Manche mögen's hybrid
Von Walther Becker, FrankfurtHybris herrscht noch nicht. Aber Übermut kehrt am Markt für hybride Finanzierungsinstrumente im Niedrigzinsumfeld schon ein. “Es ist viel Schwung in dem Markt, so dass in Europa dieses Jahr ein Rekordvolumen von mehr als 50 Mrd. Euro erreicht werden könnte”, sagte Klaus Fröhlich, Leiter des Kapitalmarktgeschäfts für Deutschland und Österreich von Morgan Stanley, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Dies vergleicht sich mit 32,3 Mrd. Euro 2014 und wäre mehr als europaweit von 2007 bis 2013 zusammenkam. Marco Illy von der LBBW beziffert das ausstehende Volumen in Euro auf rund 82 Mrd. Euro. Darin sind auch US-Emittenten enthalten, die sich hybrid in Euro finanzieren.Der Nischenmarkt wird angesichts historisch niedriger Zinsen, die sich mit Hybriden langfristig sichern lassen, und beflügelt vom Quantitative Easing der Notenbanken zum immer wichtigeren Baustein der Finanzierungsstrategien. Als Kandidat für eine solche Anleihe, die Eigenkapital- wie Fremdkapital-Eigenschaft hat, klopft Bertelsmann an die Tür: Moody’s hat dem in Benchmark-Größe avisierten Papier ein Rating von “Baa 3” erteilt; wegen des stark nachrangigen Charakters zwei Stufen unter der Langfristeinschätzung des Konzerns. Bayer hat jüngst Hybridanleihe mit bis zu 60 Jahren Laufzeit begeben, die erstmals nach 7,5 Jahren kündbar ist. Das Papier über 1,3 Mrd. Euro trägt einen Kupon von 2,375 %. Das Orderbuch war laut CFO Johannes Dietsch mehr als vierfach überzeichnet.VW spielt als Europas größter Bondemittent seine Stärke auch hier aus: 2,5 Mrd. Euro im März; für die Tranche mit erster Kündigung 2030 werden 3,5 % gezahlt, für die zweite (erstmals 2022) 2,5 %. Die spanische Repsol hat jüngst mit rechtlicher Endfälligkeit emittiert, womit das Volumen unter IFRS als Verbindlichkeit eingestuft wird. Eine Premiere hatte die Deutsche Annington im Dezember. Das größte Wohnungsunternehmen der Republik sammelte zur Finanzierung der Gagfah-Akquisition über die erste Hybridanleihe der europäischen Immobilienbranche mit Investment Grade (“BBB – ) 1 Mrd. Euro ein.Auch Bayer nutzte den Renditehunger der Investoren zur Akquisitionsfinanzierung: Für den Kauf des Geschäfts mit rezeptfreien Medikamenten von Merck & Co wurden im Sommer 2014 zwei Hybride über zusammen 3,25 Mrd. Euro platziert – die größte Transaktion dieser Art weltweit. Merck in Darmstadt gab sich zur Finanzierung des Erwerbs von Sigma-Aldrich mit 1,5 Mrd. Euro bescheidener. CFO Markus Kuhnert wertet den Hybrid als Signal für eine “konservative Finanzpolitik”. Gutes aus zwei WeltenMit der Emission einer Hybridanleihe können Unternehmen zusätzliche Mittel aufnehmen und gleichzeitig die Kapitalstruktur verbessern. Das sichert bessere Bonitätsnoten und damit günstigere Konditionen für reines Fremdkapital. Der Anreiz für Investoren ist in erster Linie der im Vergleich zu klassischen Anleihen höhere Spread-Aufschlag, den die LBBW auf 150 bis 400 Basispunkte schätzt. Dieser wird aufgrund des höheren Risikos bezahlt. Inwieweit Hybridbonds eher Fremd- oder Eigenkapital zuzurechnen sind, hängt an ihren strukturellen Eigenschaften wie Verschiebbarkeit der Kupons, Nachrangigkeit und unsicherer Laufzeit. Für die Ratingagenturen ist entscheidend, wie der Cash-flow im Falle einer Krise des Emittenten durch die Existenz von Hybridkapital beeinflusst wird.”Der Emittent hat einen Ratingvorteil, da 50 % des Nominal üblicherweise als Eigenkapital für Ratingzwecke anerkannt werden. Es kann eine volle Anrechnung als bilanzielles Eigenkapital erreicht werden, und die Zinszahlungen sind meistens steuerlich voll abzugsfähig”, streicht Fröhlich die Vorteile heraus. Der Hybrid-Boom kannibalisiere aber zum Teil Kapitalerhöhungen. Davon gab es 2015 bisher bloß zwei in Deutschland: vom Immobilienunternehmen Alstria über 103 Mill. Euro und von Rocket Internet zur Akquisitionsfinanzierung 589 Mill. Euro. Und das, während Private Equity die Gunst der Stunde nutzte und mit Umplatzierungen über 4,4 Mrd. Euro in neun Transaktionen Kasse machte.Kamen die Emittenten von Hybridanleihen früher nur aus wenigen Branchen wie der Energieversorgung, so ist das Bild inzwischen komplett gemischt”, sagt Fröhlich. Auch kleinere Volumina wie beim Debüt des Schienenlogistikers VTG oder der Immobilienfirma Grand City Properties werden den Banken aus den Händen gerissen. Bisher gibt es noch wenig Emittenten mit einem Rating unter Investment Grade in dem Segment. “Der Markt ist jedoch offen für alle”, betont Fröhlich aber.