Kühne + Nagel stoppt Russland-Geschäft
dz Zürich
– Der in der Schweiz ansässige Logistikriese Kühne+Nagel (K+N) hat den sofortigen Stopp von Container-Frachten nach Russland angekündigt. Ausgenommen seien lediglich Transporte von Medikamenten und anderen humanitären Gütern. Lieferungen, die für die Ukraine bestimmt seien, erfolgten nur noch bis zur Landesgrenze.
Nach dem nur kurz zuvor bekanntgewordenen Russland-Lieferstopp der drei weltgrößten Container-Reedereien MSC (mit Sitz in der Schweiz), Maersk (Dänemark) und Ocean Network Express (Singapur), die ebenfalls nur noch lebensnotwendige Güter in die russischen Häfen verschiffen, bleibt den auf die Transportkapazitäten der Reedereien angewiesenen Logistikern kaum mehr eine andere Wahl. Auch der deutsche Container-Reeder Hapag Lloyd, an dem der K+N-Mehrheitsaktionär Michael Kühne zu 30 % beteiligt ist, hat unlängst einen Buchungsstopp für Russland-Transporte erlassen.
Die direkten Folgen des russischen Feldzuges in der Ukraine seien für K+N aber überschaubar, wie der Ende Juli zurücktretende CEO Detlef Trefzger am Mittwoch auf der Jahresbilanzpressekonferenz des Unternehmens darlegte. Von den weltweit rund 78000 Mitarbeitenden seien nur etwa 1500 in Russland oder in der Ukraine tätig. Der Umsatz, den der Konzern in der Region erwirtschaftet, mache zudem nicht einmal 2 % aus.
Zum Vorteil gereicht K+N der Umstand, dass der Konzern in der Seefracht nur Container-Frachten organisiert und somit keine direkte Exposition zu dem stark tangierten Handel mit Rohstoffen aufweist. Obschon der Handel mit russischem Gas oder Erdöl offiziell noch nicht mit Sanktionen belegt ist, machen Händler in den westlichen Märkten offenbar einen weiten Bogen um die Ware aus Russland. Dementsprechend zeigte sich Trefzger in der Telefonkonferenz immer noch einigermaßen zuversichtlich für die Geschäftsentwicklung im laufenden Jahr. „Wir sind nach wie vor der Meinung, dass unsere Budgetplanung 2022 realisierbar ist“, sagt der Manager, allerdings wie üblich ohne die Planungszahlen offenzulegen.
Eine weitere Steigerung der Leistungsdaten aus dem Vorjahr dürfte für K+N allerdings kaum im Bereich des Möglichen liegen. Während der Pandemie profitierte der Konzern im extremen Ausmaß von den Friktionen in den internationalen Lieferketten. Die große Nachfrage der Kunden nach besonderen Lösungen zur Umgehung von Lieferengpässen, wie sie K+N gegen entsprechende Bezahlung offensichtlich zu befriedigen im Stande war, verschaffte dem Unternehmen in Kombination mit den generell stark gestiegenen Frachtraten einen beispiellosen Umsatz- und Ergebnisschub.
Der sogenannte „Rohertrag“, also der Umsatz abzüglich zugekaufter Transportleistungen, schoss im Berichtsjahr um 32 % auf 9,9 Mrd. sfr in die Höhe, wobei im Schlussquartal sogar eine Zunahme von 54 % resultierte. Aus den erwähnten Gründen ergab sich daraus eine Gewinnzunahme um 173 % auf fast 2,2 Mrd. sfr. Auch hier sticht das Schlussquartal mit einem Gewinnplus von 280 % besonders stark hervor. Die Aktionäre sollen mit einer Dividende von 10 sfr pro Titel an dem Rekordergebnis teilhaben. Im Vorjahr hatte die Ausschüttung noch 4,5 sfr pro Aktie betragen. Die anfänglich begeisterte Reaktion der Börse ließ im Verlauf des Handels am Mittwoch aber merklich nach.
Die Zurückhaltung der Investoren kommt nicht von Ungefähr. Trefzger musste eingestehen, dass eine vernünftige Prognose zum Geschäft im laufenden Jahr vor dem Hintergrund des Krieges kaum möglich ist. „Wir werden eine Inflation sehen, die wir in dieser Höhe vor einigen Wochen noch nicht erwarten konnten“, sagte der Konzernchef. Die Auswirkungen dieses Teuerungsschubes auf die Weltkonjunktur und letztlich auf die für K+N relevante Güternachfrage sei im aktuellen Zeitpunkt noch nicht absehbar.
Eine Konstante dürften aber mindestens vorerst die knappen Frachtkapazitäten bleiben. Durch die Sperrung des russischen Luftraumes müssten Frachtflugzeuge auf der Route nach Asien große Umwege fliegen, was zusätzliche Kapazitäten erfordere und die Frachtraten weiter steigen lasse, sagte Trefzger.
Kühne + Nagel | ||
Konzernzahlen nach IFRS | ||
in Mill. sfr | 2021 | 2020 |
Umsatz | 32 801 | 20 382 |
Rohertrag | 9 896 | 7 475 |
Ebit | 2 946 | 1 070 |
Jahresgewinn | 2 155 | 789 |
Gewinn je Aktie (sfr) | 16,92 | 6,59 |
Dividende je Aktie (sfr) | 10,00 | 4,50 |
Börsen-Zeitung |