RECHT UND KAPITALMARKT

M & A-Frühstart kann hohe Bußgelder nach sich ziehen

Kartellbehörden blicken zunehmend wachsam auf Vollzugsverbot

M & A-Frühstart kann hohe Bußgelder nach sich ziehen

Von Sarah Scharf und Simon Spangler *)Auf der Zielgraden vieler M&A-Transaktionen wird oftmals übersehen, dass die Verwirklichung der Transaktion vor einer Freigabe durch die Kartellbehörden zu empfindlichen Bußgeldern führen kann. Juristen sprechen hier von Gun-Jumping, also einem Frühstart ohne die erforderliche Freigabe des Zusammenschlusses durch die Kartellbehörden. Ein solcher Frühstart kam erst kürzlich einem Internet- und Telekommunikationsunternehmen in Frankreich teuer zu stehen: Die dortige Wettbewerbsbehörde verhängte ein Bußgeld von 80 Mill. Euro, weil beim Erwerb von zwei Unternehmen im Jahr 2014 vor der Freigabe der Transaktion schon Handlungen vorgenommen wurden, die die Behörde als Vollzugshandlungen und damit als Gun-Jumping einstufte. Soweit ersichtlich, handelt es sich hierbei um das höchste jemals wegen Gun-Jumpings verhängte Bußgeld.Die Entscheidung folgt einem seit Jahren zu beobachtenden Trend zu immer höheren Bußgeldern für Verstöße gegen das Vollzugsverbot. Zunehmend aktiv sind hier insbesondere die Kartellbehörden in den USA, in Deutschland und der EU, wobei die Europäische Kommission bereits Durchsuchungen durchgeführt hat, um zu ermitteln, ob ein Verstoß gegen das Vollzugsverbot vorliegt.Die Grenzlinie zwischen verbotener Vollzugshandlung und erlaubter Vorbereitungshandlung ist in der Praxis nur schwer zu ziehen. In jedem Falle unzulässig sind klassische Vollzugshandlungen wie die Vollendung des Vollzugsgeschäfts, d.h. die Übertragung der Anteile oder Vermögensgegenstände. Aber auch eine teilweise Umsetzung ist verboten, wenn sie zu einer faktischen Vorwegnahme der Integration der Unternehmen führt und damit die wirtschaftlichen Wirkungen des Zusammenschlusses ganz oder teilweise vorwegnimmt. Zulässig sind hingegen bloße Vorbereitungshandlungen.Die Unternehmen bewegen sich damit praktisch in einer rechtlichen Grauzone, da eine klare Einordnung als Vorbereitungs- oder faktische Vollzugshandlung oftmals sehr schwierig ist. Zudem besteht regelmäßig ein großes Interesse des Käufers daran, auf das Zielunternehmen schon vor der Freigabe durch die Kartellbehörden Einfluss zu nehmen: er möchte strategisch ungünstige Entscheidungen des Managements des Zielunternehmens verhindern, die wichtigsten Mitarbeiter frühzeitig an seinen Konzern binden und nach Vollzug möglichst schnell zum Tagesgeschäft übergehen. Der Käufer ist daher naturgemäß daran interessiert, Integrationsschritte möglichst vor Vollzug umzusetzen. Dies betrifft insbesondere Shared Services wie IT, HR oder Accounting. Die Integration des erworbenen Unternehmens in den Konzern des Käufers geht allerdings nicht über Nacht, also muss dies bereits einige Zeit vor der Freigabe durch die Kartellbehörden vorbereitet werden.Die Gefahr des Gun-Jumpings besteht insbesondere in den folgenden drei Fällen: der Einflussnahme des Erwerbers auf das Zielunternehmen, bei personellen Verflechtungen und Mitarbeiteransprache sowie bei der Vorbereitung der Integration des Zielunternehmens in den Konzern des Käufers.Als grobe Richtschnur gilt in diesen Fällen Folgendes: eine Einflussnahme des Käufers auf das Zielunternehmen ist vor der Freigabe zulässig, soweit diese nicht in den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb eingreift. Der Käufer darf jedoch außergewöhnliche Geschäfte von seiner Zustimmung abhängig machen, sofern der Eingriff dem Werterhalt des Unternehmens dient. Häufig geschieht dies durch sog. Covenants in den Unternehmenskaufverträgen, die dem Käufer Mitspracherechte einräumen.Mitarbeiter des Zielunternehmens dürfen vom Käufer informiert werden, sofern es um die Transaktion und die Zukunft im neuen Konzern, und nicht (primär) um wirtschaftliche Themen wie das Tagesgeschäft des Zielunternehmens geht. Organmitglieder (Geschäftsführung, Vorstand, Aufsichtsrat, Beirat) dürfen dagegen noch nicht vom Käufer bestellt werden, Übergangslösungen sind jedoch zulässig. Schließlich ist auch die Vorbereitung der Integration in Arbeitsgruppen, die aus Mitarbeitern des Zielunternehmens, eventuell des Verkäufers und des Käufers bestehen, regelmäßig zulässig. Allerdings dürfen vereinbarte Kooperationen und vorbereitete Software-Lösungen noch nicht vor dem Vollzug livegeschaltet werden. Weiter ist es eventuell notwendig, sog. “Clean Teams” aufzusetzen, d.h. die Mitarbeiter in den Integrationsteams von den Mitarbeitern im kernoperativen Bereich des Zielunternehmens zu trennen. Einzelfall betrachtenAls Faustregel gilt also: es sollten Maßnahmen vermieden werden, die auf eine vorzeitige Zusammenführung und Koordinierung der beteiligten Unternehmen gerichtet sind und über das für die Vorbereitung des Zusammenschlusses unbedingt erforderliche Maß hinausgehen. Letztlich muss, wie so oft, eine Einzelfallbetrachtung stattfinden. In Ausnahmefällen kann (auch für einzelne Teilakte) versucht werden eine Befreiung vom Vollzugsverbot beantragt werden zu erhalten (z. B. in Sanierungskonstellationen) oder eine frühzeitige Anmeldung erwogen werden.—-*) Sarah Scharf und Dr. Simon Spangler sind Junior-Partner und Rechtsanwälte von Oppenhoff & Partner.