Konzerne verschmerzen niedrigere Zinserträge

Deutsche Unternehmen sparen 82 Mrd. Euro durch günstige Kredite - 50 Mrd. Euro an Einkünften gehen bis 2016 durch die Lappen

Konzerne verschmerzen niedrigere Zinserträge

Niedrige Zinsen drücken auf die Finanzergebnisse deutscher Unternehmen, wenn sie ihre liquiden Mittel anlegen. Doch der Entlastungseffekt in der Aufnahme von Krediten zur Refinanzierung übertrifft dies deutlich, so dass die Unternehmen per saldo von niedrigen Zinsen profitieren.wb Frankfurt – Deutsche Unternehmen sind die Nutznießer der infolge der Finanzkrise niedrigen Zinsen. Sie haben seit Ausbruch der Krise im September 2008 rund 12,2 Mrd. Euro gespart, indem sie auslaufende Bankkredite durch günstigere Neudarlehen ablösten. Bis Ende 2016 wird die kumulierte Ersparnis voraussichtlich auf 55 Mrd. Euro steigen, schätzt die auf Finanzierungsthemen spezialisierte Barkow Consulting.Unter Berücksichtigung weiterer Verbindlichkeiten wie Anleihen, Kredite von Versicherungen oder in Fremdwährung falle die Gesamtersparnis noch einmal signifikant höher aus. Barkow schätzt, dass die Gesamtersparnis bis 2016 dementsprechend sogar auf etwa 82 Mrd. Euro steigen könnte.Auf der anderen Seite gehen Unternehmen hohe Beträge aus Anlagen durch die Lappen. Den kumulierten Zinsverlust seit 2008 schätzen die Experten auf 50 Mrd. Euro bis Ende 2016. Zinsverluste aus Anlagen in festverzinslichen Wertpapieren sind hierbei aber nicht berücksichtigt. Per saldo zeigt sich, dass die Konzerne damit die Profiteure der Niedrigzinspolitik der Notenbanken sind. Die Prognosen beinhalten die jüngste Zinsentwicklung, unterstellen darüber hinaus ein künftig unverändertes Zinsumfeld sowie konstante Margenaufschläge und Einlagenzinsen der Banken. Weniger ist mehrDer durchschnittliche Zins von Tages- und Festgeldern lag zur Zeit der Lehman-Pleite laut Barkow Consulting bei 3,36 % und damit auf dem höchsten Stand seit Anfang 2003. In den drei Jahren vor Ausbruch der Finanzkrise lag der entsprechende Zins bei 2,63 %. Der Durchschnittsanlagezins seit September 2008 sei auf derzeit 0,37 % gesunken. Bei unverändertem Zinsumfeld sei ein weiterer Rückgang auf 0,26 % zu erwarten, da noch höher verzinste Festgelder sukzessive ausliefen.Gleichzeitig sei das Volumen von Tages- und Festgeldern deutscher Unternehmen um 26 % auf den historischen Höchststand von 418 Mrd. Euro geklettert. Das Wachstum betrage derzeit 4 % p. a., während der Bestand an Unternehmenskrediten sogar sinke. Trotz des Anstiegs des Geldanlagevolumens führe das stark reduzierte Zinsniveau zu einem signifikanten Rückgang der Zinserträge. Betrugen die volumenbereinigten jährlichen Zinseinkünfte demnach in den drei Jahren vor der Krise 8,7 Mrd. Euro, so machten sie derzeit lediglich 1,5 Mrd. Euro aus.Gleichzeitig sei aber zu beachten, dass Unternehmen mit der Aufnahme günstigerer Darlehen die Finanzergebnisse entlasteten. Von September 2008 bis Ende 2016 kompensiere der Effekt günstiger Kredite den zurückgehenden Zinsertrag und führe zu einem kumulierten positiven Nettoeffekt von 32 Mrd. Euro.Dieser Nettoeffekt habe sich im Juni vergangenen Jahres erstmals ins Positive gedreht und betrage derzeit etwa 6,7 Mrd. Euro p. a. Ende 2016 werde dies das addierte Finanzergebnis um 17,6 Mrd. Euro p. a. entlasten. Die Analyse von Barkow unterstellt eine komplette Absicherung variabel verzinster Kredite. Sinke die Hedgingquote im Analysemodell auf 90 %, ergebe sich für Ende 2016 eine um 2,7 Mrd. Euro höhere Nettoentlastung von 20,3 Mrd. Euro.Die historisch hohen Barmittelbestände deutscher Unternehmen stellten eine erhebliche Ineffizienz in der Finanzierungsstruktur dar. Es bestehe die Gefahr, dass diese Mittel auf der Jagd nach Rendite in Anlagen mit signifikant höherem Risiko gesteckt werden. Sollte sich die Finanzkrise wieder verschärfen, könnte dies zu erheblichen Belastungen aus Wertrückgängen führen. Bond statt BankEine risikoärmere und effizientere Verwendung der hohen Kassenstände wäre nach Einschätzung von Barkow Consulting eine vorsichtige Teilrückführung auslaufender Bankkredite. Sollte ein Fünftel der derzeitigen “Kriegskasse” derart genutzt werden, könnten mittelfristig zusätzliche Finanzerträge von 2,1 Mrd. Euro p. a. generiert werden.Anleihen bleiben auch 2014 nach Einschätzung der Ratingagentur Moody’s wegen der niedrigen Zinsen ein beliebtes Finanzierungsmittel der deutschen Industrie. Das Emissionsvolumen werde 2013 leicht sinken, soll im nächsten Jahr aber wieder anziehen. In den ersten neun Monaten lag das Bondvolumen bei 55 (i.V. 57) Mrd. Euro. Dennoch liege die Summe immer noch deutlich über den Volumina früherer Jahre. Zwischen 2014 und 2017 würden Anleihen im Wert von mehr als 160 Mrd. Euro fällig, jährlich rund 42,3 Mrd. Euro, nach 37,6 Mrd. Euro 2012. Dies lässt darauf schließen, dass in den nächsten Jahren mehr Anleihen begeben werden müssen, um fällige Papiere zurückzuzahlen.In den nächsten vier Jahren werden laut Moody’s zudem Bankverbindlichkeiten von 63 Mrd. Euro fällig, die teils mit Anleihen refinanziert werden dürften. “Gleichwohl könnten steigende Zinsen das Tempo der Emissionstätigkeit verlangsamen.”