Leoni-Aktionäre waschen Management den Kopf

"Zirkus des Horrors" - Angriffe auf Aufsichtsratschef - Sorge über die Finanzlage - Entspannung in Mexiko

Leoni-Aktionäre waschen Management den Kopf

mic Nürnberg – Die Leoni-Aktionäre haben die Hauptversammlung für ein Scherbengericht genutzt. “Das ist ein Zirkus des Horrors”, urteilte Roland Klose als Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). “Die Lage ist alles andere als zufriedenstellend”, rügte Davide Brancaleoni von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Kritik an der Performance und vor allem Angriffe auf den Aufsichtsratsvorsitzenden Klaus Probst wurden wiederholt mit Beifall der rund 700 Aktionäre quittiert.Darüber hinaus starteten kritische Anteilseigner ihre Interventionen. Der gut vorbereitete Matthias Gäbler bezeichnete es als Bankrotterklärung, dass nur gut zwei Wochen nach Feststellung des Abschlusses 2018 die Prognose 2019 eingestampft worden sei. Vor allem aufgrund seines Engagements wurden in der knapp achtstündigen Veranstaltung fast 200 Fragen gestellt.Die Präsenz auf der Hauptversammlung des Unternehmens, das vollständig im Streubesitz ist und bei dem Leoni zufolge die zehn größten Anteilseigner rund 30 % halten, betrug 34,5 %. In einer Einzelabstimmung über die Verwaltung erhielten die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat mit rund 76 % die niedrigsten Zustimmungswerte. Vorsitzender Probst wurde mit 87 % entlastet, CEO Aldo Kamper mit 92 %. Sein Vorgänger Dieter Bellé und der frühere Finanzvorstand Karl Gadesmann erhielten rund 85 %. Unterstützung von BankenMit Sorge registrierten die Leoni-Aktionäre die Finanzlage. Sie wollten wissen, ob angesichts einer Eigenkapitalquote von 25,2 % eine Kapitalerhöhung notwendig sei. “Wir prüfen als Unternehmen grundsätzlich alle Optionen, um langfristig die Finanzierungsbasis zu sichern”, lautete die Antwort von Kamper. Von den Konsortialbanken werde man gut unterstützt. Dies seien: BayernLB, Citibank, Commerzbank, Deutsche Bank, Landesbank Baden-Württemberg, HSBC, Société Générale und Unicredit.Die Aktionäre kritisierten vor allem die Sonderkosten für den Produktionsanlauf im mexikanischen Werk Mérida. “Wie kann denn so was passieren?”, so die Frage von DSW-Sprecher Klose. Dies sei ja keine exotische Aufgabe gewesen, sondern gehöre zum Kerngeschäft. Gäbler schlug in die gleiche Kerbe: “Wie blind agiert man hier?” Man könnte glatt meinen, Leoni sei ein Start-up und habe den allerersten Auftrag.Bordnetze-Vorstand Martin Stüttem sagte zu, dass die Probleme nach dem zweiten Quartal bewältigt seien. Die Taskforce von 1 000 entsandten Mitarbeitern sei auf ein Drittel abgeschmolzen. Im zweiten Quartal kämen 20 Mill. Euro Sonderkosten zu dem bisherigen Betrag von 57 Mill. Euro hinzu. Für die Ansiedlung in Mexiko habe Leoni 9 Mill. Dollar Zuschüsse erhalten, sagte Stüttem. Es seien acht weitere Großprojekte untersucht worden. Probleme wie in Mérida seien nicht zu erwarten.Dem Aufsichtsrat warfen die Aktionäre eine “ineffiziente Kontrollfunktion” (Brancaleoni) vor. “Auch der Aufsichtsrat muss mal in den Spiegel schauen”, empfahl Klose. Gäbler sagte in Richtung Probst: “Es wäre besser, Sie würden Ihren Stuhl räumen.” Dieser betonte, der Aufsichtsrat habe seine Überwachungsfunktion vollumfänglich wahrgenommen. Mehrere Aktionäre wollten wissen, ob einzelne Leoni-Teile an der Börse notiert würden. Kamper sagte, hierzu gebe es keinen Beschluss auf Aufsichtsrats- oder Vorstandsebene. Es gebe keine heiligen Kühe: “Es werden keine Optionen ausgeschlossen.”Gadesmann habe keine Abfindung erhalten, aber bekomme Bezüge bis zum Vertragsablauf Ende 2019, sagte Probst. Ob Bellé ausstehende 3,2 Mill. Euro erhalte, hänge vom Ermittlungsresultat zu einem CEO Fraud zusammen. Es gebe Schadenersatzansprüche gegen Bellé. Vehement kritisierten die Aktionäre, dass Leoni erstmals keinen gedruckten Geschäftsbericht bot. Probst sagte eine Überprüfung der Entscheidung zu. Die Fluktuationsquote der Beschäftigten in der Region Amerika betrage 68 % jährlich, erklärte das Management. In Asien seien es 36 %.