IM BLICKFELD

Langsame Busse überholen die rasenden ICEs der Bahn

Von Ulli Gericke, Berlin Börsen-Zeitung, 13.1.2015 Es war - mal wieder - keine gute Woche für die Deutsche Bahn: Erst sackt der Ölpreis der Nordseesorte Brent erstmals seit dem Mai 2009 wieder unter 50 Dollar für das Fass zu 159 Liter - was dem...

Langsame Busse überholen die rasenden ICEs der Bahn

Von Ulli Gericke, BerlinEs war – mal wieder – keine gute Woche für die Deutsche Bahn: Erst sackt der Ölpreis der Nordseesorte Brent erstmals seit dem Mai 2009 wieder unter 50 Dollar für das Fass zu 159 Liter – was dem schärfsten Konkurrenten der Bahn, dem privaten Autoverkehr, hilft. Dann schließen sich die beiden größten Fernbusanbieter, Meinfernbus und Flixbus, zusammen – finanziert durch die US-Beteiligungsgesellschaft General Atlantic. Damit dürfte die Bahn bei preissensiblen Kunden noch mehr ins Hintertreffen geraten, hat sie diese Wettbewerber bislang doch völlig unterschätzt. Und schließlich unterbrach Sturm “Elon” etliche Fern- und Nahverkehrsstrecken, was zahlreiche Schäden und Entschädigungszahlungen zur Folge hat.Kein Zweifel, es kommt derzeit knüppeldick für den Staatskonzern – und das nicht erst seit vergangener Woche. Schon mit 2014 zeigt sich Finanzvorstand Richard Lutz “nicht zufrieden”. Das Jahr davor war so miserabel, dass der Eigentümer Bund nur 200 Mill. Euro an Dividende aus dem Unternehmen zog, statt der geplanten 525 Mill. Euro (siehe Grafik). Und Besserung ist nicht in Sicht: “Ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern, das sogenannte Ebit, von 2,2 Mrd. Euro halte ich mittlerweile für eher unwahrscheinlich”, sagte Lutz dieser Tage in einem ersten Rückblick auf 2014 im Interview der Mitarbeiterzeitung “DB Welt”. Nach Abzug der Zinsen und Steuern und der vom Bund erwarteten Dividende, die auf 700 Mill. Euro taxiert wird, blieben am Ende nur noch 200 bis 300 Mill. Euro übrig, “und das ist für das, was wir vorhaben – nämlich in zusätzliches Wachstum zu investieren – schlicht zu wenig.” Man darf gespannt sein, ob der Bund dies ähnlich sieht und wie schon im Turnus zuvor auf einen Teil seiner Ansprüche verzichtet. Gegenwind wird schärferNicht weniger spannend ist die Frage, wann sich das Management von seiner ehrgeizigen Planung verabschiedet, wonach die Erlöse von heute rund 40 Mrd. Euro bis 2020 auf etwa 70 Mrd. hochgedreht werden sollen. Um dieses Ziel zu erreichen will die Bahn 86 Mrd. investieren, davon allein 34 Mrd. Euro aus Eigenmitteln. Dafür jedoch verdient der Staatskonzern “schlicht zu wenig”, um Lutz zu zitieren. Gleichzeitig warnt der Finanzchef, dass das neue Jahr keine Entspannung bringen wird: “Der Gegenwind vom Markt und vom Wettbewerb wird uns erhalten bleiben.”Realistisch gesehen wird er sogar schärfer, nachdem die beiden führenden Fernbusanbieter ihr Zusammengehen angekündigt haben. Schon zuvor war der Markt explosionsartig gewachsen: Während bis 2012 nur auf wenigen Berlin-Strecken Busse in Konkurrenz zur Bahn fahren durften – womit der Gesetzgeber für Reisende ins eingemauerte West-Berlin eine Alternative zur ostdeutschen “Reichsbahn” eröffnen wollte -, ist der Markt seitdem liberalisiert. Schon im ersten Jahr der Öffnung fuhren 8,2 Millionen Reisende mit dem Bus. 2014 waren es schon 19,6 Millionen – während die Zahl der Zugfahrer nahezu stagniert. So stolz dieses Wachstum auch ist, fahren in toto aktuell nur etwa 800 Busse durch die Lande – verglichen mit gut 250 ICEs und fast der gleichen Zahl von IC-Zügen. Rund 200 000 Sitzplätze bietet die Bahn Tag für Tag in ihren weißen Fernzügen an – ein Vielfaches dessen, was die grünen, roten, blauen Busse an Bord haben. Bahn-Fans werden schwachKein Wunder, dass der Bahn-Vorstand die Gefahr lange unterschätzt hat, die von diesem neuen Wettbewerber ausgeht. Entsprechend groß war der Katzenjammer, als sich zur Jahresmitte zeigte, dass die Busse der Bahn im ersten Halbjahr Umsätze von 50 Mill. Euro abgenommen hatten. Aufs Jahr gerechnet dürften reichlich 100 Mill. verloren gegangen sein – eine Zahl, die bei den hohen fixen Kosten im Bahnverkehr eins zu eins den ohnehin unter Druck stehenden Gewinn schmälert. Damit schlagen die Busse mehr ins Kontor als die streikenden Lokführer der GDL, die die Bahn im Oktober und November tagelang stillgelegt hatten.Neben dem schieren Umsatzverlust machen der Bahn aber auch die Billigpreise der Busse zu schaffen. Während diese für die Strecke Berlin-Hamburg 8 Euro und mehr verlangen, kostet die deutlich schnellere Fahrt mit dem ICE satte 78 Euro. Selbst eingefleischte Bahn-Fans werden da schwach und steigen um. Nur konsequent, dass angesichts dieser Diskrepanz die sonst übliche Preiserhöhung zum Jahreswechsel zuletzt ausfiel.Zugleich sucht die Bahn fieberhaft nach Lösungen, wie sie Reisende besser für sich einnehmen kann. Die fünf Millionen Bahncards stehen dabei nicht zur Disposition, sind sie doch Kundenbindung par Excellence, die zudem die hohen Preisdifferenzen zwischen Zug und Bus mindern. Gefragt sind Anreize, bei denen die Reisenden nicht vorweg zahlen müssen wie bei der Bahncard, es aber trotzdem Vergünstigungen gibt. Jede der verschiedenen Möglichkeit geht allerdings ins Geld – die Busse haben die Gewinnplanung der Bahn mehr durcheinandergewirbelt als alle Stürme bisher.