschaft, für die er tätig ist, zugerechnet werden kann. Die Relevanz dieser Frage ist vielfältig. Sie stellt sich etwa bei der Begründung von Pflichtverletzungen durch die Gesellschaft, der Verjährung von Ansprüchen ab deren Kenntnis oder im Zusammenhang mit Ad-hoc-Mitteilungspflichten bei börsennotierten Gesellschaften. Hier wird die Wissenszurechnung in der Praxis vor allem “von unten nach oben” diskutiert. Eine Grenze bilden dabei Verschwiegenheitspflichten: Wissen, das nicht weitergegeben werden darf, darf der Doppelmandatar im Rahmen seiner Tätigkeit für die jeweils andere Gesellschaft nicht verwenden, und es kann dieser auch nicht zugerechnet werden.Für Wissen aus einem Aufsichtsratsmandat hat der Bundesgerichtshof die Verschwiegenheitspflicht als absolut bezeichnet. Inwieweit Vorstandsmitglieder Geschäftsgeheimnisse im Konzern weitergeben dürfen, wenn kein Beherrschungsvertrag mit der Gesellschaft besteht, ist hingegen noch nicht abschließend geklärt.Trotz gängiger Praxis ist das rechtliche Umfeld von Doppelmandaten somit in einigen wichtigen Punkten noch unscharf. Bis zu einer (auch höchstrichterlichen) Klärung der noch offenen Rechtsfragen sollten daher sowohl die Personen, die Doppelmandate ausüben, als auch die betroffenen Gesellschaften im Einzelfall prüfen und sich gegebenenfalls beraten lassen, wie der Rechtsrahmen für alle Beteiligten belastbar ausgestaltet werden kann.—-*) Dr. Martin Borning und Dr. Jan Wünschmann sind Rechtsanwälte bei Linklaters in Berlin.