Linde enttäuscht schwer
Ein schwächerer Ausblick auf das Jahr 2017 hat die Investoren von Linde hart getroffen. Der Dax-Titel verlor am Dienstag 4,4 Mrd. Euro an Marktwert. Für dieses Jahr erwartet Vorstandschef Wolfgang Büchele ein Ergebnis am unteren Ende der erwarteten Spanne.jh München – Schwarzer Tag für die Aktionäre von Linde: Der Kurs des Herstellers von Industriegasen und Anlagen aus München sackte am Dienstag um 14,3 % auf 141,55 Euro ab. So stark stürzte der Wert nach Angaben von Reuters seit 14 Jahren nicht mehr an einem Tag ab. Grund war die am Montag nach Börsenschluss bekannt gegebene Änderung der Mittelfristziele für 2017 (vgl. BZ vom 1. Dezember) des Dax-Konzerns. Linde rechnet nun mit einem geringeren operativen Ergebnis (siehe Grafik). Für die Rendite auf das eingesetzte Kapital senkte der Vorstand die Prognose von 11 bis 12 % auf 9 bis 10 %.Aktienanalysten zeigten sich von den veränderten Zielen überrascht. Martin Rödiger von Kepler Chevreux nimmt deshalb an, dass sich die Geschäftsbedingungen von Linde zuletzt stark verschlechtert hätten. Wolfgang Büchele, der Vorstandsvorsitzende, berichtete in einer Telefonkonferenz mit Analysten, im laufenden Quartal habe sich das Wachstum nicht beschleunigt. Er erwarte deshalb, dass Linde in diesem Jahr ein operatives Ergebnis eher am unteren Ende der angestrebten Spanne von 4,1 Mrd. bis 4,3 (i.V. 3,9) Mrd. Euro erzielen werde. Für den Umsatz lautet die Prognose 17,9 Mrd. bis 18,5 (17) Mrd. Euro und für die Kapitalrendite 9 bis 10 (9,5) %.Die Umsatzprognose für dieses Jahr hatte Linde schon im Juli um 300 Mill. bis 500 Mill. Euro reduziert. Grund war die Auftragsschwäche im Anlagenbau als Folge des niedrigen Ölpreises. Büchele erläuterte jetzt, Kunden stornierten deshalb Aufträge zwar nicht, seien aber zurückhaltend, neue abzuschließen. In der ersten Hälfte des nächsten Jahres werde sich die Lage bessern, aber zunächst nicht auf das frühere höhere Niveau zurückkehren. Ende Oktober hatte Büchele von vielversprechenden Gesprächen über Großaufträge berichtet, unter anderem mit dem russischen Energiekonzern Gazprom.Außer der Auftragsflaute im Anlagenbau – die Sparte erzielte 2014 knapp ein Fünftel des Konzernumsatzes – nannte Linde zwei Gründe der veränderten Ziele für 2017: die für das Gasegeschäft relevanten Wachstumsraten der Industrieproduktion, die weiter deutlich zurückgegangen seien, und das Geschäft mit Medizingasen in den USA. Dort werde der Staat die Preise für Produkte und Leistungen voraussichtlich stärker als erwartet in den nächsten beiden Jahren kürzen.Als Beispiel für den ersten dieser beiden Punkte nannte Büchele Australien. Die Deindustriealisierung des fünften Kontinents gehe weiter. “Die Regierung tut nichts dagegen, sondern unterstützt einen Ausbau des Tourismus.” Das stärke die Nachfrage nach Bier, aber nicht nach Industriegasen. “Marktanteile kaufen”Den Preiskürzungen im US-Gesundheitssystem will Linde mit einer weiter verbesserten Effizienz des vor drei Jahren übernommenen Unternehmens Lincare begegnen. Zudem hält Linde Ausschau nach kleineren Akquisitionen in den USA. “Wir wollen Marktanteile kaufen”, sagte Büchele. Es werde aber bis Ende 2017 dauern, bis Linde die Wirkung der geringeren Preise auf das Ergebnis in diesem Geschäft abschwächen könne.Die ursprünglichen mittelfristigen Ziele von Linde, die noch Vorstandschef Wolfgang Reitzle steckte, hatte Büchele schon im Oktober des vergangenen Jahres gekippt. Peter Spengler, Analyst der DZ Bank, kritisierte am Dienstag, dass “Mittelfristziele ohne Szenarien und Prämissen ein ungeeignetes Mittel sind, Transparenz zu schaffen”. Dies verdeutliche die aktuelle Korrektur von Linde, die zudem zu einem späten Zeitpunkt komme. Nach dem Kursrückgang und “den neuen realistischen Zielen” hält die DZ Bank Linde aber für ein attraktives Investment. Nach Meinung von Hauck & Aufhäuser bleibt Linde führend in der Technologie in einem wichtigen Markt für Industrieproduktion. Anders als Air LiquideBüchele warb am Ende der Analystenkonferenz für das solide Geschäftsmodell des Konzerns. Eine Stimulation der Wirtschaft oder ein höherer Ölpreis würden die Erwartungen wieder erhöhen. “Wir sind keinesfalls verzweifelt und streben nicht nach dummen Akquisitionen.” Büchele reagierte so auf den Plan des französischen Konkurrenten Air Liquide, Airgas in den USA zu übernehmen. Linde wolle nicht unbedingt Größter in der Branche sein, sondern profitabel wachsen.—– Wertberichtigt Seite 8