M&A im Mittelstand: Kleiner Deal, geringe Erfolgsquote
Im Gespräch: Kai Hesselmann
„Bis zum Verkauf können im Mittelstand drei Jahre vergehen“
Der Mitgründer der M&A-Plattform Dealcircle über die Gründe, warum Transaktionen kleiner Unternehmen seltener zum Abschluss kommen
sar Frankfurt
Von Sabine Reifenberger, Frankfurt
Transaktionen im Mittelstand machen nur selten Schlagzeilen. Die Übernahme eines Zulieferers durch einen Wettbewerber oder die Nachfolgeregelung eines mittelständischen Betriebs laufen oft im Hintergrund ab – oder sie kommen erst gar nicht zum Abschluss. Insbesondere im Segment mit kleinen Volumina scheitern viele Deals, sagt Kai Hesselmann, Mitgründer der M&A-Plattform Dealcircle. Die Plattform soll Käufer und Verkäufer zusammenführen. Rund 250.000 Käuferprofile sind in der Datenbank hinterlegt. Vermittelt Dealcircle erfolgreich eine Transaktion, verdient das Unternehmen über eine Provision.
„Wir haben die Daten von gut 3.500 Transaktionen betrachtet, unabhängig davon, ob der Käufer über uns vermittelt wurde oder nicht“, erklärt Hesselmann, der vor der Co-Gründung vor fünf Jahren selbst als M&A-Berater und Finanzanalyst gearbeitet hat. Das Ergebnis der Auswertung: Während bei einem Enterprise Value von mehr als 25 Mill. Euro immerhin 80% der Transaktionen mit einem erfolgreichen Verkauf endeten, waren es im Segment unter 5 Mill. Euro nicht einmal die Hälfte. Kleine Transaktionen unter 1 Mill. Euro fanden sogar in nur 20% der Fälle einen erfolgreichen Abschluss.
Private Equity zielt auf Größe
Die abnehmende Erfolgsquote bei kleineren Transaktionen hat mehrere Ursachen. Ein Punkt sind die Strukturen. Zielunternehmen im größeren Mittelstand könnten bereits für Private-Equity-Investoren interessant sein, die aus bestehenden Fonds investieren können – und auch müssen. Investoren, die opportunistisch auf Deal-by-Deal-Basis agieren und sich auch kleinere Targets anschauen, haben dagegen in der Regel keinen Anlagedruck.
Auch bei Deals, die über Fremdkapital finanziert werden, sind die ganz kleinen Tickets für Kreditgeber oder Debt Funds wenig attraktiv. „Sie bedeuten verhältnismäßig viel Aufwand für geringes Volumen“, sagt Hesselmann. „Bei einem Deal über 15 oder 20 Millionen Euro gibt es deshalb deutlich mehr Auswahl an potenziellen Finanzierern als bei einem über 3 Millionen Euro.“
Kai Hesselmann, DealcircleM&A-Berater sollten ihren Mandanten reinen Wein einschenken.
Häufig scheitern Verkäufe auch schlicht am Preis. Die Erwartungen im Vorfeld richtig abzustecken kann da entscheidend sein: „M&A-Berater sollten ihren Mandanten reinen Wein einschenken, welcher Preis realistisch ist“, mahnt Hesselmann. Allzu oft gingen Verkäufer mit hohen Erwartungen in die Verhandlungen. Werden diese dann enttäuscht, landen die Verkaufspläne schnell in der Schublade. Dabei liefern die Mittelständler die Argumente für einen niedrigen Kaufpreis mitunter selbst: Eine starke Abhängigkeit vom Inhaber, eine anfällige Kundenstruktur mit wenigen Großkunden oder eine fehlende zweite Führungsebene sind klassische Faktoren, die Gebote mindern.
Mehrere Monate Vorbereitung
Wer einen Betrieb verkaufen möchte, sollte sich daher auf einen längeren Vorlauf einstellen. „Bis zum Verkauf können im Mittelstand drei Jahre vergehen“, sagt Hesselmann.
Das beginne damit, im Vorfeld einer Transaktion die organisatorischen Hausaufgaben zu machen, etwa Reporting-Strukturen sauber aufzusetzen und alle erforderlichen Daten zusammenzutragen.
Auch die Suche nach Beratern, die Erfahrung in der jeweiligen Branche und Dealgröße mitbringen, kann bei Verkäufen im kleineren Mittelstand mehrere Monate dauern. „Ab dem Zeitpunkt, wo die Marktansprache stattfindet, vergeht dann häufig mindestens ein Jahr, bis die Transaktion unter Dach und Fach ist“, sagt Hesselmann. Daran könne sich noch eine Übergangsphase für finale Übergaben anschließen.
Kai Hesselmann, DealcircleIm Mittelstand dagegen spielt Emotionalität oft eine große Rolle.
Oft komme auch ein Faktor hinzu, der in anderen Konstellationen keine Rolle spielt: „Wenn ein Private-Equity-Investor ein Portfoliounternehmen verkauft oder die M&A-Abteilung eines Großkonzerns den Carve-out vorbereitet, dann läuft das nach rationalen Kriterien ab. Im Mittelstand dagegen spielt Emotionalität oft eine große Rolle“, sagt er. Sein Eindruck ist jedoch, dass die mediale Präsenz, die das Thema Nachfolge zurzeit erfährt, die Professionalisierung vorantreibt.
Nachfolgen stehen bevor
Das scheint auch vonnöten, denn gerade im Bereich der Transaktionen unter 5 Mill. Euro, die seltener zu einem erfolgreichen Abschluss finden, stehen in den kommenden Jahren sehr viele Nachfolgeregelungen an. Verkäufe wären da ein gängiger Weg. Für Hesselmann ist jedoch jetzt schon absehbar: „Die bevorstehenden Deals werden sicherlich nicht alle gelingen.“
Zur Person
Kai Hesselmann ist Mitgründer und Managing Partner von Dealcircle, einer 2018 gegründeten Datenbank mit Such- und Kaufprofilen, die M&A-Transaktionen erleichtern soll. In dem Hamburger Unternehmen verantwortet er vor allem die Themen Business Development, Product & Tech sowie Marketing. Vor der Gründung war Hesselmann Partner des auf Mid-Cap-Transaktionen spezialisierten Private-Equity-Investors Capcellence und arbeitete im Bereich M&A Advisory bei PwC. Dealcircle zählt zu den Finalisten in der Kategorie „Aufsteiger“ beim Deutschen Gründerpreis 2023, der am 12. September verliehen wird.
Je kleiner der Dealwert, umso geringer die Chance auf einen Abschluss, beobachtet Kai Hesselmann, Mitgründer der M&A-Plattform Dealcircle. Mit Blick auf Nachfolgeregelungen, die bei vielen Mittelständlern in den kommenden Jahren anstehen, ist das kein gutes Signal. Manche Steine legen sich die Betriebe nach Hesselmanns Einschätzung selbst in den Weg.