Langfristige Aktionäre sind Partner der Unternehmen
Der von Alfred Rappaport geprägte Begriff des Shareholder Value ist aus Unternehmenssicht zu Unrecht nicht immer positiv besetzt. Prominente Investoren wie Carl Icahn oder Guy Wyser-Pratte haben das öffentliche Bild vom aktivistischen Investor geprägt: Dieser ist vor allem daran interessiert, den Unternehmenswert kurzfristig und ohne Rücksicht auf Mitarbeiter und Fortbestehen zu steigern, um möglichst schnelle Erträge zu realisieren und dann zum nächsten “Investitionsobjekt” weiterzuziehen. Freiraum für Management Dabei handeln Aktionäre, die aktiv auf die Entwicklung eines Unternehmens einwirken, durchaus in dessen Interesse sowie in dem seiner Inhaber. Investoren, die ihre Beteiligung als unternehmerisches Engagement verstehen, sind verlässliche Partner. Als Ankeraktionäre verschaffen sie dem Management den Freiraum, um eine längerfristige Perspektive einzunehmen und die notwendigen Risiken einzugehen, wenn eine Neuausrichtung erforderlich ist. Dabei wissen sie um die Bedeutung von motivierten und verlässlichen Mitarbeitern. Das Idealbild eines Mitarbeiters ist für sie der Unternehmer im Unternehmen.Es ist entsprechend sinnvoll, für entsprechende potenzielle Ankeraktionäre attraktiv zu sein. Aber woran bemisst sich diese Attraktivität? Klar ist, dass dahinter weit mehr als entsprechende Kennzahlen, die Wettbewerbsposition oder die Produktpalette steht. Diese Faktoren spielen natürlich auch eine Rolle, aber ebenso wichtig ist für die potenziellen Investoren die Frage, wie Unternehmen mit ihren Aktionären und deren Interessen umgehen.Aktionäre, die sich wie wir als langfristige Teilhaber verstehen, achten auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung und die zukünftigen Perspektiven. Eine Unternehmensführung, die sich nicht an den kurzfristigen Erwartungen der Analysten orientiert, ist dafür die wichtigste Voraussetzung. Der Einsatz von Kennzahlen, sogenannten Key-Performance-Indikatoren (KPIs), erleichtert allen Stakeholdern die Orientierung an den langfristigen Unternehmenszielen. Nur ein entsprechend langer Horizont erlaubt die Entwicklung von nachhaltigem Wachstum.Dieser Aspekt sollte sich unserer Auffassung nach auch in der Incentivierung von Management und Aufsichtsrat wiederfinden. Eine angemessene Entlohnung ist notwendig, um entsprechende Talente für diese Aufgaben zu gewinnen. Aber es sollte Interessengleichheit zwischen langfristig orientierten Aktionären einerseits und Management und Aufsicht andererseits bestehen. Wir halten es deshalb für unerlässlich, dass Vorstand und Aufsichtsrat sich durch den Erwerb eigener Aktien am Unternehmen beteiligen. Nur wer langfristig denkt und handelt wie ein Eigentümer, wer die gleichen Risiken trägt, wird in der Lage sein, Mehrwert im Sinne eines nachhaltigen Shareholder Value zu schaffen, und darf zu Recht an den Chancen partizipieren.Dieser Gedanke des “Skin in the Game” ist auch Teil der Überlegungen von Prof. Dr. Louis Velthuis von der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Er hat mit der “BOARD-Pyramid” und den “10 Thesen der Aufsichtsratvergütung” ein Konzept entwickelt, das konkrete Gestaltungsempfehlungen für eine stärker erfolgsabhängige Vergütung deutscher Aufsichtsräte enthält. Ziel seiner Überlegungen ist es, entsprechende Anreizsysteme zielkongruent zu gestalten, so dass Management und Aufsichtsrat einen finanziellen Vorteil beziehungsweise Nachteil erfahren, wenn Wert für die Shareholder erzielt oder vernichtet wird.In diesem Sinne sollte sich das Management auf Aktivitäten konzentrieren, die der langfristigen Wertsteigerung des Unternehmens dienen. Dazu zählen beispielsweise Forschungsaktivitäten, aber auch die Entwicklung von Mitarbeitern. Vor diesem Hintergrund ist die Frage der Gewinnverwendung ein besonderes Thema. Im Interesse des Shareholder Value sollten hier immer die Alternativen abgewogen werden. Wichtig ist, dass eine Entscheidung über die Gewinnverwendung unter dem Aspekt der nachhaltigen Unternehmensentwicklung getroffen wird.Auf der Prioritätenliste ganz oben stehen Investitionen in die operative Weiterentwicklung des Unternehmens. Sofern Schulden bestehen, sollten diese auf ein vertretbares Maß zurückgeführt werden. Weiteres Geld kann dann entweder in Form von Dividenden ausgeschüttet oder noch besser für Aktienrückkäufe genutzt werden. Ihr Sinn sollte genau nicht darin liegen, den Aktienkurs um jeden Preis zu stützen. Diese Form der Gewinnverwendung kann, wenn die Marktbewertung wesentlich unter dem “inneren Wert” des Unternehmens liegt, zur Wertverdichtung für die verbleibenden Aktionäre beitragen. Wenn der Aktienmarkt nach unten übertreibt, rechtfertigt dies sogar einen Dividendenausfall, um möglichst viele Aktien günstig zurückzukaufen. Bei einem Kurs oberhalb des “inneren Wertes” sind jedoch Dividendenzahlungen sinnvoller. Von einer festen Dividendenquote ist dabei abzusehen, da sie im Sinne einer optimalen Gewinnverwendung nicht effizient ist und das Unternehmen im Extremfall nachhaltiger Möglichkeiten beraubt. Sollte sich die Chance zu einer strategisch sinnvollen, preiswerten Akquisition bieten, wäre auch für diesen Fall ein Dividendenausfall in Betracht zu ziehen. Ankeraktionäre wichtigMetathemen wie die demografische Entwicklung, die Digitalisierung oder die Auswirkung des Klimawandels zwingen Unternehmen verstärkt dazu, sich neu auszurichten. Starke Ankeraktionäre, die diesen Prozess unterstützen oder gar aktiv begleiten, werden deshalb für börsennotierte Unternehmen strategisch wichtig. Damit wächst für sie die Bedeutung, sich entsprechend den Interessen von Ankeraktionären aufzustellen.—-Frank Fischer ist Vorstandsvorsitzender der Shareholder Value Management AG in Frankfurt. In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.—–Von Frank FischerEs sollte Interessengleichheit zwischen langfristig orientierten Aktionären einerseits und Management und Aufsicht andererseits bestehen.