IM INTERVIEW: BERNHARD DÜTTMANN

"Lockdown mit Online-Geschäft gemanagt"

Ceconomy-Chef: Noch kein Durchbruch in Gesprächen mit Minderheitsgesellschafter bei Media-Saturn

"Lockdown mit Online-Geschäft gemanagt"

Mit einer neuen Organisationsstruktur, die der Aufsichtsrat kürzlich abgesegnet hat, will Ceconomy die strategische Transformation vorantreiben. Im Zentrum steht die Zentralisierung der Prozesse. Was sich Ceconomy davon verspricht, erläutert Interims-CEO Bernhard Düttmann im Interview. Herr Düttmann, warum halten Sie sich für den Richtigen, um die Transformation von Ceconomy durchzuziehen?Ich will gar nicht behaupten, dass ich langfristig der Richtige für Ceconomy bin. Dass ich hier sitze, liegt daran, dass es eine Lücke in der CEO-Position gab und sich das Unternehmen in der einsetzenden Transformation in einer kritischen Phase befand und teilweise immer noch befindet. In dieser Situation habe ich angeboten zu helfen. Ich mache das für ein Jahr und wenn gewünscht auch länger. Aber ich habe von vorneherein gesagt, dass ich nur für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung stehe. Ich habe keine Karriereambitionen mehr, das liegt hinter mir. Gleichwohl haben Sie schon im vorigen Dezember signalisiert, den Job gerne länger als ein Jahr ausüben zu wollen.Ich stehe nicht für einen Fünfjahresvertrag zur Verfügung. Ich helfe zu überbrücken und das auch gerne länger, habe aber nicht das Ziel, langfristig CEO von Ceconomy zu sein. Ihr Vertrag endet am 16. Oktober, da wäre es langsam an der Zeit für eine Entscheidung. Bis wann fällt sie?Ich gehe davon aus, dass der Aufsichtsrat bald kommunizieren wird, wie es weitergeht. Können Sie – sollte der Aufsichtsrat Sie nicht um eine Verlängerung bitten – einfach wieder in den Aufsichtsrat zurückkehren?Ja, klar. Ich habe ein professionelles Verhältnis zu meinen Aufsichtsratskollegen. Sie haben kürzlich das neue Organisationsmodell vorgestellt. Warum kam es mit so viel Zeitverzug, es sollte doch schon Ende 2019 – und damit weit vor Ausbruch der Pandemie – vorgestellt werden.Wir hatten den Kapitalmarkttag für den 23. März terminiert. Dann kam Corona und wir hatten völlig andere Themen auf dem Tisch. Ich glaube, es ist für jeden nachvollziehbar, dass inmitten der größten Krise des Unternehmens – fast 90 % unserer Märkte waren geschlossen – der Fokus darauf liegen muss, das Unternehmen am Laufen zu halten. Das ist uns gut gelungen. Wenn man ein Strategie-Update herausgibt, will man sich ja auch mittelfristige Ziele setzen. Das ist momentan angesichts der konjunkturellen Unsicherheiten nicht einfach. Das ist der Grund, warum wir bislang keinen Kapitalmarkttag abgehalten haben. Wie hat die Krise die Strategie verändert?Den Lockdown durch die Covid-19-Krise haben wir mit einem sehr starken Online-Geschäft gemanagt. Wer hätte vorher gedacht, dass wir in dieser Phase im April 60 % unseres Vorjahresumsatzes erreichen und auch abwickeln können? Dieses Momentum aus der Arbeit in kleinen agilen Teams und mehr Nutzung von Analytics wollen wir beibehalten und diese Erkenntnisse miteinbeziehen. Das ist die eigentliche Veränderung in unserem strategischen Denken. Wir sind zudem bereits mitten in der Zentralisierung unserer Prozesse. Da wir das Strategie-Update bis heute nicht vorstellen konnten, haben wir das neue Operating Model jetzt vorgezogen. Denn ohne die Anpassung der Organisation an die zentralen Prozesse können wir die Transformation nicht nachhaltig umsetzen. Wir brauchen in den Landesorganisationen zum Beispiel identische funktionale Ansprechpartner. Dennoch stellt sich die Frage, ob Sie durch Zentralisierung und Standardisierung nicht einen der wenigen Vorteile des stationären Handels gegenüber dem Online-Geschäft aufgeben.Deshalb sprechen wir vor allem über Prozesse und nicht über Zentralisierung allgemein. Auch künftig gibt es die Möglichkeit, Vorgaben auf Landes-, aber auch auf Ladenebene zu adaptieren. Nehmen wir das Category Management als Beispiel: Das Sortiment eines Marktes ist in Deutschland anders als in Polen, weil wir in den verschiedenen Ländern unterschiedliche Kaufkraft und unterschiedliche Konsumgewohnheiten haben. Daher gibt es zunächst eine landesweite Zentralisierung. Aber selbst innerhalb eines Landes kann der Geschäftsführer eines Marktes Anpassungen vornehmen. Wir benötigen jedoch einheitliche Prozesse für den zentralen Einkauf und die zentrale Disposition. Haben Sie nicht heute schon einen zentralen Einkauf?In der Vergangenheit hat jeder Markt für sich eingekauft. Überall im stationären Handel werden derzeit massenhaft Arbeitsplätze abgebaut. Auch Ceconomy will im Zuge der neuen Organisationsstruktur weitere bis zu 3 500 Stellen streichen. Macht sich der stationäre Handel dadurch nicht selbst überflüssig? Weniger Personal heißt doch auch weniger Beratung. Die aber ist der Grund für den Besuch im Geschäft, oder?Ein Saturn oder Media Markt hat heute neben der Verkaufsfläche auch Lager- und Administrationsfläche. Die sehen Sie als Kunde gar nicht. Da wir in diesen Bereichen zentralisieren, werden hier Stellen wegfallen. Im Markt verfolgen wir künftig nur noch ein Ziel: die bestmögliche Betreuung des Kunden. Historisch bedingt sind die Marktleiter an den Standorten beteiligt. Ist mit der geplanten Zentralisierung nicht automatisch Streit programmiert?Nein. Als es noch keinen Online-Handel gab, konnte jeder Markt seine eigene Preisstrategie verfolgen. Seit der E-Commerce auf dem Vormarsch ist, herrscht Preistransparenz und das Umfeld hat sich deutlich verändert. Einzelne Märkte konnten da gar nicht Schritt halten. Die Marktleiter wissen, dass sie mit den neuen Prozessen erfolgreicher sein können. Das heißt, das Konzept ist mit den Marktleitern besprochen und alle sind dabei.Natürlich ist es besprochen und die meisten haben es auch verstanden. Die Zentralisierung der Prozesse haben wir ja schon Anfang letzten Jahres gestartet. Inzwischen sehen die Marktleiter, dass sie dadurch deutlich erfolgreicher sind. Bis wann sollen die Strukturen in den Landesgesellschaften und in den Märkten zentralisiert sein?Wir werden im Sommer die Gespräche mit den Betriebsräten aufnehmen und anschließend geht es in die Umsetzung. In einigen Pilotmärkten haben wir das Konzept schon getestet. Im vierten Quartal 2020, unserem umsatzstärksten, werden alle strukturellen Änderungen auf Eis gelegt, denn nächstes Jahr geht es sukzessive in die Umsetzung. Bis wann soll das abgeschlossen sein?Die Maßnahmen sollen im Frühjahr 2022 abgeschlossen sein. Die Einsparungen werden wir ab dem Geschäftsjahr 2021/22 sehen. Seit Anfang 2019 läuft die Restrukturierung. Damals hatten die Einsparungen von 110 bis 130 Mill. Euro angekündigt, die neue Organisationsstruktur soll nochmals Einsparungen von 100 Mill. Euro bringen. Wie weit sind Sie mit den Einsparungen aus dem ersten Programm?Die deutsche Organisation, auf die sich das erste Restrukturierungspaket im Wesentlichen konzentrierte, hat bis auf wenige kleinere Themen alle Projekte abgeschlossen. Die Kosteneinsparungen liegen voll im Plan. Sie wollen weitere 14 Märkte schließen. Wo liegen diese?Drei befinden sich in Deutschland. Die meisten liegen in Polen. Wir werden allerdings in begrenztem Umfang noch weitere Märkte schließen. Das entscheiden wir aber erst, wenn wir sehen, ob unsere Maßnahmen greifen und wie sich die Besucherfrequenzen entwickeln. Nach Corona haben wir einen Besucherrückgang von 15 bis 18 %. Die Kunden, die kommen, haben eine klare Kaufabsicht. Die Conversion ist deutlich höher als zuvor, aber die Kunden kommen nicht in die Märkte, um dort zu verweilen. Sollten die Frequenzen nicht auf das alte Niveau zurückkommen, kann man davon ausgehen, dass sich der Umsatz weiter zugunsten von Online verschiebt. Dann werden wir uns ansehen, welche Konsequenzen das für die Profitabilität der Märkte hat. Das heißt, Sie können heute noch gar nichts zum Umfang weiterer Schließungen sagen.Wir haben immer noch einige unprofitable Märkte. Aber wir haben Maßnahmen eingeleitet. Zum Beispiel sind wir dabei, Mieten zu flexibilisieren und umsatzabhängig zu zahlen. Wir verkleinern Flächen und nehmen teilweise Shop-in-Shop-Systeme auf. Zudem haben wir in den Märkten Maßnahmen zur Produktivitätssteigerung eingeführt. Gelingt es damit nicht, einzelne Märkte profitabel zu machen, werden wir sie schließen. Grundsätzlich zielen wir darauf ab, dass der Verbraucher im Umkreis von 25 km einen Media Markt oder Saturn findet. In Städten haben wir bisweilen aber viele geringere Distanzen. Müsste nicht gerade unter Kostenaspekten die Doppelstruktur aus Media-Saturn-Holding (MSH) und Ceconomy, deren nahezu einziges Asset die Beteiligung an MSH ist, beseitigt werden?Die Doppelstöckigkeit ist der Eigentümerstruktur in der Media-Saturn-Holding geschuldet. Dort haben wir bekanntermaßen einen Minderheitsgesellschafter. Um die Kosten im Griff zu halten, sind diverse Führungskräfte in beiden Organisationen in Personalunion tätig. Das Kostenprogramm in 2019 betraf ja sowohl die Holding in Ingolstadt als auch Ceconomy. Das haben wir schon gut optimiert. Wie sinnvoll ist es denn, dass die MSH einen anderen CEO hat als Ceconomy? Das wäre doch das Paradebeispiel für die Ausübung einer Funktion in Personalunion.Langfristig haben Sie da völlig Recht. Das wäre das einfachste Konstrukt. Was ist aus den Gesprächen geworden, dass Familie Kellerhals beziehungsweise deren Vermögensverwaltungsgesellschaft Convergenta ihre MSH-Beteiligung in eine Beteiligung an Ceconomy wandelt?Das Hochrollen der Aktien wäre natürlich die einfachste Lösung. Wir sind in Gesprächen mit Convergenta, haben aber noch keinen Durchbruch erzielt. Durch Corona haben wir natürlich Zeit verloren, um über langfristige Gesellschafterthemen zu reden. Zum operativen Geschäft haben wir heute einen sehr guten Austausch. Die Zustimmung zum neuen Operating Model ist dafür ein gutes Beispiel. Mir ist wichtig, Convergenta einzubinden, auch wenn es um nicht genehmigungspflichtige Themen geht. Hat die Familie überhaupt Interesse an einer Beteiligung an Ceconomy?Die Familie muss für sich beantworten, ob sie langfristig Anteilseigner sein will. Ich kenne den familieninternen Dialog nicht. Die einfachste Variante unter Governance-Gesichtspunkten wäre natürlich der Beteiligungstausch. Aber das ist eine Frage der Interessen und des Interessenausgleichs. Hierzu dauern die Diskussionen an. Aufgrund der finanziellen Ausstattung von Ceconomy ist klar, dass die Familie nicht in Cash ausbezahlt werden kann.Das ist offensichtlich. Unsere Bilanz erlaubt es derzeit nicht, größere Beträge in Cash auszuzahlen. Ceconomy hat im Mai – wie es schien nach zähen Verhandlungen – eine KfW-Kreditlinie von 1,7 Mrd. Euro erhalten. Die Linie läuft bis Ende 2021. Wollen Sie den Puffer so lange behalten?Wir haben die KfW-Linie als Versicherung gegen eine zweite Welle genommen. Es zeichnet sich momentan ab, dass eine zweite Schließungswelle vermutlich abgewendet werden kann. Wenn sich das erhärtet, werden wir mit Sicherheit nicht bis zum Ende des Zeitraums warten, sondern die Linie deutlich früher zurückgeben. Wir haben die Linie zu keinem Zeitpunkt in Anspruch genommen. Sogar die eigene Banklinie haben wir nahezu vollständig zurückgeführt. Können Sie sagen, was die Linie kostet?Die Bereitstellungszinsen sind natürlich höher als bei einer normalen Banklinie. Das belastet uns, wie man am Finanzergebnis im Quartal ablesen kann. Spielt bei der Entscheidung über eine vorzeitige Rückgabe auch das Thema Dividende eine Rolle oder ist angesichts der Pandemie absehbar gar nicht an eine Ausschüttung zu denken?Unsere Eigenkapitalbasis ist nicht stark. Im zweiten Quartal verzeichneten wir ein Impairment auf die Beteiligung an Fnac Darty, weil alle Handelsaktien aufgrund der Pandemie extrem unter Druck geraten sind. Das hat unser Kapital nochmals geschmälert. Insofern erlaubt unsere Kapitalbasis unabhängig vom KfW-Kredit im Moment keine Ausschüttung. Wir müssen das Eigenkapital zunächst einmal stärken, bevor sich die Frage nach der Dividende stellt. Sprechen wir dabei über Jahre?Wir werden unsere Dividendenpolitik sicher überdenken und an die aktuelle Situation anpassen. Wir hatten nach der Abspaltung von der Metro eine sehr hohe Ausschüttungsquote. Wenn man das ändert, könnte man früher wieder dividendenfähig sein. Beschlossen ist jedoch nichts. Warum war es so schwierig, die Kreditlinie zu bekommen? Die privaten Banken mussten in Summe nur 340 Mill. Euro beisteuern, trotzdem brauchten sie eine zweistellige Zahl an Banken.Das stimmt so nicht. Es mussten sich alle unsere Banken, bei denen wir bereits Linien hatten, beteiligen. Warum hat es so lange gedauert?Wir haben sechs bis sieben Wochen gebraucht. Ob das langsam war, kann ich nicht sagen. Aber wir haben gemerkt, dass die KfW anfangs auf die Prozesse noch nicht vorbereitet war. So bekamen Tui und Adidas beispielsweise sehr schnell die Zusage. Dann geht das operative Geschäft vor. Wie ich weiß, gab es dort nur eine Entscheidungsrunde. Bei uns gab es dagegen schon eine Entscheidung des Risikoausschusses, einen Vorstandsbeschluss und eine Entscheidung mit Regierungsbeteiligung. Das verlängert die Prozesse natürlich. Das Interview führte Annette Becker.