Luftfahrt

Lufthansa streicht Flugplan zusammen

Die Omikron-Virusvariante versetzt der Nachfrage für Lufthansa-Flüge einen deutlichen Dämpfer. Noch läuft der Weihnachts-Reiseverkehr, aber ab dem 10. Januar „bricht es brutal ab“, so Lufthansa-Chef Carsten Spohr.

Lufthansa streicht Flugplan zusammen

Von Lisa Schmelzer, Frankfurt

Die sich rasant ausbreitende Omikron-Virusvariante verpasst der Airline-Branche den nächsten Dämpfer. Gerade hagelt es bei der Lufthansa „haufenweise Cancellations“, sagte Konzernchef Carsten Spohr kürzlich bei einer Mitarbeiter-Veranstaltung. Der Vorstand habe deshalb beschlossen, im ersten Quartal 2022 über 20 000 Flüge zu streichen. Eigentlich wären es sogar noch rund 10 000 mehr gewesen, an denen aber festgehalten wird, damit die Fluggesellschaft die entsprechenden Start- und Landerechte nicht verliert. Normalerweise müssen Airlines die Zeitfenster an den Flughäfen zu 80% nutzen, um sie nicht zu verlieren. In der laufenden Wintersaison gilt ein Wert von 50%, nachdem die Slot-Regeln zu Beginn der Coronavirus-Pandemie zeitweise ausgesetzt waren.

Bereits in den zwei Wochen vor Weihnachten hatten die Passagierzahlen nur noch bei 40% der Vorkrisenwerte gelegen bei einem Sitzplatzangebot von rund 58% – „die Flugzeuge waren wieder leerer“, so Spohr. Noch sorgt der Rückreiseverkehr aus den Winterferien dafür, dass das Geschäft läuft, aber ab dem 10. Januar „bricht es brutal ab“.

Allerdings steht die Fluglinie mittlerweile finanziell auf gesünderen Beinen als zu Beginn der Krise im Frühjahr 2020. Das Unternehmen hat mehrfach den Kapitalmarkt angezapft und die Mittel unter anderem dazu genutzt, die Staatshilfe zurückzuführen. Gleichzeitig wurde die Liquidität nach oben gefahren – „damit kommen wir ohne fremde Hilfe durch die nächsten Monate“, ist der Lufthansa-Chef überzeugt. Zum 30. September 2021 lag die verfügbare Liquidität bei 8,5 Mrd. Euro. Allerdings ächzt Lufthansa unter einer Verschuldung von rund 8,4 Mrd. Euro (Stand 3. November 2021), die laut Spohr auf rund 11 Mrd. Euro steigen könnte – „das wird uns über Jahre beschäftigen“. Ende 2019 hatte die Airline einen Net Debt von 6,7 Mrd. Euro und eine Liquidität von knapp 3,4 Mrd. Euro.

Trotz des erneuten Dämpfers, der allerdings vor allem das Geschäft im kommenden Jahr belasten wird, hat Lufthansa im Jahr 2021 bei den Ergebnissen etwas besser abgeschnitten als zunächst erwartet. Allerdings werden immer noch Milliardenverluste eingeflogen. Spohr sprach vor den Mitarbeitern von 2 Mrd. bis 2,5 Mrd. Euro Verlust – Ziel sei es gewesen, den Verlust von 6 Mrd. Euro im Jahr 2020 zu halbieren. 2020 war ein negatives bereinigtes Ebit von 5,5 Mrd Euro und ein Konzernverlust von 6,7 Mrd. Euro zusammengekommen. Auf welche Ergebnisgröße sich Spohr vor den Mitarbeitern bezogen hat, wollte ein Unternehmenssprecher auf Nachfrage nicht sagen. Großen Anteil am Abschmelzen des Verlusts hat die derzeit extrem erfolgreiche Lufthansa Cargo. Diese habe etwa im November „so viel Geld verdient wie in manchen Zeiten im gesamten Geschäftsjahr“, so Spohr, der die Frachttochter selbst von 2007 bis Ende 2010 geführt hat. „Das hilft uns enorm.“

Schlaflose Nächte

Weniger hilfreich ist dagegen die nach wie vor ungelöste Tarifauseinandersetzung mit den Piloten, die sich kurz vor Weihnachten zugespitzt hatte. Lufthansa hatte die so­genannte Perspektivvereinbarung (PPV) gekündigt und damit eine Voraussetzung für eventuelle be­triebsbedingte Kündigungen ge­schaffen. Über Weihnachten mussten dann Flüge abgesagt werden, weil eine Vielzahl von Flugzeugführern krankheitsbedingt ausfiel. Ein Zusammenhang mit der Omikron-Variante, die etwa den Flugbetrieb in den USA teilweise lahmgelegt hatte, ist nicht bekannt. Die Lufthansa möchte möglichst alle Piloten an Bord behalten, aber über eine flächendeckende Arbeitszeitreduzierung Kosten sparen. „Wenn alle weniger arbeiten, ist ausreichend Arbeit für alle da“, fasst es Spohr zusammen. Bei der Mitarbeiterversammlung sprachen Piloten von einer „Kriegserklärung“ im Zusammenhang mit der PPV-Kündigung. Spohr warf den Flugzeugführern „taktische Spielchen auf Zeit“ vor, wenn diese Verhandlungen blockierten, weil angeblich keine Verhandlungskapazitäten vorhanden seien.

Laut Spohr stehen der Branche im Übrigen auch jenseits von Omikron bereits die nächsten Herausforderungen ins Haus. „Wir haben Sorge, ob unsere Zulieferer auf das Hochfahren des Verkehrs im Sommer vorbereitet sind.“ Gemeint sind unter anderem Cateringunternehmen und die Bodenabfertigungsdienste an Flughäfen. „Das bereitet mir jenseits von Omikron die nächsten schlaflosen Nächte.“ Auch beim eigenen Unternehmen machen die Lufthanseaten und ihr Chef derzeit vermehrt „Qualitätsdefizite“ aus – „vielleicht haben wir es bei der ein oder anderen Sparmaßnahme überzogen“, so der Lufthansa-Chef selbstkritisch.

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