Kreuzfahrten boomen

Elf neue Schiffe nehmen 2016 Dienst auf - 24 Millionen Passagiere erwartet

Kreuzfahrten boomen

Der Boom im Kreuzschifffahrtsmarkt setzt sich auch 2016 fort. Mehr neue Schiffe werden in Dienst gestellt und erhöhen die Kapazitäten. Der weltgrößte Touristikkonzern Tui will in diesem lukrativen Geschäft aufholen.Von Carsten Steevens, HamburgMehr als 660 000 Kreuzfahrtpassagiere werden in diesem Jahr an den drei Kreuzfahrtterminals im Hamburger Hafen erwartet, so viel wie noch nie und 135 000 mehr als im vergangenen Jahr. Das satte Wachstum um ein Viertel erklärt der Terminalbetreiber Cruise Gate Hamburg damit, dass es 2016 mit 160 mehr Anläufe von Schiffen mit größerer Kapazität geben soll als je zuvor. Im Herbst wird mit der mehr als 320 Meter langen “Norwegian Escape” der US-Reederei Norwegian Cruise Line das bis dato größte Kreuzfahrtschiff mit Platz für 4 200 Passagiere in der Elbmetropole erwartet. Die mittelfristigen Wachstumserwartungen der Cruise Gate Hamburg – 2018 soll die Passagierzahl erstmals die Millionenmarke übertreffen – lassen darauf schließen, dass künftig noch größere Kreuzfahrer die Hansestadt erreichen werden.2016 verspricht ein weiteres Rekordjahr für die Kreuzfahrtbranche zu werden, nicht nur in Hamburg. Helge Grammerstorf, für den deutschen Markt zuständiger Direktor beim Branchenverband CLIA, rechnet in diesem Jahr mit einer Zunahme der weltweiten Passagierzahl um etwa 1 Million auf 24 Millionen. Zum Vergleich: Im Jahr 1980, als die Cruise Lines International Association (CLIA) mit ihren Erhebungen begann, wurden global gerade einmal 1,4 Millionen Kreuzfahrtpassagiere gezählt. Deutschland sei in Europa nach wie vor der größte Kreuzfahrtmarkt, sagt Grammerstorf im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Die größte Nachfrage weltweit entfällt auf Nordamerika mit einem Anteil von rund 60 %, gefolgt von Europa mit rund 26 %. Beschleunigtes WachstumDie erwartete Belebung in diesem Jahr führt der 57 Jahre alte Berater und Reedersohn, der als einer der kundigsten Kenner der deutschen Kreuzschifffahrtbranche gilt, auf mehr neue Schiffe zurück, die ihren Dienst aufnehmen. Nach einem Wachstum im einstelligen Prozentbereich 2015 könne in diesem Jahr mit einer zweistelligen Zuwachsrate bei der Passagierzahl in Deutschland gerechnet werden.Neue Details zum deutschen Hochsee-Kreuzfahrtmarkt wollen der Branchenverband CLIA und der Deutsche Reise-Verband (DRV) auf der Tourismus-Fachmesse ITB am 10. März in Berlin vorstellen. Das vergleichsweise “moderate” Wachstum der Passagierzahlen im vergangenen Jahr, so CLIA-Direktor Grammerstorf, habe an den angebotenen Kapazitäten im Markt gelegen. “Für 2016 ist weltweit mit elf neuen Kreuzfahrtschiffen zu rechnen, davon acht großen und drei mittelgroßen. Von den elf Schiffen werden allein drei große Schiffe im deutschen Markt in Dienst gestellt”, erklärt Grammerstorf. Tui will Lücke verkleinernZwei davon entfallen auf die zum amerikanischen Carnival-Konzern gehörende Aida, eine auf das Gemeinschaftsunternehmen des weltgrößten Touristikkonzerns Tui aus Hannover und der Reederei Royal Carribbean Cruises mit Sitz in Miami, Tui Cruises. Die Jungfernfahrt der auf der Meyer-Turku-Oy-Werft in Finnland gebauten und 295 Meter langen “Mein Schiff 5” etwa ist in der zweiten Juli-Hälfte geplant. Um am Boom in der Kreuzschifffahrt zu partizipieren, investiert der Tui-Konzern verstärkt in neue Schiffe – drei weitere Dampfer für die Tui Cruises sind für die kommenden Jahre bereits angekündigt. Erklärtes Tui-Ziel ist es, sich als eine der führenden Kreuzfahrtgesellschaften in Europa zu etablieren. Die Lücke zu einigen Wettbewerbern ist aber noch groß.Im Geschäft mit Kreuzfahrten ist Tui mit drei Marken und 13 Schiffen unterwegs – neben Tui Cruises und der britischen Thomson Cruises auch mit der auf Luxuskreuz- und Expeditionsfahrten ausgerichteten Hapag-Lloyd Kreuzfahrten. Mit der Tochter, die anlässlich ihres 125-jährigen Bestehens gerade in Hapag-Lloyd Cruises umfirmiert wurde, fährt der Konzern inzwischen in der Gewinnzone. Die Verlustjahre, ausgelöst durch schlechte Auslastung und ungünstige Charterverträge, sind offenbar Vergangenheit. Im Geschäftsjahr 2014/2015 (30. September), das Tui auf der Hauptversammlung am heutigen Dienstag erläutert, gelang Hapag-Lloyd Kreuzfahrten der Turnaround.Eine der großen Herausforderungen für die Branche, die mit Reputations- und Klagerisiken verbunden ist, bleibt indes die Emissionsreduktion. CLIA-Direktor Grammerstorf betont, die gesamte Branche investiere massiv in die Entwicklung von Abgasreinigungssystemen, durch die sich Schadstoffemissionen um rund 90 % verringerten. Nicht nur Neubauten würden mit neuen technischen Standards ausgerüstet. Allerdings benötige die Branche auch eine breite Versorgung mit Landstrom in den Häfen. “Hier gibt es teilweise noch großen Handlungsbedarf.”