Krise der deutschen Industrie verschärft sich
Krise der deutschen Industrie verschärft sich
EY: Schrumpfkurs setzt sich fort – 70.000 Stellen im Jahr 2024 abgebaut – 2025 fallen voraussichtlich 100.000 Arbeitsplätze weg
cru Frankfurt
Der Abwärtstrend beim Umsatz deutscher Industrieunternehmen hält an. Die Erlöse sind im vergangenen Jahr um 3,8% gegenüber dem Vorjahr gesunken. In absoluten Zahlen erwirtschaftete die deutsche Industrie 83,6 Mrd. Euro weniger als im Jahr 2023. Das sind Ergebnisse des Industrie-Barometers der Unternehmensberatung EY. Besonders schwach entwickelte sich die Elektrotechnikbranche, deren Umsatz um 7,5% einbrach. Die Metallbranche und die Autoindustrie verzeichneten ein Umsatzminus von 5%.
Umsatz schrumpft
Auch im Schlussquartal lagen die Umsätze unter dem Vorjahresniveau, allerdings nur noch um 2,5% – es handelte sich allerdings bereits um das sechste Quartal in Folge mit einer negativen Umsatzentwicklung. Beschleunigt hat sich hingegen der Stellenabbau in der deutschen Industrie: Lag die Zahl der Beschäftigten zum Ende des ersten Halbjahres nur 0,4% niedriger als im Vorjahr, verstärkte sich das Minus zum Jahresende auf 1,2%. Binnen eines Jahres wurden damit in der Industrie 70.000 Stellen abgebaut, seit 2019 schrumpfte die Zahl der Beschäftigten unterm Strich um 141.400.
Besonders stark gesunken ist die Zahl der Jobs in der Textil- und Bekleidungsindustrie – um gut 4% – sowie bei Produzenten von Gummi- und Kunststoffwaren und der Automobilindustrie (um jeweils 2,4%). In absoluten Zahlen verzeichneten die Elektroindustrie (minus 15.700 Stellen) und die Autoindustrie (minus 18.800 Stellen) den größten Jobabbau.
Jan Brorhilker, Managing Partner des Geschäftsbereichs Assurance von EY in Deutschland, rechnet mit einem weiteren Abbau von Industriearbeitsplätzen: „Die Beschäftigungsentwicklung reagiert mit Verzögerung auf die schwache Umsatzentwicklung, denn die Unternehmen versuchen, möglichst lang ohne einen Stellenabbau auszukommen“, konstatiert Brorhilker. „Aber inzwischen hat sich die Krise der deutschen Industrie in einem Maß verfestigt, dass klar wird: Ohne einen deutlichen Jobabbau geht es nicht.“ Die Kapazitäten müssen an das schwache Nachfrageniveau angepasst werden.
Diese Entwicklung hat gerade erst begonnen. Die Stellenstreichungen, die von den großen Industrieunternehmen in den vergangenen Monaten angekündigt worden seien, würden in der Statistik erst im Lauf dieses Jahres sichtbar. Bis zum Jahresende dürften daher weitere 100.000 Industriearbeitsplätze verloren gehen.
Auch die Verlagerung von Produktion werde sich auf die Beschäftigungslage auswirken, so Brorhilker: „Angesichts der massiven Probleme, mit denen sich Industrieunternehmen am Standort Deutschland konfrontiert sehen, werden gerade Neuinvestitionen zunehmend im Ausland getätigt. Hinzu kommt das steigende Risiko von Handelskriegen, worauf große Industrieunternehmen mit der Ansiedlung von Produktion im Ausland reagieren.“
Keine Trendwende in Sicht
Brorhilker rechnet nicht mit einer positiven Trendwende im laufenden Jahr: „Von einem Aufschwung ist weit und breit nichts zu sehen. Die geopolitischen Risiken sind weiter sehr hoch, die Konjunktur kommt nicht in Gang.“ Nach der Bundestagswahl müsse es rasch einschneidende Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Standorts Deutschland geben: „Die neue Bundesregierung wird sich massiv ins Zeug legen müssen, um die Deindustrialisierung zu stoppen, die inzwischen in vollem Gang ist.“