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London liefert Berlin Vorlage für Umgang mit Huawei

Von Andreas Hippin, London, und Stefan Paravicini, Berlin Börsen-Zeitung, 29.1.2020 Wenige Tage vor dem offiziellen Austritt aus der Europäischen Union (EU) hat Großbritannien dem umstrittenen chinesischen Netzwerkausrüster Huawei zumindest...

London liefert Berlin Vorlage für Umgang mit Huawei

Von Andreas Hippin, London, und Stefan Paravicini, BerlinWenige Tage vor dem offiziellen Austritt aus der Europäischen Union (EU) hat Großbritannien dem umstrittenen chinesischen Netzwerkausrüster Huawei zumindest eingeschränkten Zutritt zur Mobilfunkinfrastruktur der Zukunft gegeben. Kurz vor dem formalen Vollzug des Brexit ist die Entscheidung für ein vorsichtiges “Huawelcome” gefallen. Anders als von den USA gefordert wird Huawei nicht komplett vom Ausbau des Mobilfunknetzes der fünften Generation (5G) ausgeschlossen. Die Komponenten des chinesischen Konzerns sollen allerdings nicht im Kernnetz, sondern nur in der sogenannten Peripherie zum Einsatz kommen, wie die Regierung in London mitteilte. Heute wird die EU-Kommission ihre Richtlinie für den Umgang mit 5G veröffentlichen und dürfte den Mitgliedstaaten beim Umgang mit Zulieferern wie Huawei ebenfalls Spielraum geben.Die Entscheidung aus London dürfte auch in Berlin für Erleichterung gesorgt haben, da sich die Bundesregierung in den vergangenen Wochen selbst in den Reihen der eigenen Fraktionen im Bundestag unter wachsendem Druck sieht, Huawei wegen Sicherheitsbedenken vom Ausbau des 5G-Netzes auszuschließen. Hätte sich London zu einem Bann entschlossen, wäre die Erklärungsnot in Berlin weiter gestiegen. Stattdessen stellte sich die CSU-Fraktion gestern geschlossen hinter den Kurs der Bundesregierung, die statt eines Ausschlusses von Huawei auf neue Sicherheitsstandards für die Zertifizierung von Zulieferern und Komponenten setzt.Eine Bannmeile für chinesische Komponenten um das Kernnetz wurde in den vergangenen Wochen als möglicher Kompromissvorschlag ebenfalls diskutiert. Kritikern aus den Regierungsfraktionen wie dem außenpolitischen Sprecher der CDU, Norbert Röttgen, geht auch das nicht weit genug, da die Trennlinie zwischen Kern und Peripherie im 5G-Netz nur noch schwer gezogen werden könne. Sie wollen “nicht vertrauenswürdige” Unternehmen ganz von der Teilnahme am Mobilfunkausbau der jüngsten Generation ausschließen können.Wer damit gemeint ist, bedarf keiner Erläuterung. Der privat gehaltenen Huawei wird seit Jahren eine besondere Nähe zur Zentralregierung in Peking nachgesagt. Nachweise für den Vorwurf, dass China von Huawei in ihre Komponenten eingebaute Hintertüren jederzeit für Spionagezwecke nutzen kann, gibt es keine. Dennoch warnen nicht nur US-Geheimdienste davor, Peking mit der Technologie von Huawei die Tür zu sensibler Infrastruktur zu öffnen. 5G gilt als Voraussetzung für Zukunftstechnologien wie das autonome Fahren und die Produktion in vernetzten Fabriken, auf die Deutschland die Zukunft setzt. Die USA haben Huawei und ihren chinesischen Wettbewerber ZTE bereits 2012 als nationales Sicherheitsrisiko eingestuft. Der Umgang mit diesem Risiko hat sich in den vergangenen Jahren verschärft. So wurde ZTE im Frühjahr 2018 mit einem zeitweiligen Ausschluss vom US-Markt in die Knie gezwungen. Im Mai des vergangenen Jahres erließ US-Präsident Donald Trump einen Sicherheitserlass gegen Huawei, der de facto ebenfalls einen Bann aus dem US-Markt bedeutete. Doch die Marktmacht des weltweit führenden Netzwerkausrüsters spüren selbst Unternehmen aus den USA, für die Huawei in den vergangenen Jahren auch zu einem der wichtigsten Kunden aufgestiegen ist. Bereits Ende Juni entschied sich die US-Regierung deshalb zu einer Lockerung der Sanktionen, und erst in der vergangenen Woche stellte sich das Verteidigungsministerium gegen eine neuerliche Verschärfung.Der von Washington ausgehende Druck auf das Ausland, Huawei aus der Mobilfunkarchitektur auszuschließen, hat indessen nicht nachgelassen. Entsprechend enttäuscht äußerte sich die US-Regierung nach der Entscheidung Londons. Sie wiegt für die Sicherheitsinteressen der USA insofern doppelt schwer, als Großbritannien zu den “Five Eyes” zählt, die sich eng über geheimdienstliche Informationen austauschen. Australien, Neuseeland und Japan, die ebenfalls zu dieser Gruppe zählen, sind bisher die einzigen Länder, die dem US-Aufruf für einen Huawei-Bann ohne Einschränkung gefolgt sind (siehe Grafik). Die USA haben auch Deutschland angedroht, im Falle einer Beteiligung von Huawei keine geheimdienstlichen Informationen mehr zu teilen. Fehlgeleitete IndustriepolitikEs bleibt die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass kritische Infrastruktur wie 5G scheinbar zwingend von einem der chinesischen Regierung nahestehenden Unternehmen wie Huawei bezogen werden kann. Es gab eine Zeit, in der in Deutschland vermutlich klar gewesen wäre, dass so etwas von Siemens bezogen wird. Jahrzehnte fehlgeleiteter Industriepolitik haben seitdem aber dafür gesorgt, dass sich Deutschland aus Zukunftstechnologien verabschiedet hat. Siemens stieg als Netzwerkausrüster aus. Huawei kann auch deshalb als preiswerter Anbieter auftreten, weil der Konzern von der Volksrepublik nach Kräften gefördert worden ist. Westliche Hersteller wie Nokia und Ericsson haben solche Unterstützung nicht.