IM BLICKFELD

Lunch ist etwas für Loser

Von Stefan Paravicini, Frankfurt Börsen-Zeitung, 3.12.2015 "Mittagessen ist etwas für Schwächlinge", wusste schon Gordon Gekko, Hauptfigur des Blockbusters "Wall Street" von 1987. Wer wirklich was drauf hat, nutzt die Zeit, um ordentlich Geld zu...

Lunch ist etwas für Loser

Von Stefan Paravicini, Frankfurt”Mittagessen ist etwas für Schwächlinge”, wusste schon Gordon Gekko, Hauptfigur des Blockbusters “Wall Street” von 1987. Wer wirklich was drauf hat, nutzt die Zeit, um ordentlich Geld zu verdienen, so die Botschaft. Investoren schreckt es offenbar nicht, dass Lunch etwas für “Loser” sein könnte. Im dritten Quartal zählte der Informationsdienst CB Insights weltweit 74 Finanzierungsrunden sogenannter Food-Tech-Firmen, die bei Investoren insgesamt 1,25 Mrd. Dollar einsammelten.Noch nie rührten mehr Investoren in der Suppe, auch wenn das erste Quartal gemessen am Finanzierungsvolumen noch etwas kräftiger gewürzt war (siehe Grafik). Ob Online-Bestelldienste und Lieferservices wie Delivery Hero, Lieferdienste für frische Zutaten wie Hellofresh oder das Angebot fertiger Gerichte wie bei Munchery, Food-Tech-Start-ups treffen derzeit den Geschmack von Investoren. Allein in Deutschland zählte CB Insights im bisherigen Jahresverlauf ein Dutzend Deals in dem Segment. Zu den größten Transaktionen gehört hierzulande die Finanzierungsrunde von Delivery Hero aus Berlin, die Bestellungen bei mehr als 200 000 Partner-Restaurants in knapp drei Dutzend Ländern weltweit entgegennimmt und ausliefert. Das Unternehmen sammelte im Sommer 110 Mill. Dollar bei Investoren wie Insight Venture Partners und Rocket Internet ein und wurde dabei mit gut 3 Mrd. Dollar bewertet.Der Kochboxlieferant Hellofresh warb bei den Samwers im Herbst noch einmal 85 Mill. Dollar ein und bringt es mittlerweile auf eine Bewertung von knapp 3 Mrd. Dollar. Die Berliner mussten vor wenigen Wochen allerdings die Pläne für den eigentlich in diesem Jahr geplanten Börsengang mit einem Volumen von rund 500 Mill. Euro noch einmal zurück ins Backrohr schieben.Die häufig unterschätzte britische Küche liegt mit Blick auf die Finanzierung von Food-Tech-Start-ups in diesem Jahr etwas hinter der deutschen Hausmannskost, auch wenn der Lieferdienst Deliveroo aus London gerade 100 Mill. Dollar bei Investoren wie DST Global und Greenoaks Capital eingesammelt hat.Die meisten Transaktionen gab es in den USA, wo mit Doordash derzeit ebenfalls ein Online-Lieferdienst auf Bestellungen von Investoren wartet und nach Angaben von Insidern dabei eine Bewertung von 1 Mrd. Dollar für das ganze Menü anpeilt. Blue Apron aus New York, ein Konkurrent von Hellofresh, sammelte bereits im Sommer 130 Mill. Dollar ein und wurde von den Investoren unter Führung von Fidelity Management dabei mit 2 Mrd. Dollar bewertet. Der Lieferdienst Grubhub, der im Frühjahr des vergangenen Jahres an der Börse startete, wird derzeit ähnlich bewertet, nachdem die Aktie seit dem Sommer gut zwei Fünftel ihres Wertes verloren hat.Auch in China ist die Zahl der Finanzierungsrunden für Food-Tech-Start-ups im laufenden Jahr auf bislang 18 gestiegen, während CB Insights im gesamten Vorjahr nur 14 Transaktionen zählte. Ele.me sammelte allein 630 Mill. Dollar ein und wurde von Investoren wie Tencent, JD.com und Sequoia Capital zuletzt mit 3 Mrd. Dollar bewertet. Noch einmal deutlich mehr Dessert-Variationen stehen im indischen Food-Tech-Markt auf der Karte, wo mit 45 Deals nach neun Monaten bislang fast viermal so viele Transaktionen wie im Vorjahr aufgetragen wurden. Bei Tinyowl sollen schon die Samwers angeklopft haben. Swiggy hat derweil gleich zwei Finanzierungsrunden in diesem Jahr abgeschlossen. Das Volumen lag im einstelligen Millionenbereich, zu den Investoren gehören aber so renommierte Namen wie Accel Partners und SAIF Partners. Umrühren, fertigEs mehren sich die Zweifel, dass die rasant gestiegenen Investitionen in Food-Tech den Investoren am Ende gut bekommen werden. Wer die Hitze nicht verträgt, darf halt nicht in die Küche gehen. Doch auch in anderen Tech-Segmenten tummeln sich immer mehr Start-ups, die zwar keine Punkte von Gault-Millau, dafür aber eine Milliardenbewertung vorweisen können. Die Goldgräberstimmung führt auch dazu, dass Pülverchen wie Soylent, die mit etwas Wasser angerührt den Nährstoffbedarf eines Tages decken sollen, gerade im Silicon Valley immer beliebter werden. Rob Rhinehart, der 2013 das Rezept entwickelte, um Zeit für seine Arbeit als Softwareprogrammierer zu sparen, hat mit Soylent mittlerweile mehr als 25 Mill. Dollar bei Investoren wie Andreessen Horowitz eingesammelt. Mittagessen ist vielleicht doch nur was für Loser.