„Manche Unternehmen fürchten die Gehaltstransparenz“
Im Gespräch: Thomas André Sola
„Manche fürchten die Gehaltstransparenz“
Der Vorsitzende des Verbands für Staffing-Unternehmen APSCo über neue Regelungen und den ersten Gehaltscheck in der eigenen Branche
sar Frankfurt
Von Sabine Reifenberger, Frankfurt
Eine EU-Richtlinie soll für mehr Transparenz in Gehaltsfragen sorgen. Das dürfte zu Reibungsverlusten führen, erwartet Thomas André Sola, Vorsitzender des Branchenverbands für Staffing-Unternehmen APSCo. Die Spannbreite im eigenen Sektor hat der Verband kürzlich ermittelt – mit gemischtem Feedback.
In vielen Unternehmen ist das interne Gehaltsgefüge immer noch ein großes Geheimnis. Doch das soll sich ändern. Bereits seit einigen Jahren ist das Entgelttransparenzgesetz in Kraft, das gleiche Bezahlung für Frauen und Männer bei gleichwertiger Arbeit durchsetzen soll. Hinzu kommt nun eine EU-Richtlinie für Lohntransparenz, die bis Juni 2026 in deutsches Recht überführt werden muss. Sie sieht unter anderem vor, dass Arbeitgeber bereits vor einem Vorstellungsgespräch Informationen zum möglichen Einstiegsgehalt liefern sollen. Beschäftigte sollen zudem Auskunft über die durchschnittlichen Verdienste im Unternehmen einfordern können. Während das Entgelttransparenzgesetz erst in Unternehmen ab 200 Beschäftigten greift, trifft die EU-Richtlinie bereits Betriebe mit mindestens 100 Beschäftigten.
„Um die EU-Richtlinie zu erfüllen, müssen Arbeitgeber aktiv tätig werden“, sagt Thomas André Sola, Vorsitzender des Branchenverbands für Staffing-Unternehmen APSCo. Der Verband hat vor kurzem erstmals einen sogenannten „Gehaltscheck“ vorgenommen – auch, um eine Sondersituation zu beheben: „Wir wissen zwar sehr genau, welche Vergütung die Personen erwarten können, die wir auf offene Positionen vermitteln. Aber über die Gehälter in unserer eigenen Branche hatten wir viel weniger Informationen.“
Gehaltsunterschiede in der Staffing-Branche
An der Online-Umfrage zum Gehaltscheck haben sich zwischen Juli und September knapp 850 Fach- und Führungskräfte aus der Branche beteiligt. Eine Auffälligkeit dabei: Die Verdienstmöglichkeiten sind je nach Tätigkeitsschwerpunkt sehr unterschiedlich. Wer auf Kandidatenseite arbeitet, kann im Mittel ein Gesamtgehalt von 56.400 Euro erwarten.
In der Kundenbetreuung ist mit 79.800 Euro im Vergleich ein deutlich höherer Verdienst drin. Die große Differenz liegt für Sola in den verschiedenen Anforderungen begründet: „Auf der Kundenseite ist man eher in einer Vertriebsrolle unterwegs“, erklärt er. Man müsse beispielsweise Konzerne anrufen und dort darum werben, dass man eine Position besetzen darf. „Das beinhaltet auch Kaltaquise, das ist weniger beliebt.“
Umgekehrt sei es einfacher, mit einer Vakanz auf potenzielle Kandidaten zuzugehen, wie es ein klassischer Recruiter auf der Kandidatenseite tut. Die besten Verdienstaussichten haben Personalvermittler, die sowohl auf Kandidaten- als auch auf Kundenseite aktiv sind. Diese sogenannten 360°-Rollen bringen im Mittel der APSCo-Erhebung zufolge ein Gesamtgehalt von 84.900 Euro.
Arbeitgeber halten sich zu Gehalt oft bedeckt
Mit dem Gehaltscheck in der eigenen Branche habe man mit gutem Beispiel vorangehen wollen, um Kunden zum Thema Gehaltstransparenz auch besser beraten zu können, erklärt Sola. „Im Unterschied zu einer internen HR-Abteilung sehen wir als externe Personalbeschaffer verschiedene Branchen, Beschäftigungs- und Vertragsarten und sind damit eine wichtige Schnittstelle.“ Auf Kundenseite habe die Personalvermittlung immer wieder mit Arbeitgebern zu tun, die sich zum Gehalt lieber bedeckt halten wollen. „Da wird mit der EU-Richtlinie ein Umdenken stattfinden müssen, gerade im Mittelstand“, erwartet Sola.
Wie genau die EU-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt wird, ist derzeit noch offen – durch die anstehenden Neuwahlen ist das Verfahren in der Schwebe. Das Ziel einer besseren Vergleichbarkeit ruft allerdings nicht nur positives Feedback hervor. „Manche Unternehmen fürchten die Gehaltstransparenz“, sagt Sola. „Gerade, wer große Gehaltsunterschiede hat, wird Reibungsverluste hinnehmen müssen.“
Gerade, wer große Gehaltsunterschiede hat, wird Reibungsverluste hinnehmen müssen.
Thomas André Sola, APSCo
In der Staffing-Branche war das Feedback auf den Gehaltscheck laut Verbandchef Sola gemischt. „Manche haben die Initiative total gefeiert – andere fanden es nicht so gut, weil sie da Baustellen haben“, berichtet er. Der Gehaltscheck soll ein Ansporn sein, an solchen Themen zu arbeiten. „Ein Ungleichgewicht verschwindet ja nicht dadurch, dass man nicht darüber spricht.“
Das große Geheimnis
In anderen Ländern seien Gespräche über Verdienstmöglichkeiten weniger tabuisiert: „In den USA oder Großbritannien ist der Umgang viel offener als in Deutschland“, berichtet Sola. Unabhängig von rechtlichen Fragen sollten Unternehmen schon aus eigenem Interesse einen fairen und transparenten Umgang mit Gehaltsfragen anstreben, findet er. Derzeit werde beispielsweise in Stellenausschreibungen häufig sehr ausführlich dargelegt, welche Aufgaben zu erfüllen seien, um das Gehalt werde dann aber ein Geheimnis gemacht. „Mit Blick auf den Fachkräftemangel ist ein transparenter Umgang mit dem Thema Vergütung sicherlich die erfolgversprechendere Strategie.“
Zur Person: Thomas André Sola
Seine Recruiting-Laufbahn begann Thomas André Sola Ende 2006 bei Hays. Von 2011 an arbeitete er für Earth Stream, ein Staffing-Unternehmen im Energiesektor, das Sola mitgegründet hat. 2020 fusionierte das Unternehmen mit zwei weiteren Staffing-Häusern zur Tech Stream Group. Seit 2021 begleitet Sola als Transaktionsberater Investments in Staffing-Unternehmen. Er ist Vorsitzender des Branchenverbands APSCo in Deutschland. Weltweit vereint APSCo Global mit Niederlassungen in Deutschland, Singapur, Australien und Großbritannien nach eigenen Angaben knapp 1.300 Staffing-Unternehmen.