Konzerninsolvenzen bleiben mühsam

Einzelverfahren sollen besser koordiniert werden - Kalte Aktionärsenteignung über Insolvenzpläne

Konzerninsolvenzen bleiben mühsam

Die Insolvenz von Konzernen stellt die Praxis vor große Herausforderungen, weil für jede gestrauchelte Einheit ein Verfahren eröffnet werden muss. Die Insolvenzrechtsreform will die Einzelverfahren besser aufeinander abstimmen.m. Hamburg – Das Leitbild einer übertragenden Sanierung hat sich im Insolvenzrecht durchgesetzt. Es setzt aber immer noch auf Einzelverfahren auf und löst bei komplexen Konzerninsolvenzen einen enormen Koordinationsaufwand aus. Das Bundesjustizministerium hat einen Diskussionsentwurf vorgelegt, der die wirtschaftliche Einheit des Konzerns erhalten will, weil dies bessere Verwertungsergebnisse erwarten lässt.Bei Insolvenzen von Konzernen geht es regelmäßig um die Frage, wo die Insolvenzmasse liegt. Die Verteilung sei aber häufig “zufallsbedingt”, so Sven-Holger Undritz, Partner von White & Case, bei einer Vortragsveranstaltung der Bucerius Law School. Ein Cash Pool, hybride Strukturen und vielfältige Darlehensbeziehungen samt Konsortialkonstruktionen erschwerten den Durchblick. “Der, der oben ist, kriegt alles”, sagte Undritz, der als Insolvenzverwalter bei rund 300 Verfahren involviert war. Häufig seien die finanziellen Transaktionen gar nicht mehr nachzuvollziehen. Und wenn man etwas nicht mehr verstehe, diene das angeblich der Steueroptimierung. Zur gängigen Praxis gehöre auch, dass man “zu gewissen Richtern” nicht wolle (Konzerngerichtsstand).Undritz betonte frühes Handeln. Dann sei auch noch eine außergerichtliche Sanierung möglich. Die entscheidenden Weichenstellungen für eine chancenreiche Sanierung fielen bereits im Eröffnungsverfahren. Insolvenz sei immer noch mit einem Stigma verbunden und löse immer noch Dominoeffekte aus, an deren Ende die Zersplitterung drohe.Generell halte der Gesetzgeber auch bei der dritten Stufe seiner Insolvenzrechtsreform an der “rechtlichen Vielheit” bei Konzernen fest. Dahinter stehe der Schutz legitimer Haftungserwartungen der Gläubiger aufgrund des Rechtsträgerprinzips. Entsprechend komme der Koordination der verschiedenen Verfahren – möglichst an einem Gerichtsstand – eine hohe Bedeutung zu. Seit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) stehe die vorläufige Eigenverwaltung als Koordinationsinstrument zur Verfügung.Häufig erfolge eine “personelle Koordination” in der Person des Insolvenzverwalters. Dies beinhalte aber bei einer Vielfalt von Konzerntöchtern “personifizierte Interessenkollisionen”, denen man in Einzelfällen auch heute schon durch die Bestellung eines “Sonderinsolvenzverwalters” begegne.Auch in Konzernen, so Undritz, sei die übertragende Sanierung das Instrument der ersten Wahl. In Betracht komme aber auch ein gruppenweit abgestimmter Insolvenzplan. Der Diskussionsentwurf von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger setze auf flexible Koordinierungsmechanismen und nicht auf Konsolidierungslösungen nach der Art: ein Verfahren, eine Konkursmasse, ein Vergleichsverwalter auf. Das sei, so Undritz, “der richtige Weg zu einem praxistauglichen Konzerninsolvenzrecht”.Als “das Aufregendste” in der gegenwärtigen Debatte nannte Karsten Schmidt, Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmensrecht der Bucerius Law School, dass Insolvenzpläne in Unternehmensverträge eingreifen könnten. Hier sei “der Teufel los”. Um was es gehe, wurde beim Pfleiderer-Verfahren deutlich: Über einen Kapitalschnitt auf null wurden die Altaktionäre komplett ausgebootet. Danach kam es zu einem Debt-to-Equity-Swap, der wegen des Obstruktionsverbots hingenommen werden musste.Als Manko der neuen Regeln empfindet Schmidt die reine Inlandsperspektive. Zum Konzernalltag gehören heute häufig Produktionseinheiten an kostengünstigen Auslandsstandorten. Grenzüberschreitende Unternehmensgruppen würden aber überhaupt nicht erfasst. An dieser Ecke werkelt aber die EU-Kommission, die im Dezember 2012 einen “Insolvenzrechtspakt” mit Vorschlägen zur Änderung der Europäischen Insolvenz-Verordnung vorlegte. Enthalten seien dort aber “nur recht farblose Anstöße für mehr Kreuz-und-quer-Kooperation unter den separaten Verfahren”. Im Übrigen gelte: Nach der Reform ist vor der Reform.