Lufthansa fürchtet um HV-Mehrheit
Nachdem Großaktionär Heinz Hermann Thiele via Zeitungsinterview Nachverhandlungen in Sachen Rettungspaket fordert, sieht die Lufthansa die Hauptversammlungsmehrheit für die damit einhergehende Kapitalerhöhung in Gefahr. Eine Blockadehaltung könnte indes für Aktionäre teuer werden.lis/swa Frankfurt – Die Lufthansa befürchtet, bei der außerordentlichen Hauptversammlung in der kommenden Woche die erforderliche Mehrheit nicht zusammenzubekommen, dank derer das staatliche Rettungspaket im Volumen von bis zu 9 Mrd. Euro umgesetzt werden kann. Befeuert werden die Befürchtungen durch Aussagen von Großaktionär Heinz Hermann Thiele, der in einem Interview scharfe Kritik an den Vereinbarungen zwischen Lufthansa und Bundesregierung geäußert hatte. Thiele wehrt sich vor allem gegen die vorgesehene 20-%-Beteiligung des Staates an der Lufthansa und forderte Nachverhandlungen über den Rettungsplan. “Die Lufthansa braucht für Sanierung und Gesundung keine Staatsbeteiligung”, sagte Thiele der FAZ. Beteiligung ausgebautDer Münchner Unternehmer, der mittlerweile 15,52 % an der Fluggesellschaft hält, könnte womöglich eine Zustimmung bei der Hauptversammlung blockieren, denn der Lufthansa-Vorstand geht aktuell davon aus, dass die Präsenz dort bei unter 50 % liegen wird. Dem Vernehmen nach werden gar nur 40 % erwartet, nachdem die Präsenz bei der letzten regulären Hauptversammlung am 5. Mai bei nur 33 % gelegen hatte (vgl. BZ vom 6. Mai). Der Vorstand halte es daher “angesichts der jüngsten öffentlichen Äußerungen des größten Einzelaktionärs, Heinz Hermann Thiele, für möglich, dass das Stabilisierungspaket die in diesem Fall erforderliche Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen verfehlen könnte”. Dies würde bedeuten, dass die Lufthansa möglicherweise zeitnah zur Hauptversammlung ein insolvenzrechtliches Schutzschirmverfahren beantragen müsste, “wenn es dann nicht unverzüglich zu einer anderen Lösung kommt”, teilte die Fluggesellschaft am Mittwoch mit. Der Vorstand appelliere an alle Aktionäre, am 25. Juni ihr Stimmrecht wahrzunehmen. Scholz winkt abAuf der außerordentlichen Hauptversammlung am kommenden Donnerstag sollen die Aktionäre der für den Staatseinstieg notwendigen Kapitalerhöhung zustimmen. Bei einer Präsenz von unter 50 % braucht es dafür eine Zweidrittelmehrheit, bei mehr als 50 % würde eine einfache Mehrheit reichen. Um das Rettungspaket war wochenlang gerungen worden. Auch der Lufthansa-Vorstand und -Aufsichtsrat stehen einem Einstieg des Staates sehr kritisch gegenüber, zudem hatten sie sich an den von der EU-Kommission avisierten Auflagen gestört. Diese verlangt für ihre wettbewerbsrechtliche Freigabe, dass die Lufthansa Start- und Landerechte an den Drehkreuz-Flughäfen Frankfurt und München abgeben muss.Bundesfinanzminister Olaf Scholz sieht trotz der Kritik des Großaktionärs Thiele keine Gefahr für das staatliche Rettungspaket für die Lufthansa. Das Paket sei eine “gut abgewogene Lösung” mit der EU-Kommission, der Bundesregierung und dem Unternehmen, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch in Berlin. Spielräume für Nachverhandlungen sieht Scholz nicht. Das Lufthansa-Paket sei verhandelt, “und Punkt”. Er hoffe auf die Unterstützung durch die Aktionäre auf der Hauptversammlung. “Da setze ich nun einfach mal drauf”, sagte Scholz.Lufthansa-Investor Thiele betonte im FAZ-Interview, die Aufstockung seiner Beteiligung sei kein Signal, “auf der Hauptversammlung gegen irgendetwas zu stimmen”. Er ergänzte aber, er habe sich zu den HV-Beschlüssen noch keine abschließende Meinung gebildet. “Ich werde aber sicherlich hier nicht blockieren oder ausbremsen. Ich hoffe vielmehr, dass noch im Vorfeld etwas bewirkt und in Bewegung gebracht werden kann”, sagte Thiele weiter. Er kritisierte, Lufthansa-Chef Carsten Spohr habe nicht intensiv genug mit dem Staat verhandelt. Außerdem fühlt er sich von den Verantwortlichen nur unzureichend informiert. Die Aktionäre seien “überfallartig” damit konfrontiert worden, dass sie durch die Kapitalerhöhung für den Staatseinstieg einen Wertverlust ihres Eigentums akzeptieren müssten und der Bund durch den niedrigen Einstiegskurs zum Profiteur werde. Vertrauen in KfWThiele erklärte weiter, er bezweifle, dass bei einem Scheitern des Rettungspakets eine Insolvenz mit Totalverlust drohe, wie es ihm Spohr in Telefonaten erklärt habe. “Meines Erachtens sind nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft worden.” Der Staat solle sich auf die Finanzhilfe beschränken, “minimalinvasiv” vorgehen und nicht in die Rolle eines renditeorientierten Investors hineinwachsen. Als Kompromiss führt Thiele eine indirekte Staatsbeteiligung über die KfW an. Dies hat aus Thieles Sicht folgenden Vorteil: “Die hält sich zurück und befolgt strikte Regeln.” Blockade kann teuer werdenJuristen warnen vor einer Blockadehaltung auf Hauptversammlungen und verweisen auf gesetzliche Regeln, wonach Aktionäre sich schadenersatzpflichtig machen, wenn sie durch Stimmrechtsausübung Rekapitalisierungen verzögern oder vereiteln, die für den Fortbestand eines Unternehmens notwendig sind. Der Gesetzgeber zielt in erster Linie auf “räuberische Aktionäre”, die sich ihren Widerstand “abkaufen” lassen wollen, erläutert Manuel Lorenz, Partner der Kanzlei Baker & McKenzie. “In erster Linie ist das Gesetz als Abschreckung gedacht, da der Schadenersatzanspruch im Ernstfall für den Aktionär ruinös werden könnte”, mahnt der Anwalt.Voraussetzung für Schadenersatzforderungen sei neben der Blockadehaltung, dass der Aktionär versuche, “ungerechtfertigte Vorteile” zu erzielen. Was noch darunter fallen könnte, sei “eher unklar”, aber nicht zu unterschätzen: “Das Schwert ist auch insoweit ein scharfes, als dem Aktionär der Einwand abgeschnitten wird, sein Abstimmungsverhalten sei nicht ursächlich gewesen, weil andere Aktionäre gleich ihm gegen den Einstieg des Bundes gestimmt haben”, warnt Lorenz. “Theoretisch könnten also alle Aktionäre, die gegen den Einstieg gestimmt haben, verklagt werden, aber man müsste eben nachweisen, dass sie einen ungerechtfertigten Vorteil haben wollten”, erklärt der Jurist. Das Unternehmen müsste den Schadenersatz geltend machen – wenn die Gesellschaft wegen der abgelehnten Maßnahme in Insolvenz gegangen ist, wäre das der Insolvenzverwalter.