Linde und Praxair machen Tempo

Verhandlungen über Fusion sollen am Wochenende beginnen - Synergien in der Größenordnung von 800 Mill. Euro erwartet

Linde und Praxair machen Tempo

Linde geht auf die Avancen von Praxair ein. Der Aufsichtsrat des Münchner Industriegasekonzerns stimmte am Mittwoch einem zweiten Anlauf für Verhandlungen über einen Zusammenschluss zu. Eine große Überraschung gibt es im Vorstand: Als Nachfolger von CEO Wolfgang Büchele kehrt Aldo Belloni aus dem Ruhestand ins Topmanagement zurück.jh München – Die beiden Industriegasekonzerne Linde und Praxair wagen einen Neustart für Verhandlungen über eine Fusion. Der Vorstand habe nach einer Beratung mit dem Aufsichtsrat beschlossen, “die Gespräche über die wesentlichen Konditionen eines potenziellen Zusammenschlusses unter Gleichen wieder aufzunehmen”, teilte Linde am Mittwoch nach einer Sitzung des Aufsichtsrats mit. Aus dem Kontrollgremium ist zu hören, die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Fusion komme, werde auf mehr als 50 % geschätzt. Angestrebt sei, mit den Verhandlungen am kommenden Wochenende zu beginnen. In der Branche wird mit möglichen Synergien in der Größenordnung von 800 Mill. Euro gerechnet.Basis für die Gespräche ist der neue Vorschlag des US-Konkurrenten Praxair. Diesen hatte Linde vor zwei Wochen erhalten (vgl. BZ vom 1. Dezember). “Alle Mitglieder des Aufsichtsrats unterstützen die Wiederaufnahme der Gespräche”, heißt es in der Mitteilung. Überraschend ist der sofortige Wechsel an der Spitze des Münchner Konzerns: Der Vorstandsvorsitzende Wolfgang Büchele trat am Mittwoch sofort zurück. Sein Nachfolger ist Aldo Belloni, der von 2000 bis 2014 Vorstandsmitglied war. Er kehrt aus dem Ruhestand zurück und ist bis Ende 2018 bestellt. “Er ist die perfekte Lösung”, sagte Aufsichtsratsvorsitzender Wolfgang Reitzle der Börsen-Zeitung. Er kenne alle Spieler und Geschäft in der Branche und müsse nicht eingearbeitet werden. Zentrale an zwei StandortenBücheles Entscheidung begründet Linde damit, “die Kontinuität bei den anstehenden Verhandlungen mit Praxair zu gewährleisten”. Es wäre nicht gut, unterwegs die Pferde zu wechseln, heißt es im Aufsichtsrat. Der frühere BASF-Manager war seit Mai 2014 als Nachfolger von Reitzle Vorstandsvorsitzender. Nach dem vor drei Monaten gescheiterten ersten Versuch einer Fusion mit Praxair hatte sich Büchele entschieden, nach Ablauf seines Vertrags im April 2017 Linde zu verlassen. Nun zog er das Ende vor. Linde zitiert Büchele mit den Worten: “Ich habe bereits Weichen für meine eigene Zukunft gestellt.” Nähere Angaben fehlen.Nach der erwarteten Ankündigung neuer Gespräche mit Praxair und der unerwarteten Rückkehr von Belloni zog der Aktienkurs von Linde an und notierte zum Handelsschluss mit 160,05 Euro 2,4 % höher. Der Kurs von Praxair legte an der Nasdaq im Verlauf um 2,1 % auf 121,54 Dollar zu.Mit dem neuen Vorschlag für Gespräche über eine Fusion kommt Praxair Linde mehr entgegen. Den ersten Anlauf zu einem Zusammenschluss hatten die Deutschen unter anderem beendet, weil sie ihre Zentrale in München hätten aufgeben müssen. Nun ist vorgesehen, die Zentrale eines fusionierten Konzerns auf zwei Standorte zu verteilen: München und Danbury, den Sitz von Praxair im Bundesstaat Connecticut. Dafür müsste aber nicht die Effizienz geopfert werden, sagte Reitzle. “Wichtige Abteilungen werden nicht gespalten.” Diese würden jeweils in München oder Danbury gebündelt. Weniger StellenabbauLinde ist derzeit dabei, mit zwei Sparprogrammen die Kosten von 2019 an um 550 Mill. Euro zu senken. Dazu gehört auch ein Abbau einer bisher nicht genannten Zahl von Arbeitsplätzen, unter anderem in Deutschland. Aus dem Unternehmen ist zu hören, dass sich die Zahl im Fall einer Fusion verringern könne. Der Grund: Praxair hat im Gegensatz zu Linde keinen eigenen Anlagenbau. Aufträge für dieses Segment vergeben die Amerikaner an Fremdfirmen. Nach einem Zusammenschluss könnten solche Aufträge an den Anlagenbau von Linde in Pullach bei München vergeben werden. Dort soll nach Informationen von Betriebsräten ohne eine Fusion ein Fünftel der rund 3 300 Stellen gestrichen werden.Für das Topmanagement ist nach wie vor Praxair-Chef Stephen Angel als Vorstandsvorsitzender eines gemeinsamen Konzerns geplant. Reitzle wäre als Chairman oberster Aufseher. Für den Posten des Finanzvorstands ist Matthew White, CFO von Praxair, vorgesehen. Für die Regionen Europa und Asien soll Linde jeweils einen Vorstand stellen.—– Wertberichtigt Seite 6- Personen Seite 12