Lufthansa fasst Schutzschirm ins Auge
Im Tauziehen um die Instrumente einer Staatshilfe für die Deutsche Lufthansa sind die Fronten zwischen Unternehmen und Regierung offenbar verhärtet. Die Airline sträubt sich gegen eine allzu große Einflussnahme auf ihr Geschäft und zieht alternativ ein Schutzschirmverfahren ins Kalkül. Dies hätte aber seine Tücken.Von Heidi Rohde, FrankfurtDie Gespräche zwischen Lufthansa und Bundesregierung über Mittel und Wege einer umfangreichen Staatshilfe für die Airline ziehen sich in die Länge. Ursprünglich ging die Fluggesellschaft davon aus, bis Ende des Monats ein Hilfspaket unter Dach und Fach zu haben. Jedoch gerät eine Einflussnahme des Staates auf das operative Geschäft und strategische Entscheidungen des Unternehmens offenbar zunehmend zum Zankapfel. Angesichts eines Rettungspakets von insgesamt 9 Mrd. bis 10 Mrd. Euro findet ein Mix aus stiller Beteiligung und Krediten, wie er Lufthansa vorschwebt, in Teilen der Regierung offenbar keine Zustimmung.Insbesondere die SPD hatte sich zuletzt für einen Direkteinstieg des Staates ins Aktienkapital und entsprechende Mitspracherechte starkgemacht, während vor allem CSU-Politiker wie Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder vor zu viel staatlicher Einflussnahme warnten. Die Regierung wies gestern zwar Berichte über einen bevorstehenden Direkteinstieg des Staates bei der Lufthansa zurück, der Konzern sucht aber dennoch nach Alternativen.Wie in unternehmensnahen Kreisen zu hören war, prüft der Aviation-Konzern alternativ die Beantragung eines Schutzschirmverfahrens. Diese Sonderform des Insolvenzverfahrens wurde vom Gesetzgeber geschaffen, um Unternehmen zu ermöglichen, in Eigenverwaltung eine Sanierung vorzubereiten, die anschließend durch einen Insolvenzplan umgesetzt werden soll. Es wurde im vergangenen Herbst auch vom Ferienflieger Condor gewählt und soll prinzipiell “einen Anreiz setzen, frühzeitig in ein Insolvenzverfahren einzutreten, noch bevor ein Unternehmen zahlungsunfähig ist”, wie Christoph Niering, Vorsitzender des Verbandes der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID), im Gespräch mit der Börsen-Zeitung betont.Abgesehen von etwas mehr Einflussmöglichkeiten für die Geschäftsführung, bietet es keine besonderen Vorteile gegenüber einem Regelinsolvenzverfahren. Auch in einem herkömmlichen Verfahren genießt das Unternehmen zunächst Schutz vor seinen Altgläubigern und kann Liquiditätshilfen, den Massekredit, bekommen”, so Niering. Indes brauche es auch im Schutzschirmverfahren “eine Exit-Strategie, also einen Insolvenzplan, dem die Gläubiger zustimmen müssen”.Für jedwedes Verfahren ist zudem eine vom Wirtschaftsprüfer attestierte positive Fortführungsprognose nötig. Diese ist bei der Lufthansa zwar grundsätzlich nicht fraglich, jedoch dürfte es sich angesichts der epochalen Krise von ungewisser Dauer und praktisch auf null gestellten Geschäftsbetriebs sehr schwierig gestalten, eine Finanzierung auf die Beine zu stellen. Natürlich steht der Lufthansa wie anderen (Tui, Adidas) der Weg zur KfW offen. Allerdings redet auch hier die Regierung mit. Jeder KfW-Kredit über 500 Mill. Euro muss durch den Lenkungsausschuss, in dem verschiedene Ministerien vertreten sind. Außerdem wird ein Betrag in der Größenordnung, die bei Lufthansa in Rede steht, in der Regel als Konsortialkredit dargestellt. Banken, die sich daran beteiligen sollen, stehen vor einem erheblichen Risiko. Denn die Flotte, die sich immerhin zu 87 % im Besitz der Lufthansa befindet, kann derzeit nur bedingt als Sicherheit gelten. “Schließlich generiert ein am Boden stehendes Flugzeug keinen Cash-flow und ist, solange die Krise dauert, auch kaum zu verwerten”, bemerkt Niering.Einen klaren Vorteil hätte ein Schutzschirmverfahren allerdings: Einer Klage von Wettbewerbern beim Europäischen Gerichtshof wegen nichtdiskriminierungsfreier Beihilfen, wie sie Ryanair angedroht hat, wäre im Hinblick auf Lufthansa der Boden entzogen. Angesichts des Geschäftsausblicks, bestehender Verbindlichkeiten in Milliardenhöhe aus Lieferungen und Leistungen und aus Kundenanzahlungen für Tickets mittlerweile stornierter Flüge sowie anstehender Rückzahlungen von Finanzverbindlichkeiten schmilzt die Liquidität der Lufthansa von 4,4 Mrd. Euro schnell ab.