Kritik an Lufthansas "Gier nach Größe"
lis Hamburg – Die Lufthansa-Führung stößt mit ihren Übernahmeideen bei einem Teil der Aktionäre auf wenig Gegenliebe. “Anstatt ein Auge auf die Komplettübernahme von Brussels Airlines, auf Condor oder SAS zu werfen, sollte die Lufthansa das überschüssige Kapital in die Stärkung der Bilanz, den Konzernumbau und die Erneuerung der Flotte stecken”, ermahnte Ingo Speich von Union Investment das Management der Fluggesellschaft bei der Hauptversammlung in Hamburg. Mehr Zeit für BrüsselAm Vorabend hatte die Lufthansa mitgeteilt, sich mit der Entscheidung zur Komplettübernahme der Brussels Airlines – das Unternehmen hält bereits 45 % an der belgischen Airline, hat aber eine Call Option für die restlichen 55 % – noch etwas mehr Zeit zu lassen. Die Entscheidungsfrist sei um weitere drei Monate verlängert worden, die Ausübung könnte somit frühestens im September 2016 erfolgen. Grund für die Verzögerung sind die Folgen der Terroranschläge in Brüssel vom 22. März (vgl. BZ vom 28. April). Zudem hatte es in jüngster Vergangenheit erneut Spekulationen über ein Interesse der Lufthansa am Ferienflieger Condor gegeben. Beide verhandeln angeblich bereits seit Januar über Möglichkeiten der Zusammenarbeit, die Unternehmen selbst wollen sich nicht äußern. Condor gehört zum Reisekonzern Thomas Cook, war aber zuvor jahrzehntelang eine Lufthansa-Tochter.Die Gier nach Größe sei der Lufthansa schon in der Vergangenheit nicht gut bekommen, erinnerte Portfoliomanager Speich und verwies auf die “verlustträchtigen Engagements” bei British Midland und Austrian Airlines. Kapital müsse seiner Ansicht nach vielmehr beispielsweise in die Flotte fließen, weil etwa die Flieger von Swiss und Austrian Airlines auf ein Durchschnittsalter von 13,9 bzw. 15,9 Jahren kommen – damit sehe man im Vergleich zur Konkurrenz “ziemlich alt” aus. Konzernchef Carsten Spohr verwies allerdings darauf, dass sich etwa bei der Tochter Swiss durch die geplante Umflottung von rund 40 % der Maschinen das Flottenalter “deutlich” verjüngen werde.Vorrang müsse eine Stärkung der Bilanz haben, betonte Speich. “Notfalls auch zu Lasten der Dividende.” Für das vergangene Geschäftsjahr zahlt Lufthansa eine Dividende von 0,50 Euro je Aktie, nachdem die Anteilseigner für das Vorjahr leer ausgegangen waren. Insgesamt schüttet das Unternehmen damit 232 Mill. Euro aus, die Dividendenrendite bezogen auf den Schlusskurs vom Mittwoch dieser Woche bezifferte Spohr auf 3,5 %. Erstmals in diesem Jahr können Aktionäre ihre Dividende gegen Aktien tauschen.Vor dem Hintergrund der gewünschten Bilanzstärkung stimmte Union Investment dem vom Vorstand vorgeschlagenen Kapitalvorratsbeschluss nicht zu. Das Volumen sei überdimensioniert und entspreche nicht “unseren Vorstellungen von Kapitaldisziplin”.Auch der Vertreter der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), Markus Neumann, kündigte an, den Kapitalvorratsbeschluss nicht durchwinken zu wollen. Auch die vorgeschlagene Änderung bei der Vorstandsvergütung stößt bei ihm auf Kritik. Lufthansa habe in den vergangenen Jahren Wert vernichtet, eine höhere erfolgsabhängige Vergütung dürfe es nur geben, wenn Wert geschaffen werde, so Neumann. Die Änderung in der Vorstandsvergütung, bei der es vor allem um die zugrunde liegenden Kennzahlen geht – bisher operative Marge und Cash Value Added, künftig Ebit-Marge und Earnings after Cost of Capital – dürfte in den nächsten Jahren zu einer um rund 10 % höheren variablen Vergütung führen, heißt es dazu im Geschäftsbericht 2015. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Lufthansa, Wolfgang Mayrhuber, betonte, die letzte Erhöhung der Vorstandsvergütung habe es im Jahr 2008 gegeben.Mit der höheren Vorstandsvergütung ist auch die Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo nicht einverstanden. Ihr Vertreter, Jens-Ulrich Stark, rechnete in seinem Redebeitrag vor den Aktionären vor, mittlerweile verdiene Vorstandschef Spohr “monatlich das Fünffache des Jahresgehaltes eines neuen Flugbegleiters”. Und das, obwohl die Lufthansa-Führung in den vergangenen Jahren für verschiedene Versäumnisse beispielsweise hinsichtlich der Flottenpolitik verantwortlich sei und nun mit Kostensparmaßnahmen zu Lasten der Arbeitnehmer gegensteuern müsse. Gerade “treten Sie die letzten Reste einer funktionierenden Sozialpartnerschaft mit Füßen”, sagte Stark in Richtung Spohr. Lufthansa befindet sich seit Jahren in einer erbitterten Tarifauseinandersetzung sowohl mit den Flugbegleitern als auch mit den Piloten. Hohe ZustimmungsquotenEin Großteil der Tagesordnungspunkte wurden von der Hauptversammlung bei einer Präsenz von 32,32 % – 41,83 % inklusive der Briefwahlstimmen – mit Zustimmungsquoten von deutlich über 90 % abgesegnet. Lediglich bei der in der Aussprache kritisierten Vorstandsvergütung und bei dem ebenfalls mit Kritik bedachten Kapitalvorratsbeschluss fiel das Votum mit 89,95 bzw. 88,08 % niedriger aus.