RECHT UND KAPITALMARKT

Lichtblick für Banken in Swap-Klagewelle

Bundesgerichtshof: Aufklärung über negativen Marktwert nur selten entbehrlich - Neue Vorgaben für Anforderungen an Konnexität

Lichtblick für Banken in Swap-Klagewelle

Von Wolf Bussian *)Kaum ein Thema hat Banken und Gerichte in den letzten Jahren mehr beschäftigt als die Haftung von Banken für Aufklärung in Zusammenhang mit Swap-Geschäften. Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem mit Spannung erwarteten Urteil wichtige offene Fragen geklärt. In seiner jüngsten Entscheidung vom 22. März 2016 (Az. XI ZR 425/14) hat der BGH zwar zu Gunsten der beklagten Bank entschieden und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen, zugleich aber die Hoffnung auf weitreichende Ausnahmen von einer Pflicht zur Aufklärung durch die beratende Bank zerschlagen.Auf den Tag genau fünf Jahre zuvor hatte der BGH eine regelrechte Klagewelle zu Swaps ausgelöst. Der für Bank- und Kapitalmarktrecht zuständige XI. Zivilsenat (“Bankensenat”) hatte in einer überraschenden Grundsatzentscheidung erstmals verlangt, dass die beratende Bank ihren Kunden über das Einpreisen eines sogenannten anfänglichen negativen Marktwerts in einen mit ihr selbst geschlossenen, recht komplexen Zinsswap aufklärt.Die Bank, so die Begründung, habe die Risikostruktur des von ihr empfohlenen Produkts bewusst zu Lasten des Kunden gestaltet, um das Risiko “verkaufen” zu können, das der Kunde auf Grund ihrer Beratungsleistung übernommen hat. Hierin sah der BGH einen schwerwiegenden Interessenkonflikt der beratenden Bank. Der Kunde könne dies – anders als die generelle Gewinnerzielungsabsicht der Bank – nicht erkennen. Klärt die Bank ihn hierüber nicht auf, soll er Ersatz für einen aus dem Swap-Geschäft entstandenen Schaden verlangen können. Seither haben Kunden unzählige Klagen erhoben, um Banken für verlustreiche Swaps in Haftung zu nehmen. Kläger sind häufig Gemeinden und mittelständische Unternehmen. Auch im jüngst entschiedenen Fall klagte eine kleine Gemeinde aus Nordrhein-Westfalen. Die unerwartete Zinsentwicklung der letzten Jahre hat diese Klagewelle zusätzlich angeschoben.In Hunderten Entscheidungen bemühen sich Instanzgerichte in der gesamten Bundesrepublik, das damalige Grundsatzurteil des BGH umzusetzen. Zu entscheidenden Punkten sind die Vorgaben des BGH jedoch nur vage, zudem vermissen viele Instanzgerichte eine schlüssige inhaltliche Begründung für die vom BGH angenommene Aufklärungspflicht, die sie auf anders gelagerte Fälle übertragen könnten. WidersprüchlichEntsprechend widersprüchlich fallen die zahlreichen Urteile der Instanzgerichte aus. Klärende Vorgaben des BGH ließen lange auf sich warten. Zwar lehnte es der Bundesgerichtshof mit der sog. Lehman-Entscheidung noch im Jahr 2011 ab, die neue Aufklärungspflicht auf Zertifikate zu übertragen. Konkretisierungen zu Swap-Geschäften machte der BGH jedoch erst durch drei Entscheidungen im Jahr 2015, und auch dann nur zu Einzelaspekten. Beispielsweise soll keine Aufklärungspflicht der beratenden Bank bestehen, wenn der Kunde den Swap mit einer anderen Bank abschließt. Dann fehle es an einem Interessenkonflikt der beratenden Bank. Im üblichen Zwei-Personen-Verhältnis, in dem die beratende Bank auch Swap-Vertragspartner des Kunden wird, soll die Aufklärungspflicht aber unabhängig davon bestehen, wie komplex der Swap ist.Zudem verlangte der BGH ausdrücklich, dass die Bank nicht nur auf den negativen Marktwert hinweist, sondern auch dessen Höhe offenlegt. Nur so könne der Kunde das eigene Interesse der Bank an der Empfehlung des Swap-Vertrags einschätzen. Hoffnung für die Banken brachte eine Entscheidung des BGH, der zufolge die beratende Bank ausnahmsweise nicht über das Einpreisen eines anfänglichen negativen Marktwerts aufklären muss, wenn der Zinsswap das Risiko aus einem “konnexen” Darlehensvertrag absichert.In seiner jüngsten Entscheidung hat der BGH nun erstmals konkrete Anforderungen an diese Konnexität formuliert. Diese Anforderungen sind sehr hoch: Der Swap-Vertrag muss mit der gleichen Bank geschlossen werden, wie ein zuvor oder zeitgleich geschlossener Darlehensvertrag. Der Bezugsbetrag des Swaps darf die ausstehende Darlehensvaluta nicht übersteigen. Auch die Laufzeit des Swaps darf die Zinsbindung des Darlehens nicht überschreiten. Insgesamt muss der Swap zumindest partiell gegenläufige Zinsrisiken absichern, also einen variablen gegen einen festen Zins tauschen oder umgekehrt.Überraschend an diesen neuen Vorgaben ist insbesondere, dass Konnexität nur gegeben sein soll, wenn der Swap und das abgesicherte Darlehen mit der gleichen Bank geschlossen wurden. Für das Risiko des Kunden macht es keinen Unterschied, ob ein Swap Risiken aus einem bestehenden Darlehen mit der gleichen oder einer anderen Bank absichert. Offenbar beruht die Entscheidung einmal mehr auf der Vorstellung des XI. Zivilsenats, die Bank wette mit dem Swap gegen ihren Kunden, so dass nur ein Darlehen zwischen den gleichen Parteien das Risiko der Bank und damit den Interessenkonflikt neutralisiert.Profitiert die Bank aus dem Swap von sinkenden variablen Zinsen, die sie gegen Erhalt eines Festzinsbetrages zahlen muss, erleidet sie Nachteile aus dem gesicherten Darlehen, da hier die Zinseinnahmen sinken. Steigen dagegen die variablen Zinsen, profitiert die Bank beim Darlehen, erleidet aber Verluste aus dem Swap. Dann, so offenbar die Überlegung des BGH, könne der Kunde nicht davon ausgehen, dass die Bank auf den Verlauf des Swaps spekuliert, ohne eine Marge einzupreisen. Unzählige VerfahrenWie schon im Grundsatzurteil aus 2011 lässt der XI. Zivilsenat damit jedoch außer Acht, dass jede Bank das Risiko aus einem Swap durch Hedging neutralisiert und an der eingepreisten Marge verdient, nicht aber an einer für den Kunden ungünstigen Zinsentwicklung. Ein gegenläufiges Darlehensgeschäft mit dem Kunden braucht es dafür nicht.Instanzgerichte werden nun in unzähligen Verfahren zu klären haben, ob die Bank sich selbst dann in einem Interessenkonflikt befinden kann, wenn sie dem Kunden das Swap-Geschäft empfiehlt, um ein offenes Risiko aus einem Grundgeschäft zu schließen. Auch die insgesamt fünfte Swap-Entscheidung des BGH bringt damit nicht die erhoffte Rechtssicherheit.Die jüngste Entscheidung eröffnet aber auch einen Lichtblick für die Banken. Obwohl der BGH offenbar von einer Verletzung der Aufklärungspflicht ausging, hat er nicht zu Gunsten der klagenden Gemeinde entschieden. Beide Vorinstanzen hatten der klagenden Gemeinde Schadenersatz zugesprochen und sie von weiteren Zahlungspflichten aus den Swap-Verträgen befreit. Insgesamt geht es um über 20 Mill. Euro. Der BGH hob diese Entscheidungen nun auf und verwies die Sache zurück an das Oberlandesgericht Köln. Der Vorsitzende des XI. Zivilsenats Jürgen Ellenberger machte bei der Urteilsverkündung deutlich, dass der Senat Zweifel an der Kausalität hat, also daran, ob die unterlassene Aufklärung über den negativen Marktwert zu einem Schaden des Kunden geführt hat. Möglicherweise hätte die klagende Gemeinde die Swap-Geschäfte nämlich auch dann abgeschlossen, wenn Bürgermeister oder Kämmerer konkret gewusst hätten, wie hoch der eingepreiste negative Marktwert für Kosten und Marge war.Die Bank hatte bereits in den Vorinstanzen geltend gemacht, die Verantwortlichen der klagenden Gemeinde hätten gewusst, dass die Swap-Geschäfte einen anfänglichen negativen Marktwert hatten, hätten sich aber für dessen konkrete Höhe nicht interessiert. Das Oberlandesgericht hat diese Sachverhaltsfrage offengelassen – zu Unrecht, wie jetzt der BGH entschieden hat. Das Oberlandesgericht muss dem Einwand der beklagten Bank nun nachgehen. Sollte die Beweisaufnahme vor dem Oberlandesgericht das Wissen um einen negativen Marktwert bestätigen, wäre die Klage der Gemeinde nach den ausdrücklichen Vorgaben des BGH unbegründet.Das ist eine große Entlastung für Banken: Wusste ihr Kunde, dass in den Swap ein anfänglicher negativer Marktwert eingepreist wurde, erkundigte er sich aber dennoch nicht nach dessen Höhe, kann er keinen Schadenersatz verlangen. Dahinter steht der richtige Gedanke, dass dann der negative Marktwert für den Kunden nicht von entscheidender Bedeutung gewesen sein kann.—-*) Dr. Wolf Bussian ist Partner der Kanzlei Allen & Overy und auf Prozessführung für Banken spezialisiert.