Lufthansa-Chef Spohr wartet bei TAP noch ab
Lufthansa-Chef wartet bei TAP noch ab
Konsolidierung in Europa gewinnt nach der ITA-Übernahme an Fahrt
Bloomberg/lis Frankfurt
Lufthansa-Chef Carsten Spohr glaubt, dass die Zeit für konkrete Überlegungen zu einer möglichen Übernahme der portugiesischen Fluggesellschaft TAP noch nicht gekommen sei. Der Privatisierungsprozess für die TAP seitens der Regierung in Lissabon sei noch nicht abgeschlossen, sagte Spohr beim Gipfeltreffen der International Air Transport Association (IATA) in Istanbul. Außerdem plane die portugiesische Regierung, TAP in der bevorstehenden Privatisierung nicht komplett zu verkaufen. Stattdessen will sich der Staat eine „strategische Beteiligung“ sichern. Ähnliche Pläne hatte zwischenzeitlich die italienische Regierung für die ITA gehegt, damals hatte Spohr von einer „Scheinprivatisierung“ gesprochen, für die die Lufthansa nicht zur Verfügung stehe. Mindestens drei Airlines haben Interesse an TAP bekundet: Lufthansa, Air France-KLM und die British-Airways-Mutter IAG. Aus Sicht der Lufthansa wäre eine Ergänzung des Geschäfts durch TAP wegen deren starker Ausrichtung in Richtung Südamerika attraktiv. Dort sind die Deutschen bisher eher schwach aufgestellt.
Die portugiesische Fluggesellschaft war wie viele europäische Wettbewerber während der Pandemie mit Staatsgeldern gestützt worden, in Portugal flossen 3,2 Mrd. Euro. Die EU-Kommission genehmigte die Beihilfe unter der Auflage einer harten Sanierung. Die Flotte wurde verkleinert, mehr als 2.900 Arbeitsplätze abgebaut und die Löhne um bis zu 25% gesenkt.
Billig-Konkurrenten machen Druck
Die Lufthansa hatte zuletzt einen Einstieg bei der italienischen ITA vereinbart, bei der sie mittelfristig eine vollständige Übernahme plant. Experten gehen davon aus, dass das Engagement der Lufthansa in Italien die Konsolidierung in der europäischen Luftfahrtbranche wieder in Schwung bringen wird. Erwartet wird, dass vor allem mittelgroße nationale Fluggesellschaften vor einer Übernahme stehen könnten. Lufthansa-Chef Spohr sagte bei der Übernahme von 41% an der ITA, die Konsolidierung in der Branche komme voran und sei auch nötig. Erfolg hänge auch von Größe ab, betonte er.
Gerade die mittelgroßen Gesellschaften, gebeutelt durch die Pandemie, kämpfen mit der Konkurrenz durch die Billigflieger. In Portugal wurde TAP von der Regierung gestützt, in Skandinavien ringt SAS damit, die Insolvenz hinter sich zu lassen. Beide Firmen stehen unter dem Druck von Billig-Konkurrenten wie Ryanair oder Wizz Air. „Man hat eine Menge Fluggesellschaften, die nur deswegen existieren, weil man glaubt, dass man eine nationale Airline haben muss – und diese finden das Leben wahrscheinlich ziemlich schwierig“, sagte James Halstead, Partner bei der Beratungsgesellschaft Aviation Strategy.
Drei große Blöcke
Marktteilung erwartet
Fachleute gehen davon aus, dass sich der Markt in den kommenden Jahren aufspalten wird: auf der einen Seite drei große Airline-Blöcke um Lufthansa, Air France-KLM und IAG, die kleinere Rivalen aufkaufen werden – auf der anderen Seite Billigflug-Giganten wie Ryanair. „Der Lufthansa-ITA-Deal folgt der Logik in der europäischen Branche der vergangenen 25 Jahre, welche eine zunehmende Integration der regionalen und nationalen Gesellschaften beinhaltet“, sagte Andrea Giuricin, Experte bei TRA Consulting.
Die kleineren Gesellschaften dürften sich dann entweder einer der drei größeren Gruppen anschließen oder verschwinden. „Sie werden nicht wachsen können, weil das andere tun, und deswegen verlieren sie an Attraktivität und trudeln nach unten, bis sie sterben“, sagte Aviation-Strategy-Experte Halstead. Daten von TRA weisen darauf hin, dass Europa bei der Konsolidierung den USA hinterherhinkt: In Europa kamen demnach 2018 die fünf größten Gesellschaften – einschließlich Ryanair – auf einen Marktanteil von 50%. In den USA teilten sich der Beratungsgesellschaft zufolge die fünf größten Anbieter 86% des Marktes auf.
Allerdings wird sich die Lufthansa auch daran messen lassen müssen, wie erfolgreich sie bei der Sanierung der ITA ist. Diese wird womöglich viele Kräfte binden, so dass ein Engagement bei TAP allein schon deshalb erst einmal hintan gestellt werden dürfte. ITA-Vorgänger Alitalia flog viele Jahre Verluste ein und musste vom Staat mit Milliarden gestützt werden. Europa-Flüge von und nach Italien sind fest in der Hand der Billigflieger Ryanair oder Easyjet – und der Wettbewerb dürfte weiter zunehmen. Dennoch war für die italienische Regierung der Einstieg der Lufthansa der einzige Ausweg für die ITA: „Die Aussicht, in einem Markt wie der Luftfahrt allein zu bleiben, ist eine reine Illusion “, so Wirtschaftsminister Giancarlo Giorgetti.
Foto: Deutsche Lufthansa