Lebensmittelindustrie

Laborfleisch erreicht Europa

Nach Genehmigungen in Singapur und den USA könnte Fleisch aus Zellkulturen demnächst auch auf europäischen Tellern landen. Das israelische Start-up Aleph Farms hat eine Zulassung in der Schweiz beantragt.

Laborfleisch erreicht Europa

Laborfleisch erreicht Europa

Israelisches Start-up Aleph Farms beantragt Zulassung in der Schweiz – Kooperation mit Migros

Nach Zulassungen in Singapur und den USA könnte Fleisch aus Zellkulturen demnächst auch auf europäischen Tellern landen. Das israelische Start-up Aleph Farms hat eine Zulassung in der Schweiz beantragt und setzt in der Vermarktung auf eine Kooperation mit der eidgenössischen Supermarktkette Migros.

swa Frankfurt

Anbieter von Fleisch aus Zellkulturen versuchen den Markteintritt in Europa – allerdings noch nicht in der EU. Das israelische Start-up Aleph Farms hat bei den Schweizer Regulierungsbehörden die Zulassung von kultiviertem Rindfleisch beantragt. Dabei handelt es sich um den ersten Zulassungsantrag für kultiviertes Fleisch in Europa. Das unter dem Markennamen Aleph Cuts geführte Produkt soll gemeinsam mit dem eidgenössischen Handelsunternehmen Migros auf den Markt gebracht werden, teilt das Unternehmen mit. Beide Partner arbeiten seit 2019 zusammen.

Vorreiter Singapur

Später im Jahr will Aleph Farms ihr Sortiment auch in Singapur und Israel einführen. Aleph Farms stehe weltweit in Kontakt mit Regulierungsbehörden, um sich über Sicherheits- und Zulassungskriterien abzustimmen. Singapur war Ende 2020 das erste Land, das kultiviertes Hähnchenfleisch zugelassen hatte. Die USA hatten im Juni dieses Jahres als zweites Land grünes Licht gegeben.

Kultiviertes Fleisch wird aus tierischen Zellen unter Laborbedingungen hergestellt, wobei die Tiere nicht getötet werden. Die Lebensmitteltechnologen versprechen sich eine tierfreundliche und umweltschonende Fleischherstellung mit deutlich weniger Treibhausgasen fern der konventionellen Massentierhaltung. Anders als Fleischersatz enthält Laborfleisch die gleichen tierischen Proteine und ist somit kein vegetarisches oder veganes Produkt. Die Herstellung von kultiviertem Fleisch ist allerdings zeitaufwendig und kostenintensiv, so dass es noch nicht in großen Mengen hergestellt werden kann und bislang vor allem in gehobeneren Restaurants auf den Teller kommt. Bemängelt wird auch, dass die Herstellung bisher sehr energieintensiv ist.

Prominente Unterstützer

Aleph Farms nutzt für ihre Produkte Zellen eines Black-Angus-Rinds, die dann in Nährlösungen heranwachsen. In der Regel kann die Zellkultur immer wieder genutzt werden, so dass aus einer geringen Zahl an Zellen eine große Menge kultiviertes Fleisch produziert werden kann.

Aleph Farms hat prominente Unterstützer an ihrer Seite. Der Schauspieler und Umweltaktivist Leonardo DiCaprio ist seit Herbst 2021 als Geldgeber und Fürsprecher aktiv. Kürzlich ist zudem der Gourmetkoch und Bestsellerautor Marcus Samuelsson als Investor und kulinarischer Berater an Bord gegangen. Er soll zugesagt haben, Steaks und andere Fleischgerichte aus dem Sortiment von Aleph Farms in seinen Restaurants zu servieren.

“Widersprüchliche Signale”

Dass die Wahl von Aleph Farms auf die Schweiz gefallen ist, begründet das israelische Unternehmen mit Marktstudien, die eine hohe Akzeptanz von kultiviertem Fleisch in dem Land belegten. So hätten sich 74% der befragten Verbraucher offen für Laborfleisch gezeigt. Sie unterstützten das Ziel von Nachhaltigkeit und Tierwohl.

„Es ist bemerkenswert, dass der erste Zulassungsantrag für kultiviertes Fleisch in Europa nicht etwa in Brüssel, sondern in der Schweiz gestellt wurde“, sagt Ivo Rzegotta von der gemeinnützigen Organisation Good Food Institute Europe. Gegenwärtig sendeten die Regierungen in der EU widersprüchliche Signale: „Während die Niederlande den Sektor aktiv fördern, bleibt Deutschland vergleichsweise passiv und Italien versucht sogar, kultiviertes Fleisch zu verbieten. Damit Europa nicht weiter zurückfällt, braucht es nun eine kohärente Strategie in der EU und deutlich mehr Unterstützung durch die Politik beim Aufbau dieses Sektors”, meint Rzegotta.

Aufwendiges Verfahren

Für Sicherheit von Laborfleisch ist aus Sicht des Good Food Institute gesorgt. Ähnlich wie beim Zulassungsprozess in der Europäischen Union umfasse der Prozess für neuartige Lebensmittel in der Schweiz „ein robustes und evidenzbasiertes Verfahren, das gewährleistet, dass die Lebensmittel sicher für den menschlichen Verzehr sind“. Das Verfahren beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen umfasse eine Sicherheitsbewertung und umfangreiche toxikologische Studien, um die Unbedenklichkeit nachzuweisen, und werde voraussichtlich mindestens zwölf Monate in Anspruch nehmen. 

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