IM INTERVIEW: JÖRG KASTEN, BOYDEN

"Manager sollten Klartext reden"

Der Personalberater über neue Anforderungen an den CEO im politischen Umfeld

"Manager sollten Klartext reden"

Vorstandsvorsitzende sind zunehmend mit politischen Risiken konfrontiert. Fraglich ist, ob Firmenlenker öffentlich zu solchen Themen Stellung beziehen sollen, auch wenn ihr Unternehmen (noch) nicht unmittelbar betroffen ist. Jörg Kasten, Managing Partner der Personalberatung Boyden, äußert sich im Interview, ob sich das Kommunikationsverhalten eines CEO ändern muss.- Herr Kasten, Innogy-Chef Peter Terium hat mit einigen Mitstreitern die Initiative We4Europe gestartet, um sich für einen Zusammenhalt in Europa einzusetzen. Wird so eine politische Initiative von Managern Schule machen?Eher nicht. Man sollte die Risiken nicht unterschätzen. Wenn man sich wirklich politisch äußert und festlegt, darf man keine Leichen im Keller haben.- Raten Sie Managern generell ab, sich zu politischen Themen zu äußern?Es spricht nichts dagegen, wenn sich ein CEO in einem Zeitungskommentar zu globalen Themen wie Freihandel oder ähnlichen Fragen äußert. Es ist aber auch gefährlich. Der eine oder andere hatte sich zum Beispiel schon vor der US-Wahl weit aus dem Fenster gelehnt und sich abfällig über Trump geäußert. Doch ein paar Tage später war er schon ins Weiße Haus gewählt worden.- Nach der Wahl war man in der Unternehmenswelt ja eher schweigsam.Da war dann auch das Risiko größer.- Gibt es denn Fälle, in denen Sie es für angeraten halten, dass ein Manager politisch Position bezieht? Zum Beispiel, wenn es das eigene Unternehmen betrifft.Wenn es um das eigene Unternehmen geht, kann man sich entsprechend platzieren. Ich finde es angenehmer, wenn ein Konzernchef offen Interessen artikuliert und nicht versucht, über Lobbyisten Einfluss zu nehmen. Ein klares Statement des CEO halte ich für besser, als dass Lobbygruppen im stillen Kämmerlein Gesetzesentwürfe schreiben.- Ist es nicht zielführender, hinter den Kulissen die Themen zu adressieren, als dass man Politiker in der Öffentlichkeit kritisiert?Man muss beides tun. Sich öffentlich äußern und seine Position erklären, aber flankierend auch fern des Scheinwerferlichts vorsprechen. Man kann nicht alles an die große Glocke hängen.- Gerade die ausufernde Lobbyarbeit der Unternehmen stößt ja in der Öffentlichkeit auf Kritik mit dem Argument, es gebe zu wenig Distanz zwischen Wirtschaft und Politik. Öffentliche Äußerungen könnten den Eindruck bestärken.Ist das so etwas Schlechtes? Eine gewisse Nähe zwischen Wirtschaft und Politik halte ich durchaus für erstrebenswert.- Sehen Sie denn gar keine politischen Themen, zu denen sich Manager außerhalb ihres eigenen Tellerrands äußern sollten?Vorstandsvorsitzende können sich gerne zu gesellschaftspolitischen Zusammenhängen äußern. Alle regen sich über die Apples dieser Welt auf, die zig Milliarden irgendwo parken und nicht vernünftig versteuern. Wenn hier mal jemand aus der deutschen Unternehmenswelt Klartext sprechen würde, fände ich das nicht verkehrt.- Konkurrentenschelte ist in dem Kreis nicht gerade beliebt.Das muss es ja auch nicht sein. Eine ethische Grundsatzdebatte zu den Grenzen unternehmerischer Entscheidungen könnte doch einiges klären. Es stellt sich doch die Frage, ob man immer alles tun muss, was in der gesetzlichen Grauzone noch möglich ist, nur um den eigenen Aktionären oder den Stakeholdern zu gefallen. Muss das sein, oder kann man den geraden Weg gehen?- Managern wird verstärkt seit der Finanzkrise in der Öffentlichkeit ein gewisses Misstrauen entgegengebracht. Muss man den Ansehensverlust nicht berücksichtigen, wenn sich ein Manager zum Beispiel zu ethischen Fragen äußert?Da ist es wie mit der Leiche im Keller. Man sollte in Themen, zu denen man öffentlich Position bezieht, relativ sauber sein. Sonst ist es nicht glaubwürdig. Als Banker sollte man sich im Augenblick vielleicht nicht zu ethischen Fragen äußern.- Es geht also generell um eine Sensibilisierung für politische Themen?Das Anforderungsprofil für den CEO hat sich geändert. Es reicht nicht mehr, in der deutschen Politik vernetzt zu sein. Ein Vorstandschef muss globale Zusammenhänge sehen und sich in dem Umfeld geschickt bewegen können. Sonst passiert einem so etwas wie Herrn Kaeser.- Worauf spielen Sie beim Siemens-Chef an?Herr Kaeser hat sich 2014 trotz des Ukraine-Konflikts mit Russlands Präsident Wladimir Putin getroffen und sich dabei filmen lassen. Das ist ein Anfängerfehler. Einem gestandenen Politiker wäre das nicht passiert. Da ist jemand mit offenem Visier in die Falle gelaufen. Die Welt ist komplexer geworden. Vor zehn Jahren gab es die Deutschland AG, da hat es gereicht, wenn man in der deutschen Politik ein bisschen vernetzt war und wenn man als Automobilzulieferer den Verbandspräsidenten kannte. Das reicht inzwischen nicht mehr aus.- Herr Kaeser hätte damals also hinter den Kulissen agieren sollen?Mir hat mal ein kluger Mann gesagt, man muss immer versuchen, jemanden noch zwischen sich und dem Problem zu haben.—-Das Interview führte Sabine Wadewitz.