Luftfahrt feilt am grünen Fliegen
wü Paris
Während England den Klimawandel durch neue Temperaturrekorde zu spüren bekommt, gehört das Wort „Nachhaltigkeit“ zu den Begriffen, die in Farnborough am häufigsten zu hören sind. Flugzeugbauer, Triebwerkshersteller und Politiker haben sich das Thema auf die Fahnen geschrieben – immerhin haben sie versprochen, bis 2050 klimaneutral zu werden. Eine nachhaltige Luftfahrt sei eine absolute Notwendigkeit und ein kommerzieller Imperativ, erklärte Rolls-Royce-Chef Warren East während einer Podiumsdiskussion auf der Messe. Das sei aber auch eine Chance.
Ähnlich sehen es andere Hersteller. Sie haben seit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie einen verstärkten Fokus auf das Thema gelegt und entsprechende Initiativen angestoßen – für nachhaltigen Treibstoff (Sustainable Aviation Fuel oder einfach SAF), Kohlenstoffbindung, Wasserstoff- oder Elektroantriebe. „Es gibt keine Wunderwaffe, um die Klimaneutralität 2050 zu erreichen“, sagt Nicolas Chrétien, der bei Airbus für Nachhaltigkeits- und Umweltthemen zuständig ist. Der europäische Flugzeugbauer hat sich gerade zusammen mit sieben Fluggesellschaften und dem amerikanischen Unternehmen 1PointFive zusammengetan, um CO2 direkt zu binden und unter der Erde in den USA zu lagern.
Hoffnung auf CO2-Bindung
Airbus und Air Canada, Air France-KLM, Easyjet, IAG, Latam, Lufthansa sowie Virgin Atlantic haben deshalb eine Verkaufsabsichtserklärung für 40 000 Tonnen an CO2-Gutschriften mit der Tochter von Occidental’s Low Carbon Ventures Business unterzeichnet. Diese baut gerade in Texas eine Anlage, in der CO2 gebunden und gelagert werden soll. Die Anlage soll nach Angaben von 1PointFive-Chef Steve Belly 2024 in Betrieb gehen und in 2000 Metern Tiefe 1 Mill. Tonnen CO2 lagern können.
Die direkte Bindung von CO2 soll mit Hilfe riesiger, durch Sonnenkraft angetriebener Ventilatoren erfolgen, die das CO2 direkt aus der Luft ansaugen. „Die direkte Kohlenstoffbindung ist eine neue Technologie mit enormem Potenzial“, erklärte Jane Ashton, die Nachhaltigkeitsbeauftragte von Easyjet.
Airbus-Rivale Boeing ist ebenfalls überzeugt, dass es nicht das eine Allheilmittel gibt, das der Luftfahrt helfen wird, bis 2050 klimaneutral zu werden. Er hat deshalb in Farnborough ein neues Datenmodellierungstool namens Cascade vorgestellt, mit dem die besten Szenarien auf dem Weg dahin gefunden werden sollen. Dafür sollen die Daten verschiedener Lösungsansätze analysiert werden. Dazu gehören die Flottenerneuerung, die Nutzung nachhaltiger Energiequellen wie SAF-Treibstoffe, Wasserstoff- und Elektroantriebe, Effizienzverbesserungen im Betrieb und neue Spitzentechnologien. Boeing hat Cascade zusammen mit führenden Universitäten entwickelt und will mit ihnen auch weiter daran arbeiten.
Der US-Flugzeugbauer gab zugleich auch eine Partnerschaft mit der Universität von Cambridge bekannt. Zusammen gründen sie den Aviation Impact Accelerator, um neue Klimatechnologien voranzutreiben. Mit dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) ist Boeing jetzt eine weitere Forschungskooperation für klimaneutrales Fliegen eingegangen. Boeing hat sich zudem mit Alder Fuels verbündet. Das britische Unternehmen stellt ein Vorprodukt für SAF-Treibstoffe aus Überresten von Wald und anderer Biomasse her.