Leitfaden für das englische Recht
Das englische Recht gewinnt in Deutschland immer mehr an Boden: Haben Unternehmen im grenzüberschreitenden Handelsverkehr die Wahl, geben sie immer öfter dem englischen Recht den Vorzug, da es im Ruf steht, besonders handelsfreundlich und pragmatisch zu sein – im Gegensatz zum eher dogmatischen deutschen Recht. So sei es nicht verwunderlich, wenn immer mehr Deutsche englisches Recht studierten, aber auch Anwaltskanzleien seien immer mehr gezwungen, an Know-how zuzulegen, erläutert Stefan Vogenauer bei der Vorstellung der nunmehr dritten Auflage des Fachbuchs “Englisches Handels- und Wirtschaftsrecht”. Das Werk ist dabei keine einfache Übersetzung eines englischen Lehrbuches, sondern will deutschsprachigen Juristen, gleichermaßen freie wie auch Unternehmensanwälte, sowie Unternehmer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Grundzüge des englischen Rechts, dessen Besonderheiten und drohende Fallstricke nahebringen. In zwölf Kapiteln werden von Praktikern für Praktiker neben den Grundzügen des Handels- und Wirtschaftsrechts u. a. das Arbeits-, Gesellschafts-, Insolvenz- und Wettbewerbsrecht behandelt.Besonders vielen kleinen und mittleren Unternehmen seien die Optionen gar nicht bewusst, die sie hätten, wenn englisches Recht zur Anwendung komme, so Vogenauer. So sei die Haftung in den allgemeinen Geschäftsbedingungen nach englischem Recht unbegrenzt ausschließbar. Mitautor Volker Triebel, der auch den Titel eines Barrister führt, verweist etwa auf die längere und gründlichere Verfahrensdauer nach englischem Recht, die dementsprechend höhere Kosten (etwa das Fünf- bis Zehnfache) nach sich zögen, was vor allem deutsche Mittelständler oft nicht deutlich genug erkennen würden. Ein weiterer Fallstrick drohe bei der Vertragsgestaltung: Da englische Verträge strikt nach dem Vertragstext durchgeführt würden, müsse den Details und der Ausgestaltung mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Verlässlichkeit und Rechtssicherheit im englischen Recht stünden Treu und Glauben im deutschen Recht gegenüber.Wegen der Liberalität wichen auch zahlreiche Unternehmen bei der Wahl der Rechtsform auf englisches Recht aus, wie etwa Air Berlin. Zudem gebe es keine instrumentalisierte betriebliche Mitbestimmung wie das deutsche Betriebsverfassungsgesetz. Auch das Insolvenzrecht sei in England wesentlich weiter als hierzulande, erläutert Triebel. In England herrsche eine “rescue culture”, die in Deutschland erst im Anfang begriffen sei. So sei zwar im neuen deutschen Insolvenzrecht die Regelung des Sanierungsplans sehr progressiv, doch fehlten die scharfen Zähne, so Triebel.Sowohl Triebel als auch Vogenauer sehen das deutsche Recht zunehmend ins Hintertreffen geraten. Das englische Recht sei bereits zu stark, sodass Triebel den Bemühungen, deutsches Recht zu verbreiten, kaum eine Chance gibt. Vogenauer weist darauf hin, dass es in England ein permanentes Bemühen gebe, das Recht an das Wirtschaftsleben anzupassen, das System werde ständig optimiert, um es nutzerfreundlich zu machen, und die Unternehmen könnten sich auf die Politik verlassen – dies alles sei in Deutschland nicht erkennbar.Ganz zu schweigen von der Ausstattung der Gerichte, etwa dem “Rolls Building” in London, in dem unabhängig von der Zuständigkeit alles verhandelt werde, was mit Wirtschaft, Finanzen und Eigentum zu tun habe, so Vogenauer. Es wäre zwar besser, englisches Recht zu studieren, doch genüge es für deutsche Juristen, dieses Buch im Regal stehen zu haben, so das Fazit von Vogenauer. Dem ist nichts hinzuzufügen. ba